Inhalt der Printausgabe
Juli 2002
"Der Alkohol hat auf ihn sehr gewirkt..." Marcel Reich-Ranicki im TITANIC-Gespräch über Bier und Rotwein, Martin Walser und (Seite 5 von 12) |
Schröder Der Nida-Rümelin hat da ja jetzt auch schon vor längerer Zeit so was gemacht, aber ich würd jetzt gern mal was Richtiges machen, und natürlich muß man auch schauen, grad im Bereich Kultur, daß man da nicht zuviel Vermarktung, äh, öh, daß das zuviel Vermarktungsstrategie alles wird, nich, sondern daß es einfach auch um Inhalte geht und nicht darum, jemanden um die Ecke zu bringen und da sich dann an der Auflage zu laben. Einfach: humane Inhalte. Reich-Ranicki Ja. Ja, da bin ich weiß Gott dafür, natürlich. An wen haben Sie noch gedacht, wer soll da rein? Schröder Naja, mein Freund Günter Grass ist natürlich dabei… Reich-Ranicki Ja. Schröder …aber mit dem können Sie sich doch sicher zusammenraufen. Reich-Ranicki (entschieden) Ich kann mit ihm immer. Er nahm mir übel, daß ich ihm irgendein Buch… Aber das letzte Buch von ihm habe ich befürwortet und… Schröder Ja, ich hab ja auch gelesen, Sie haben ihn ja auch in die Liste der besten Bücher… Reich-Ranicki Ja, ja, ja, gar keine Frage. Also dieser Kanon, den ich gemacht habe im Auftrag von Verlagen - sehr schön übrigens, daß ich das nicht im Auftrag eines Verlages, sondern als Kollektivsache. Alle Verlage haben mich beauftragt, und ich habe da diktatorische Vollmachten, und da ist selbstverständlich in dem Kanon der gesamten deutschen Literatur, der Romane, ist Grass drin. Schröder Ja, ich denke, wenn ich da so ein bißchen vermitteln darf: Ich denke, der Günter Grass denkt seitdem ein bißchen anders. Reich-Ranicki Ich glaube auch. Ich hoffe es: Ich bringe sogar jetzt in meiner Frankfurter Anthologie in der FAZ diesen Sonnabend, also heute haben wir Dienstag, ein Gedicht von Grass, ein altes, aber sehr schönes Gedicht. Nicht von mir, in meiner Rubrik, aber von einem anderen, Walter Hinck, interpretiert. Ja, und ich bringe in der folgenden Woche eine Zeichnung von Grass, ein Porträt von Max Frisch. Also, ich tue für ihn, was ich kann. Aber wissen Sie,das Unglück besteht darin, es genügt den Schriftstellern nicht, dafür oder dafür gelobt zu werden. Die möchten für alles, was sie tun, gelobt und gepriesen werden. Schröder Ja, und das ist bei Grass natürlich, weil der ja auch soviel macht, um so schlimmer, nicht? (lacht) Also, diese Skulpturen und diese Zeichnungen und das alles, das ist ja schon, äh… Er is'n Multitalent, nich. Seit MRR den Grass-Roman "Ein weites Feld" öffentlich zerrissen hat, ist der Kaschube auf den Polen schlecht zu sprechen. MRRs 20bändige Romansammlung "Mein Kanon", in dem mit Fontane, Mann, Koeppen u. a. alle Reich-Ranicki bekannten Autoren versammelt sind. Hier irrt MRR - er meint wohl "lektorische" Vollmachten. An diktatorischer Macht könnte ihm, dem Überlebenden einer Diktatur, wohl nicht gelegen sein. |
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