Inhalt der Printausgabe
Dezember 2003
Vom Fachmann für Kenner (Seite 4 von 16) |
Aus dem Unterwäschefach Während eines Hauptstadtbesuchs: Es war halb zwei und ich nicht mehr ganz nüchtern auf meinem Nachhauseweg. In der Kastanienallee wurde mir von einem aufgeregten jungen Mann mit roten Lippenstiftflecken im Gesicht der Weg vertreten. Er wolle übermorgen heiraten, stellte er sich vor, und das da hinten (3 Mann, 3 Bier) seien seine Freunde, die sich einen Parcours für ihn ausgedacht hätten. Er habe schon alle Aufgaben hinter sich - bis auf eine! Für diese letzte laufe er nun schon stundenlang durch die Stadt und bekniee verzweifelt die Frauen; ich könne es ihm unmöglich auch noch ausschlagen! Seine Züge wurden komplett lippenstiftfarben, während er stammelte, er brauche unbedingt mein Hös- chen. Für Ersatz sei durchaus gesorgt! Ich ließ mir ein Foto von seiner Zukünftigen zeigen und beglückwünschte ihn aufrichtig, wies sein Ansinnen ansonsten aber rundheraus zurück. Ob ich denn mein bestes Höschen trüge, wollte er wissen, um die Frage sogleich selbst zu verneinen: Mit der besten Unterwäsche gehe man am Donnerstagabend doch nicht allein nach Hause! Ich konnte seiner Logik nicht ganz folgen. Da ich aber leicht alkoholisiert und gnädig gestimmt war, schwang ich mich für zwei Minuten zur Diplomatin auf. An der Ampel lehnte eine weibliche Person Mitte Zwanzig, der ich die Lage erläuterte. Sie nickte sehr langsam, und als ich mit meiner Schilderung am Ende war, zeigte sich viel guter Wille in ihren geröteten Augen. Nur habe sie leider gerade kein Höschen an. Ulrika Rinke
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