Inhalt der Printausgabe
Februar 2002
Humorkritik
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Verworfener Vorsatz |
Donnerstag, 00.30 Uhr. Mal wieder Eugen Egners "Die Tagebücher des W.A. Mozart" gelesen (in der Ausgabe "Aus der Welt der Menschen" bei Zweitausendeins). Wie immer laut dabei gelacht. Tollkühne Idee, gar lustig umgesetzt: "den 2:ten November 1787 / nach der Singeacademie mit den Weberschen und dem Süssmayer prallwurst im prater gegessen. Kam der Schikaneder und gaab uns kleine pillulen, daß wir kaum noch zwischen Domm und sperrstunde hindurch paßten. alsdann zum Beethoven, unter seinem fenster ein fatales notturno aufgeführt ad libitum: Beethoven, alter salatschnauzer, fischplattler, schneyder gottes, panoramascheibist! trägst kleidchen aus waschlappen und Hosen aus rinde! - der Beethoven indes hörte gar nichts darvon, warff also auch nicht mit seinem werkverzeichnüß nach uns, gar lustig und kindisch waren wir. Vor lachen kriegt ich schier das schmeissen." Direkt im Anschluß Beginn Lektüre von Helmut Kraussers neuem Tagebuch "Januar" (Belleville) - Regie des Unterbewußten?: "1.1. / 00:35 / Draußen immer noch Geknalle. Im Radio spielt Carmen Piazzini das vierte Klavierkonzert Beethovens. Im Glas St. Emilion Grand Cru Classé Chateau Larcis Ducasse '95. Dunkler, trauriger Wein, wie ein feuchter Wald im Spätherbst. Vielleicht auch ein Jahr zu jung. / Beatrice liegt im Bett. Wir feierten zu zweit, es hat uns meistens Glück gebracht. / Niemand konnte einen orchestralen Klang so strukturieren wie Beethoven, so sehnig und zielstrebig und vielflächig, seine symphonischen Werke gleichen Kathedralen, die wie schlanke, steile Fachwerkbauten aus schwarzen äckern emporragen zum Himmel." Enormer Effekt! Und Anlaß, neuerlich über Unterschied freiwillige/unfreiwillige Komik zu reflektieren. Vorsatz, daraus zielstrebig längere sehnige Abhandlung zu destillieren. 01.30 Uhr: Vorsatz vielflächig verworfen. |
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