Inhalt der Printausgabe

Mai 2002


Briefe an die Leser
(Seite 1 von 10)

Günter Grass Sehr geehrter Günter Grass!
Als Ihrer geschätzten Kollegin Christa Wolf vor kurzem der von Ihnen gestiftete sog. Deutsche Bücherpreis verliehen wurde, hielten Sie selbst (wer sonst?) die Laudatio und sprachen die langweiligste Schriftstellerin der westlichen Welt persönlich an: "Östliche Zensurschneider und westliche Scharfrichter gaben Dir über die Jahrzehnte hinweg ein gesamtdeutsches Geleit. Spaltsucht machte sie umtriebig."
Hier möchten wir kurz einhaken. Wenn wir uns recht erinnern, Herr Grass, waren Sie in den Jahren 1989 ff. gleich nach Chlodwig Poth der am lautesten und öftesten vor den Gefahren der Wiedervereinigung warnende Mahner. Spaltsucht machte Sie umtriebig. Was also haben Sie heute gegen die gute alte Spaltsucht einzuwenden? Könnten Sie das gelegentlich erläutern?
Ferner lobten Sie Chr. Wolfs Leserinnen und Leser: "Sie folgten nicht dem ideologischen Gezänk, wußten sie doch, daß sie sich auf Deine Zwischentöne und auf die Dringlichkeit Deiner Gleichnisse verlassen konnten." Aber haben Sie sich denn nicht selbst recht deftig an jenen Debatten beteiligt, die Sie jetzt als "Gezänk" verunglimpfen? An vornehme "Zwischentöne" und "Gleichnisse" aus Ihrem Schnabel können wir uns dagegen nicht erinnern, sehr wohl jedoch an zahlreiche zänkische Einlassungen in schätzungsweise dreißig Millionen Pressegesprächen und TV-Auftritten.
Weiterhin sagten Sie in Ihrer Rede, an Mme. Wolf gewandt: "Was Dir gemäß ist: die Wunde offenhalten … Und nun der Schmerz, wie er hellsichtig macht und erinnernd die Erinnerung an durchlittenen Schmerz aufscheucht … Ein Schreibprozeß, der den Schmerz nach wiederholter Operation als Stimulans nutzt, um die andere Pein, die nicht körperlich ist, zu erfahren." Dürfen wir uns den Einwand erlauben, daß dieses peinvolle Gequarre über offengehaltene Wunden, erinnerte Leiden, Schmerzen, Operationen und Schreibprozesse ausschließlich Ihrer sadomasochistischen Selbstbefriedigung als Schmerzensmann der deutschen Literatur dient und keiner noch so dürftigen historischen Erkenntnis? Nein? Dürfen wir nicht?
Na gut. Wir wollten ja nur die Wunde kurz mal offenhalten.
Schmerzhafter Schreibprozeß beendet.
Spaltsüchtig: Titanic


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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

 Du, »Deutsche Welle«,

betiteltest einen Beitrag mit den Worten: »Europäer arbeiten immer weniger – muss das sein?« Nun, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, ewig und drei Tage überlegt, langjährige Vertraute um Rat gebeten und nach einem durchgearbeiteten Wochenende schließlich die einzig plausible Antwort gefunden. Sie lautet: ja.

Dass Du jetzt bitte nicht zu enttäuscht bist, hoffen die Workaholics auf

Deiner Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
28.03.2024 Nürnberg, Tafelhalle Max Goldt
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt