Inhalt der Printausgabe
August 2002
Mann, ist der lang, Mann... |
AUCH IN UNSERER AUFGEKLÄRTEN WESTLICHEN ZIVILISATION GIBT ES TABUS: THEMEN, DIE NIEMALS IHREN WEG IN MEDIEN, COCKTAIL-GESPRÄCHE ODER LAUTSPRECHER-DURCHSAGEN BEIM PFERDERENNEN FINDEN, wenn nicht ein kritischer Aufklärer wie etwa Pelé sie öffentlich anspricht. Aber nicht nur der Brasilianer ist ein Garant dafür, daß Erektionsschwäche und Größe primärer männlicher Geschlechtsmerkmale derzeit so offen in den Medien thematisiert werden, sondern auch Kai Diekmann. |
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Diekmann, der als Chefredakteur von Bild seit Jahren aus seiner eigenen Zeitung sehr gut über Penisneid, -länge und -durchschnittsgröße informiert ist, hat Angst, daß die deutsche Öffentlichkeit denkt, er habe einen zu kleinen Penis. Das ist nichts ungewöhnliches, sondern ein uralter Männeralptraum, möglicherweise begründet durch einen zu kleinen Penis. Auslöser für seine Furcht ist ein satirischer Artikel auf der "Wahrheits"-Seite der taz. Nachdem dort in Bild-Manier über eine angebliche Penisverlängerung bei Diekmann berichtet wurde, forderte dieser ein Schmerzensgeld in Höhe von 30 000 Euro. (Zum Vergleich: ein Pfund Butter kostet in Frankfurt etwa 1,99, eine Penisverlängerung rund 15 000, zwei Penisverlängerungen 30 000 Euro.) | |
Von Chefredakteuren gefürchtet: Peinliche Situation in der Morgenkonferenz! | |
Wir wissen nicht genau, was in dem strittigen Artikel stand, denn dieser ist seit geraumer Zeit aus dem online-Archiv der tageszeitung verschwunden. Aber wir wissen, was übrig bleibt, wenn Diekmanns Anwälte ihn "seines in Wort und Bild gewählten Gewandes entkleiden, um seinen Inhalt erkennen zu lassen": nämlich "nichts als Mißachtung und Schmähung", die Behauptung, Diekmann "leide seit seiner Jugend unter einem zu kleinen Geschlechtsteil, gebe sich nur nach außen viril und jovial, sei in Wirklichkeit kastriert, er leide unter einem Minderwertigkeitskomplex und könne keine Frau penetrieren". Trotz sofort eingeleiteter Recherchen bei Bild-Redakteuren und früheren Mitschülern Diekmanns an der Bielefelder Marien-Schule wissen nicht einmal wir, inwieweit diese Behauptungen zutreffen. Vielleicht ist alles ganz anders, der Mann gibt sich auch nach innen jovial und genießt seinen Minderwertigkeitskomplex. Eventuell liegt auch nur ein Mißverständnis vor. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, daß ganze Generationen männlicher TITANIC-Redakteure unter der viel zu geringen Ausprägung ihrer Geschlechtsteile litten. Und zwar bis zu dem Tag, an dem sich herausstellte, daß die zwei Zeichner, die sich vor Jahren zur Demonstration ihrer Männlichkeit nachts auf den Redaktionskopierer gelegt hatten, diesen im Vollrausch aus Versehen auf 130 Prozent Vergrößerung gestellt hatten. Erleichtert rissen wir die Kopien vom schwarzen Brett und aus den Personalakten, stellten den Kopierer richtig ein und besorgten uns neue Psychosen. Um aber im vorliegenden Fall eine versöhnliche Lösung zu finden, fordern wir Sie, liebe Leser, auf, Ihre Vorstellungen von Diekmanns Penis einmal maßstabsgetreu zu Papier zu bringen (Seite 59). Wenn er sieht, daß ein großer Teil der deutschen Öffentlichkeit ihn im Besitz eines sogenannten "Monsterschwanzes" (Fachpresse) wähnt, gibt er vielleicht Ruhe. Herzlichst, Ihr Martin Sonneborn
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