Inhalt der Printausgabe
September 2002
Der große Chaostage-Schwindel (Seite 4 von 14) |
"Todesangst in der Nordstadt" Als es dann am ersten August-Wochenende bei einem Punkkonzert zu einer zehnminütigen und eher harmlosen Prügelei kam, schien Hannover tatsächlich kurz vor einem Bürgerkrieg gestanden zu haben - glaubte man zumindest den bundesweiten Schlagzeilen, die anschließend von Ungeheuerlichem berichteten: "Todesangst in der Nordstadt" - "Blut klebte an Steinen und Containern" - "Orgie der Gewalt" - "Überall umgestürzte und brennende Autos" - "Randalierer tobten durch Hannover" - "Vor Haustüren und in Fluren tobte der Punkerterror". In all diesen Berichten tauchte immer wieder die Behauptung auf, die Punks wollten Hannover in Schutt und Asche legen. Doch das Flugblatt, auf dem die Parole gestanden haben soll, wurde nie gezeigt. Rund ein Dutzend Journalisten, erinnert sich Nagel heute, hätten sie damals persönlich dazu aufgefordert, sich das angebliche Flugblatt doch von der Polizei zufaxen zu lassen. "Aber nur einer - ein Spiegel-Journalist - setzte dies in die Tat um. Dabei kam raus, daß es das Flugblatt gar nicht gab." Und das war dem Spiegel dann eine klitzekleine Meldung wert. Daraufhin beschloß Nagel, selbst ein Erfinder von Informationen und Nachrichten zu werden - Motto: Von heute an wird zurückgelogen. Und die unter anderem von ihm dann vor den Chaostagen '95 verbreitete Mischung aus Falschem und Wahrem war so geschickt aufbereitet, daß fast alle auf sie hereinfielen. Selbst der größte Unfug taugte noch für eine Schlagzeile. So mußte der Bürger entsetzt in seiner Zeitung lesen, daß die Punks in Hannover eine Massenvergewaltigung von Polizistinnen, einen Anschlag mit dem Ebola-Virus und ein Gipfeltreffen des Terrorismus samt anschließendem "Kulturabend mit Film: ›Die Helden der RAF‹" planten. |
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