Inhalt der Printausgabe
Januar 2002
Humorkritik
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Die fixe Idee |
"Wenn wir mit meiner Familie mit dem Rad wegfahren wollen, gibt es fast immer einen Auflauf. Da mein Vater wegen eines zu wenigen Fußes nicht Radfahren kann, täte es fast not, daß ich den alten Stingel auf der Stange transportieren würde. Aber das kommt wegen der polizeilichen Schliche nicht in die Tüte." Solche schönen Sätze finden sich in Franz Xaver Judenmanns schon 1959 erschienenem, aber von mir unvergessenen Werk "Das dreistöckige Trara", einer merkwürdigen Zusammenballung von Stilblüten. Judenmann gab damals auch den bis heute wegweisenden Ratschlag: "Wer sich weiterbilden und im Leben einmal vorwärts bewegen will, der muß mit geschickten Griffen ein wissentliches Buch an sich reißen." Genau daran habe ich mich seither immerzu gehalten und durfte deshalb Sätze lesen wie: "Hätte Nietzsche als Kind einfach schluchzen dürfen, die Menschheit wäre um einen Lebensphilosophen ärmer, aber dafür wäre der Mensch Nietzsche um sein ganzes Leben reicher geworden." Weil Nietzsche, der von entsetzlichen Weibern erzogen wurde, nämlich die "wahren, das Elternhaus beschuldigenden Worte in Hals und Kopf steckengeblieben sind", litt er fortdauernd "unter schweren Kopfschmerzen, Halsentzündungen und rheumatischen Erkrankungen". Bei diesem Feind des Christentums muß man daher "nur für das Wort >Christentum< >meine Tanten< oder >meine Familie< einsetzen, und die massiven Angriffe bekommen plötzlich einen Sinn". Das stammt von der immer noch oft zitierten und "wegen ihres Mutes" bewunderten Alice Miller, die mit ihren Büchern vom "Drama des begabten Kindes" Oberstudienratsgattinnen und zugehörigen Saftsäcken die sogenannten Augen auftat und damit Unselds Säckel füllen half. Wenn einmal ein beherzter Mensch hergeht, um die Geschichte der großen abgründigen Nervensägen von Elisabeth Förster-Nietzsche über Alma Mahler-Werfel bis zu Brigitte Seebacher-Brandt und Gertrud Adam-Höhler zu schreiben, dann darf besagte Millerin nicht fehlen, auch wenn sie rein äußerlich keinen Doppelnamen trug. Ich habe natürlich - Gott bewahre! - Frau Miller nicht im Original gelesen, sondern die obszönen Stellen dem Buch "Fixe Ideen" (dtv) von Peter Haffner entnommen, darinnen Frau Alice recht gnadenlos abgehandelt wird. Ein schlimmer Fall von fixer Idee! Schön hingegen, kenntnisreich und gut zu lesen schildert Haffner in den insgesamt 13 Kapiteln etwa Conan Doyle und seine fast sexuelle Hörigkeit dem Spiritismus gegenüber. Oder Paul Scheerbart und seinen Kampf mit dem Perpetuum mobile, den großen Carl von Linné mit seiner bizarren "Nemesis divina" oder meinen lieben Lorenz Oken mit seiner Zahlenbesessenheit. Und andere. Es fällt mir gar nicht schwer, dem Buch ein, sagen wir, zweieinhalbstöckiges Trara zu blasen. Mindestens. |
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