Inhalt der Printausgabe

September 2002


Niemand hat die Absicht, einen Deich zu errichten!


WOHL SELTEN IN DEN VERGANGENEN 12 JAHREN IST DIE FORTWÄHRENDE ZWEITEILUNG UNSERES LANDES DERART OFFENKUNDIG ZUTAGE GETRETEN, WIE IN DEN VERGANGENEN TAGEN UND WOCHEN!
Während es für uns im Westen ganz normal ist, die paar Regentage im Sommer in aller angemessenen Gemütsruhe und klaglos zu übergehen, dreht man in der Zone durch, sobald man wieder festen Boden unter den Füßen hat.

Martin Sonneborn, Chefredakteur
Martin Sonneborn,
Chefredakteur
Nicht genug damit, daß trotz der Gelder, die sich seit 1989 sintflutartig in den Osten ergießen, in jüngster Zeit ein Spendenaufruf dem anderen folgt, daß unsere besten Boulevard-Zeitungen keinen Platz mehr für Uschi Glas und Klaus-Jürgen Wussow auf der Titelseite haben - selbst unser Fernsehprogramm wird durch eine Flut eingeschobener Sandsack-Sondersendungen unberechenbar.

Schluß mit der Jammerei
Schluß mit der Jammerei - man kann auch elegant, klaglos und stilvoll bis zum Hals im Wasser stehen!

Trotzdem ist nicht der Zeitpunkt, sich in larmoyantem Selbstmitleid zu ergehen. Jetzt ist der Zeitpunkt, zu handeln, der vorliegenden Situation das beste abzugewinnen, sie als nationale Aufgabe zu begreifen! Als Chance, die Gleichgültigkeit endlich zu überwinden, die schleichende Entfremdung, die seit geraumer Zeit Einzug gehalten hat zwischen Ost und West; und sie durch eine ehrliche, offene Abneigung zu ersetzen.
Das schönste Symbol dafür - und gleichzeitig ein effektiver Schutz gegen weitere Ostblock-Hochwasser - könnte ein 2,20 Meter hoher Deich entlang der alten Zonengrenze sein, komplett mit Fisch- und Fußangeln, Scheinwerfern und Selbstschußanlagen. Wenn die "Jahrtausend-Sintflut" (Bild) den Parlamentsbeschluß zum Bau eines solchen Dammes nach sich ziehen sollte, dann sind die Belästigungen, denen wir ausgesetzt waren und immer noch sind, nicht völlig umsonst gewesen.

Darüber hinaus wird sich die Bundesregierung demnächst einigen Fragen zu stellen haben. Unter Wissenschaftlern herrscht allgemein Konsens darüber, daß nicht die Natur schuld ist an der Flut, sondern der Mensch. Aber: Woher hatte Gerhard Schröder knapp sechs Wochen vor der Wahl das ganze Wasser? Steckt Kachelmann möglicherweise mit ihm unter einer Decke? Und: Wie kam es zur kurzzeitigen Überschwemmung in Bayern - wirklich nicht mehr als eine Geographieschwäche des Kanzlers?

Herzlichst, Ihr Martin Sonneborn


PS: Was hat es außerdem mit dem sogenannten "Job-Floater" (Floater: amerik. Wasserleiche) auf sich: Hat die SPD wirklich versucht, über eine große Flut die Arbeitslosenzahl zu senken?


Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Sie, Victoria Beckham,

Sie, Victoria Beckham,

behaupteten in der Netflix-Doku »Beckham«, Sie seien »working class« aufgewachsen. Auf die Frage Ihres Ehemanns, mit welchem Auto Sie zur Schule gefahren worden seien, gaben Sie nach einigem Herumdrucksen zu, es habe sich um einen Rolls-Royce gehandelt. Nun verkaufen Sie T-Shirts mit dem Aufdruck »My Dad had a Rolls-Royce« für um die 130 Euro und werden für Ihre Selbstironie gelobt. Wir persönlich fänden es sogar noch mutiger und erfrischender, wenn Sie augenzwinkernd Shirts mit der Aufschrift »My Husband was the Ambassador for the World Cup in Qatar« anbieten würden, um den Kritiker/innen so richtig den Wind aus den Segeln zu nehmen.

In der Selbstkritik ausschließlich ironisch: Titanic

 Ziemlich beunruhigt, Benjamin Jendro,

lässt uns Ihr vielzitiertes Statement zur Verhaftung des ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette zurück. Zu dem beeindruckenden Ermittlungserfolg erklärten Sie als Sprecher der Gewerkschaft der Polizei: »Dass sich die Gesuchte in Kreuzberg aufhielt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Berlin nach wie vor eine Hochburg für eine gut vernetzte, bundesweit und global agierende linksextreme Szene ist.«

Auch wir, Jendro, erkennen die Zeichen der Zeit. Spätestens seit die linken Schreihälse zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, ist klar: Die bolschewistische Weltrevolution steht im Grunde kurz bevor. Umso wichtiger also, dass Ihre Kolleg/innen dagegenhalten und sich ihrerseits fleißig in Chatgruppen mit Gleichgesinnten vernetzen.

Bei diesem Gedanken schon zuversichtlicher: Titanic

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt