Inhalt der Printausgabe

November 2002


Humorkritik
(Seite 5 von 6)

Ostpreußen lacht

Neulich besuchte ich einen Freund in der bekannten Humorhochburg Iphofen (Unterfranken), und da passierte es, daß ich mal auf die Toilette mußte. Auf dem stillen Örtchen war es stiller als auf der Terrasse, und auf der Ablage neben mir erspähte ich einen dieser schlabberigen Kataloge, in diesem Fall vom Rhenania Buchversand Koblenz. Draußen gab ein Witzwörtchen das andere, und ich stieß auf Seite 17 des Kataloges unter der Rubrik "Unterhaltung" auf zwei Offerten: "Ostpreußen, wie es lachte" (Lizenz Stürtz, 2002, 7,95 Euro) und "Humor aus Ostpreußen" (Rautenberg, 1981, 9,95 Euro). "Typisch ostpreußische Anekdoten und Witze. Zum Selberlachen und Weitererzählen", lockte die teure Variante, und die günstige sollte überzeugen durch "Geschichten, Gedichte, Erzählungen und Anekdoten, die die Region von ihrer humorvollen Seite zeigen". Ich riß die Seite heraus und nahm sie mit nach Hause. Neugierig und klug wie ich bin, bemühte ich erst mal mein Internet zu "Ostpreußen + Humor". Google fand die von Heinrich Ehlert betreute Homepage www.ostpreussenhumor.de. Ehlert empfiehlt "die Lektüre der heimatlichen Humorgedichte und -geschichten"; sie trügen dazu bei, "die Liebe zur alten Heimat lebendig zu erhalten oder neu zu beleben". Das ist also nichts für mich, grämte ich mich, aber halt! "Ich bin sicher, daß der ostpreußische Humor auch Nichtpreußen erfreuen wird", ergänzte Herr Ehlert und erklärte: Es "gehört ja zur Wesensart echter Ostpreußen, ›mit einer Träne im Auge lächelnd dem Leben beizupflichten‹".
Ich pflichtete bei und klickte auf den Button "Spaßige Nutschkes". Nutschkes sind "typisch ostpreußische Erzählungen und Anekdoten", und ich darf Ihnen versichern: Sie zeichnen sich allesamt durch den Willen zur unpreußischen Grammatik und die mannhafte Weigerung aus, komisch zu sein. Ein beliebiges Beispiel, "Noch e Rumche" von, ohne Scherz!, Dr. Alfred Lau: "Den besten Grog gab zu Haus beim Karbau in Willenberg, der war weit und breit beriehmt. Sehr gutem Rum, und so steif, daß der Löffel drin stand. Und wem trotzdem noch zu schwach war, der konnd Rumche nachfodern, denn an dem Grogche wollt der Karbau nuscht verdienen, das war seine Reklame. Da huckd bei ihm mal e Reisender aus Allenstein, sein Tulpche vor e Nas, und wie er dem ersten Schlubberche nimmt, kriegt er dem Ober am Scheeßke zu fassen, wo gerad vorbeirennt, und sagt: ›Oberche, noch e Rumche!‹ Er kriegt e Glas Rum, gießt ein, trinkt. ›Oberche, noch e Rumche!‹ Noch emal kriegt er e Glas, und noch emal winkt er: ›Oberche, noch e Rumche!‹ Denn is er endlich zufrieden, kippt dem Grogche hinterm Schlips und bestellt sich noch e Tulpche, wo der Wirt nu aber gleich richtig mischt: Zweidrittel heißem Rum und ein Drittel heiß Wasser. Aber auch das geniegt ihm nich, und der Ober muß wieder dreimal ›noch e Rumche‹ bringen. Das ärgert den Wirt ganz aasig, und wie der Wirt nu das dritte Tulpche bestellt, kriegt er reinem, heißem Rum und nich ein Tropfche Wasser drin. Er probiert e Schluckche und winkt: ›Oberche, noch e Rumche!‹ Da platzt dem Karbau endlich aber doch der Kragen: ›Mein Grog is so gut, daß Sie all beim ersten Glas keine Verstärkung brauchden. Im zweiten Glas war doppelt so viel Rum wie Wasser drin, und im dritten Glas haben Sie reinem, purem Rum gekriegt. Nu is Ihnen der Grog immer noch zu schwach?‹ Da meint der Gast ganz erstaunt: ›Aber, Mannche, er sagt was von zu schwach? Zu heiß is er bloß!‹"
Richtiggehend zum Selberlachen, oder? Zum Wegschütten, nicht? Echt zum Schekkiglachen. Ostpreußen, wie es googelt und gickelt, kann meinethalben ruhig bei Rhenania am deutschen Eck im Schmuddeleck des Schlabberkatalogs verbleiben. In der Mitte Deutschlands, in Iphofen, ist es da schon mindestens doppelt so lustig. Und das deckt meinen Bedarf an Landsmannschaftshumor und Dialektschnurren.



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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

 Du, »Brigitte«,

füllst Deine Website mit vielen Artikeln zu psychologischen Themen, wie z. B. diesem hier: »So erkennst Du das ›Perfect-Moment -Syndrom‹«. Kaum sind die ersten Zeilen überflogen, ploppen auch schon die nächsten Artikel auf und belagern unsere Aufmerksamkeit mit dem »Fight-or-Flight-Syndrom«, dem »Empty-Nest-Syndrom«, dem »Ritter-Syndrom« und dem »Dead- Vagina-Syndrom«. Nun sind wir keine Mediziner/innen, aber könnte es sein, Brigitte, dass Du am Syndrom-Syndrom leidest und es noch gar nicht bemerkt hast? Die Symptome sprechen jedenfalls eindeutig dafür!

Meinen die Hobby-Diagnostiker/innen der Titanic

 Anpfiff, Max Eberl!

Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt