Inhalt der Printausgabe

September 2002


Wahl 2002
Was wollen eigentlich die Parteien?
(Seite 6 von 6)

PDS Das heimliche Wahlkampfziel der Partei des demokratischen Stalinismus ist natürlich das Erringen der absoluten Mehrheit von 98,97 Prozent (nach Steuern). Das ist ebenso natürlich vollkommen aussichtslos. Unheimliches Wahlkampfziel der PDS ist daher der Wiedereinzug in den Bundestag, um wenigstens während der Live-Übertragungen der "Quatsch mit Soße"-Gala mit Guido Westerwelle im Fernsehen aufzutauchen, wenn auch nur im Hintergrund als Saalpublikum. Gregor Gysi hätte gerne einen medienwirksamen Posten, der es ihm gestattet, unerhört schlaumeierische Reden zu schwingen, ohne dafür groß Verantwortung übernehmen zu müssen - etwa als Westerwelles Assistent "Egon". Für den unwahrscheinlichen Fall allerdings, daß den Genossen mit Hilfe Moskaus eine einschneidende Manipulation des Wahlergebnisses gelingen sollte, gibt es einen detaillierten Plan zur Umgestaltung Deutschlands in ein blühendes Gemeinwesen: Ein für alle einheitlich gleich hoher Mindestlohn soll dafür sorgen, daß Mißgunst und Neid zukünftig bei uns keinen Platz mehr haben. Privateigentum wird abgeschafft, alle Menschen werden jeweils an sich zurückgegeben und gehören sich wieder selbst. Taschentücher und Kekse sind für alle da. Mittelstand und Existenzgründer sollen gefördert werden, zum Beispiel durch gezielte Internierung. Mittelmaß und Existentialismus sollen auch gefördert werden, aber nur so lange, bis jemand rausfindet, was Existentialismus noch mal genau ist. Playstation, DKNY, Koks, Werbung und alle sog. "Kreativberufe" werden verboten, im Gegenzug müssen nicht mehr alle Presseerzeugnisse Woche für Woche den gleichen Tobak berichten und untereinander voneinander abschreiben, sondern werden der Einfachheit halber administrativ gleichgeschaltet statt monetär. Zwei Fernsehprogramme sollten genügen, die Anzahl der sinnlosen Schnickschnack-Konsumgüter wird ebenfalls auf zwei festgesetzt (Schlüsselanhänger mit Laserlampe, sprechendes Schminktäschchen). Zu kaufen gibt es jeweils eins an Geburtstag und Weihnachten, die Produktion übernimmt ein renommierter Dampfwalzenhersteller. Weitere Programmpunkte sind die sogenannte "Verkloppung" von Superreichen, die flächendeckende Inneneinrichtung mit Resopalmöbeln und die Abschaffung der allgemeinen Unzufriedenheit. Weil alles so schön ist, sind natürlich alle dafür, um aber ganz sicherzustellen, daß wirklich alle dafür sind, müssen alle alle heimlich bespitzeln und langweilige Telefongespräche mitstenographieren. Es hat jedoch niemand die Absicht, eine mit Stacheldraht, Selbstschußanlagen und Tretminen gesicherte Mauer zu bauen oder so was. Grundsätzlich ist die PDS jedoch für innovative Ideen offen.

Benjamin Schiffner

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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Aaaaah, Bestsellerautor Maxim Leo!

In Ihrem neuen Roman »Wir werden jung sein« beschäftigen Sie sich mit der These, dass es in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein wird, das maximale Lebensalter von Menschen mittels neuer Medikamente auf 120, 150 oder sogar 200 Jahre zu verlängern. Grundlage sind die Erkenntnisse aus der sogenannten Longevity-Forschung, mit denen modernen Frankensteins bereits das Kunststück gelang, das Leben von Versuchsmäusen beträchtlich zu verlängern.

So verlockend der Gedanke auch ist, das Finale der Fußballweltmeisterschaft 2086 bei bester Gesundheit von der heimischen Couch aus zu verfolgen und sich danach im Schaukelstuhl gemütlich das 196. Studioalbum der Rolling Stones anzuhören – wer möchte denn bitte in einer Welt leben, in der das Gerangel zwischen Joe Biden und Donald Trump noch ein ganzes Jahrhundert so weitergeht, der Papst bis zum Jüngsten Gericht durchregiert und Wladimir Putin bei seiner Kolonisierung auf andere Planeten zurückgreifen muss? Eines will man angesichts Ihrer Prognose, dass es bis zum medizinischen Durchbruch »im besten Fall noch 10 und im schlimmsten 50 Jahre dauert«, ganz bestimmt nicht: Ihren dystopischen Horrorschinken lesen!

Brennt dann doch lieber an beiden Enden und erlischt mit Stil: Titanic

 Wow, Instagram-Kanal der »ZDF«-Mediathek!

In Deinem gepfefferten Beitrag »5 spicy Fakten über Kim Kardashian« erfahren wir zum Beispiel: »Die 43-Jährige verdient Schätzungen zufolge: Pro Tag über 190 300 US-Dollar« oder »Die 40-Jährige trinkt kaum Alkohol und nimmt keine Drogen«.

Weitergelesen haben wir dann nicht mehr, da wir uns die restlichen Beiträge selbst ausmalen wollten: »Die 35-Jährige wohnt nicht zur Miete, sondern besitzt ein Eigenheim«, »Die 20-Jährige verzichtet bewusst auf Gluten, Laktose und Pfälzer Saumagen« und »Die 3-Jährige nimmt Schätzungen zufolge gerne das Hollandrad, um von der Gartenterrasse zum Poolhaus zu gelangen«.

Stimmt so?

Fragen Dich Deine Low-Society-Reporter/innen von Titanic

 Nicht zu fassen, »Spiegel TV«!

Als uns der Youtube-Algorithmus Dein Enthüllungsvideo »Rechtsextreme in der Wikingerszene« vorschlug, wären wir fast rückwärts vom Bärenfell gefallen: In der Wikingerszene gibt es wirklich Rechte? Diese mit Runen tätowierten Outdoorenthusiast/innen, die sich am Wochenende einfach mal unter sich auf ihren Mittelaltermärkten treffen, um einer im Nationalsozialismus erdichteten Geschichtsfantasie zu frönen, und die ihre Hakenkreuzketten und -tattoos gar nicht nazimäßig meinen, sondern halt irgendwie so, wie die Nazis gesagt haben, dass Hakenkreuze vor dem Nationalsozialismus benutzt wurden, die sollen wirklich anschlussfähig für Rechte sein? Als Nächstes erzählst Du uns noch, dass Spielplätze von Kindern unterwandert werden, dass auf Wacken ein paar Metalfans gesichtet wurden oder dass in Flugzeugcockpits häufig Pilot/innen anzutreffen sind!

Nur wenn Du versuchst, uns einzureden, dass die Spiegel-Büros von Redakteur/innen unterwandert sind, glauben Dir kein Wort mehr:

Deine Blauzähne von Titanic

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

 Ziemlich beunruhigt, Benjamin Jendro,

lässt uns Ihr vielzitiertes Statement zur Verhaftung des ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette zurück. Zu dem beeindruckenden Ermittlungserfolg erklärten Sie als Sprecher der Gewerkschaft der Polizei: »Dass sich die Gesuchte in Kreuzberg aufhielt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Berlin nach wie vor eine Hochburg für eine gut vernetzte, bundesweit und global agierende linksextreme Szene ist.«

Auch wir, Jendro, erkennen die Zeichen der Zeit. Spätestens seit die linken Schreihälse zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, ist klar: Die bolschewistische Weltrevolution steht im Grunde kurz bevor. Umso wichtiger also, dass Ihre Kolleg/innen dagegenhalten und sich ihrerseits fleißig in Chatgruppen mit Gleichgesinnten vernetzen.

Bei diesem Gedanken schon zuversichtlicher: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg