Inhalt der Printausgabe
Dezember 2002
Wie Siegfried Unseld einmal zu Grabe getragen wurde (Seite 4 von 9) |
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Es folgte der Stellvertreter Goethes auf Erden, Hilmar Hoffmann, ehemaliger Besitzer der weltweit operierenden Goethe-Institut-Restaurantkette, das schlohweiße Haargestrüpp trotzig gen Himmel gerichtet; sodann, in gebührendem Abstand, höchstrangige Mitglieder des Suhrkamp-Stiftungsrates: Hans Magnus Enzensberger, Alexander Kluge und Adolf Muschg. Habermas fehlte. Ebenso Augstein. Hatten die Besseres, Größeres vor? Oder nur keine Lust, vor Sloterdijk herzulaufen? Der wie immer kynisch frisierte Philosoph war schwer am Eruieren, wie er wohl zu der Rentnergruppe vor ihm aufschließen, sie gar überholen könne. Dann wackelte Martin Walser einher, bedenklich wankend. Rotwein oder Schnaps, das war hier die Frage. Er blickte rätselnd umher. War er der nächste? Dann fokussierte er den vor ihm strauchelnden Hoffmann. Nein, der war der nächste. Hinter ihm war Durs Grünbein arrangiert worden, um den Altersdurchschnitt ein wenig zu senken. Burda führt das Mittelfeld an. Die Bürgermeisterin und der Kanzler. Leicht zurückfallend: Reich-Ranicki plus Teofila. Andere Autoren und allerhand Fußvolk. Auch wenn die Rundschau später von 800, die FAZ gar von 1000 Trauergästen phantasieren sollte - schlappe 500 waren nur da, halb so viele wie beim Begängnis von Matthias Beltz. Die machten mir aber schon genug zu schaffen. Ich überholte den Troß, indem ich in einer linkskurvigen Zangenbewegung nach vorne aufschloß. In Richtung der Witwe, die von Lektor Raimund Fellinger geführt wurde; er war ihr hörig und schon lange der mächtigste Lektor bei Suhrkamp. Dazu mußte ich am Kanzler vorbei. Walser scherte überraschend aus, suchte das Weite. Oder einen Stehausschank? Hatte er Reich-Ranicki gerochen, der ihm auf den Fersen war? Fürchtete er blutige Rache, den Tod durch einen Kritiker? Gleichzeitig drängte sich Kluge an Enzensberger vorbei und ging innerhalb der Stiftungsratsgruppe in Führung. |
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