Inhalt der Printausgabe
August 2003
Der Dalei Lama bei TITANIC Baumhoher Besuch (Seite 2 von 5) |
||
Zu Tisch Just so begann er, der mit Abstand gesegnetste 4. Juli des laufenden Jahres. Jasmintee wurde blitzschnell aufgesetzt, Flips und Ültjes flogen aufs kreisrunde Konferenztischmahagoni, und bald saßen alle zusammen: Thomas, Gsella und und und. Und allen war ein bißchen mulmig, als die z. Zt. coolste Wiedergeburt des Ur-Buddha sel. die Schenkel übereinanderschlug, den mirabelleduftenden Mönchsumhang ordnete und trotzdem oder grade deshalb nicht verbergen konnte, daß man untendrunter nackig war - Schießer Feinripp Fehlanzeige! "Gell, da staunt ihr", hauchte der Good-Will-Tycoon auf Medien- und Spendentour und zwinkerte der Sekretärin B. Staniewski zu, die auch gleich ihre laszivsten Augen aufsetzte, "aber die Bunte will es so. Gesellschaftliche Konventionen hindern uns Postreligiöse ja häufig daran, das ureigenste Kernselbst zu erkennen und in Umlauf zu bringen. Geil ist was anderes. Aber wen haben wir denn da? Husch, komm zu Papa, Mäuschen!" "Gestatten, Eilert - Frau Eilert", flüsterte die dergestalt Charmierte, fing sich aber wieder und feuerte gewieft retour. "Wir sind kein Kinderfanzine. Und ehrlich gesagt, auf Bildern sehen Sie attraktiver aus. Sie haben Bauch, Heiligkeit, burlesk viel Bauch, und Ihre Brille ist superscheiße." Keine zwei Sekunden später hockte sie indes auf Lamas Schoß: "Aber es heißt, Ihr seid vermögend. Are you?" | ||
| ||
"Well. Ich habe mehr Piepen als ihr alle zusammen", schnarrte der Denker, "aber ist Geld denn wirklich wichtig?" Ein müdes Kopfschütteln ging durch die Runde, aber da waren die Nihilisten bei Nirwana am Falschen!: "Ja selbstverständlich ist Geld wichtig. Geld ist nicht alles, aber ohne Geld ist alles" - triumphierend fuchtelte der Redner mit dem schwarz-rot-goldenen Konferenztischfähnchen - "fuck! Es ist unsere faktisch ausgerichtete Gesellschaft, die den Eindruck vermittelt, alles sei käuflich, Kaugummi, Brot, Tomaten, Spinat, Eier, Hartkäse, Weichkäse, Gummibärchen, Broccoli, habituelle Orientierungen und sexuelle Lust. Und bei Gott, diese Gesellschaft hat recht. Wieviel nehmen denn zum Beispiel Sie pro Nümmerchen, Herr…" "Nagel." " - Nagel." "Nagel, yes, Sir." Der Name schrie halt nach Programm, doch fühlte sich der kaum mal 31jährige erkennbar überschätzt in seiner Haut. "Olli Nagel, Germanist, Hetero, Internet-Redakteur…" "Laß gut sein, Schwuchtel": Layouterin Martina Werner grätschte ins Geschehen. "Dalai möchte wissen, wieviel eine TITANIC-Nummer kostet. Man ruft Sie doch Dalai? Und Ihre Ahnen waren - Spucktiere, hahaha?! Nix für ungut, Weiser…" "Und… und… und", hörbar angefixt schliff Gsella an der Zweitpointe, "und in Ihrem ersten Leben waren Sie Dalai… Dackel… na kommen Sie, das ist Religionskritik per Alliteration, das ist Neue Frankfurter Schule, das ist NFS pur…" Der Diskurs, so swinging er begonnen hatte, er verstummte brüsk. Verlegen nippten die Adorno-Exegeten am Kaffee, Frau Eilert immerhin schien auf Herrn Lama eingeratzt zu sein. Still schlummerte ihr Kopf auf breiter Brust. "Schlafen können wir nur", sprach Buddha leise, "wenn wir unsere Augen schließen. Wer eines oder beide offenhält, wird nicht schlafen, sondern im Gegenteil wachen, hugh." Längst schien indes der Kreis als Ganzer wegdämmern zu wollen, da geschah es: Rürup zwirbelte absent am Multibart, Sonneborn blätterte erfolg- wie kraftlos im Führer "Die richtige Ansprache. Reden zu allen Gelegenheiten", und während der Reinkarnierte nach dem Verbleib Björn Engholms sich erkundigte, "ihr wißt schon, dieser smarte Gottschalk-Lutscher", brach's aus Tietze wie aus einer leeren H-Milch-Packung: "Sag mal… chrrr… - kannst du einhändig drehen, Apostel?" |
||
| 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | |