Inhalt der Printausgabe

Juni 2002


Literaturzapping
Ror Wolf zum Siebzigsten
(Seite 1 von 7)

Ror Wolf
In einer Geschichte in einem alten Micky Maus-Heftchen besucht Micky seinen Freund Goofy. Goofy sitzt zu Hause vor dem Fernseher und lacht sich eckig: Er zappt im Sekundentakt willkürlich durch die Programme, von den Nachrichten über Werbung zu Soap und Tier-Doku, und siehe: Die Satzfetzen aus dem Gerät ergänzen sich zu einem grammatikalisch korrekten, aber vergnüglich sinnfreien Geplapper.
Ror Wolf ist nicht Goofy. Ihm fehlen die langen Ohren, seinen roten Pullover trägt er nicht permanent, und Micky Maus kommt selten nach Mainz. Aber wie Goofy mit dem TV geht Wolf in seinen Werken mit Sprache um: er zappt sich durch. Was ihm seine Umwelt an Bruchstücken vor die Füße spült, läßt er auf seiner privaten Bühne mit verteilten Rollen auftreten und schmilzt aufs komischste zusammen, was vorher disparat war: Satzstümpfe und Wortbrocken, Fetzen aus Prospekten, Journalen und Katalogen; Textstücke aus Kolportageheften und Groschenblättern; Gebrauchsanweisungen auf Suppenbeuteln, Schlagzeilen, Werbesprüche, Müll der Redensarten und das flaue Gemurmel der Politik. Das schreibt Wolf in "Meine Voraussetzungen" bereits 1966. Seine Schaffensphase liegt da noch vor ihm: Er wird mit den Techniken des Abenteuer- wie des Reiseromans arbeiten, Bildcollagen entwerfen aus Stichen und Illustrationen, wie sie in Nachschlagewerken des 19. Jahrhunderts zu finden sind, und sich in Gedichten, Hörspielen und Prosa immer wieder mit Fußball und seiner Rhetorik beschäftigen, dem Radebrechen von Spieler und Trainer, dem Faseln der Fans, dem Kauderwelsch des Radiomoderators:
Sehr schön gemacht! aber schade, das ging schief, und wenn ich sage: schade, dann meine ich: das geht vorsichtig tastend, sehr schön. Und ich sehe soeben oder vielmehr höre, daß... Ja was denn nun?


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

 Anpfiff, Max Eberl!

Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt