Inhalt der Printausgabe

Juni 2002


WIRTSCHAFT, Ausland Aktuell
Liberté, Égalité, Autoruté
(Seite 2 von 11)

Fickificki
Soviel jedoch vorab: Experten, darunter solche für Politik und Wirtschaft, gehen davon aus, daß Chiracs Politik etwas mit guten Standortbedingungen in einem vereinten Europa zu tun haben wird, z. B. für die Wachteljagd, und sich wahrscheinlich mit Reformen von irgend was befaßt (réforme de quelque chose cul-de-sac), ganz so, wie man es ja verschiedentlich auch schon in anderen Ländern im In- und Ausland beobachten konnte (Fremdenlegion). Typisch Frankreich, immer ein Stück weiter, immer ein bißchen kühner, Dienst nach Vorschrift also im Geiste des französischen Grundrevolutionsgesetzes (loi de la bastille plémplém). Damit weiß sich Chirac in bester Tradition. Paradebeispiel: Seit der Roi Soleil, der Sonnenkönig Louis (le coq sportif) XIV die Autoroute du Soleil bauen ließ und sie aus dem Stand an den Klerus wegprivatisierte, mit Guillotine an jeder Mautstelle (zone de cousteau), falls man's nicht passend hatte, schreibt der Sakralbausektor schwarze Zahlen, geht ab wie ein Zäpfchen, wie man an der Seine gerne scherzt (marche comme un suppositoire). Ein unkonventioneller Ansatz, der Ökonomie, Ökumene und Formempfinden aufs schönste vereint und die ansehnlichsten Früchte zeitigt.
Denn nach und nach wurde jede einzelne Parkbucht in Frankreich mit einer Kathedrale ausgestattet, manche groß mit kurzem Namen (vgl. Reims), andere klein (vgl. St. Germain-de-la-Fontaine-de-Vaucluse-sur Marne), manche für Yves, andere für Ferrero Rocher (œcumenique), aber alle mit Seifenspender und so Fenstern drin. An der Art, wie hier streng pragmatisch ideologischer Ballast über die enge Reling der Partikulargeschmäcker oder überhaupt eines jeden Geschmacks geworfen wurde und wird, könnten sich die Deutschen (wir) mal eine Scheibe abschneiden. Denn das steht fest, sagen Kenner der Materie: Die Autobahnkirche von Baden-Baden wird nicht reichen, im internationalen Wettbewerb mit Frankreich mithalten zu können. Schauen Sie mal:

   1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11   


Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Du, »Deutsche Welle«,

betiteltest einen Beitrag mit den Worten: »Europäer arbeiten immer weniger – muss das sein?« Nun, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, ewig und drei Tage überlegt, langjährige Vertraute um Rat gebeten und nach einem durchgearbeiteten Wochenende schließlich die einzig plausible Antwort gefunden. Sie lautet: ja.

Dass Du jetzt bitte nicht zu enttäuscht bist, hoffen die Workaholics auf

Deiner Titanic

 Vielleicht, Ministerpräsident Markus Söder,

sollten Sie noch einmal gründlich über Ihren Plan nachdenken, eine Magnetschwebebahn in Nürnberg zu bauen.

Sie und wir wissen, dass niemand dieses vermeintliche High-Tech-Wunder zwischen Messe und Krankenhaus braucht. Außer eben Ihre Spezln bei der Baufirma, die das Ding entwickelt und Ihnen schmackhaft gemacht haben, auf dass wieder einmal Millionen an Steuergeld in den privaten Taschen der CSU-Kamarilla verschwinden.

Ihr Argument für das Projekt lautet: »Was in China läuft, kann bei uns nicht verkehrt sein, was die Infrastruktur betrifft.« Aber, Söder, sind Sie sicher, dass Sie wollen, dass es in Deutschland wie in China läuft? Sie wissen schon, dass es dort mal passieren kann, dass Politiker/innen, denen Korruption vorgeworfen wird, plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwinden?

Gibt zu bedenken: Titanic

 Wow, Instagram-Kanal der »ZDF«-Mediathek!

In Deinem gepfefferten Beitrag »5 spicy Fakten über Kim Kardashian« erfahren wir zum Beispiel: »Die 43-Jährige verdient Schätzungen zufolge: Pro Tag über 190 300 US-Dollar« oder »Die 40-Jährige trinkt kaum Alkohol und nimmt keine Drogen«.

Weitergelesen haben wir dann nicht mehr, da wir uns die restlichen Beiträge selbst ausmalen wollten: »Die 35-Jährige wohnt nicht zur Miete, sondern besitzt ein Eigenheim«, »Die 20-Jährige verzichtet bewusst auf Gluten, Laktose und Pfälzer Saumagen« und »Die 3-Jährige nimmt Schätzungen zufolge gerne das Hollandrad, um von der Gartenterrasse zum Poolhaus zu gelangen«.

Stimmt so?

Fragen Dich Deine Low-Society-Reporter/innen von Titanic

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg