Inhalt der Printausgabe

August 2002


Einige Bankrotte später
Ein Nachruf aufs liebe Geld
(Seite 6 von 9)

Tim, der entschlossenste der drei, hat "in den guten Zeiten" eine SMS-Partnervermittlung gedeichselt, danach freischaffend als Nennwert am Nemax gearbeitet und nächtens Neuemissionen im Main verklappt. Gerade als er auf "Vampir" umlernen wollte, weil ihn sein Job nicht mehr herausgefordert hat, ist die Wirtschaft eingeknickt, "ich werd's nie verwinden". Das stimmt wohl - man sah's ihm an, als wir diesen deprimierenden Abend zusammen verbrachten: "Wie am Ende des Mittelalters isses", philosophierte er gegen Morgen, überm Klo hängend, während ich seine zitternde Hand mit der stehengebliebenen Rolex am Handgelenk hielt.
"Wir waren der neue Adel: Aristos, und das schöne Erbrecht… aaah. Was Generationen von Hauseignern und Fabrikpotentaten zusammengerafft hatten, konnten wir in Minuten kurz und klein infini… investi… ausbringen, einlegen und angeben. Und dann? Neuer Markt. Leute eingestellt, Schulden gemacht, sagenhafte Gewinnhoffnungen… wir dachten, Mann, mit den ganzen Techniken und Spezialeffekten und Studenten, die alle noch irgendeinen genetischen Atomfurz in der Tasche haben, der nur aufs Venture-Kapital wartet… aber? Peng. Alte Omas strecken dir in der U-Bahn die Zunge raus, wenn sie deinen NYSE-Button sehen, und erzählen dir was von Logik. Immer mehr Geld steckt im fixen Kapital drin, Maschinen und Schrott, volle Lagerhäuser… aber keiner kauft… KEINER! Und dann hamse die Zinsen gesenkt, damit wir unser Geld wieder… damit wir die alle wieder einstellen, die wir hatten entlassen sollen… müssen… aber… aber wir haben… wollten… den ganzen Telekom erst mal wieder verkaufen und die Dinger, diese Dinger mit den diesen hübschen kleinen Dingern dran! Schön! Hat alles so schön geblinkt und gesummt! Ist das so falsch? Ist das böse? Wir ham alles! Alles so gemacht! Wie im Heftchenmagazin! Managerkapital Magazin… Brand eins! Brand zwei! ALLES!" schluchzte Tim, griff mich mit Krallenfingern am Hemdkragen, preßte seine Stirn gegen meine Brust und rotzte mir ins T-Shirt: "Aberkeinerkaufff… keiner kauft… wie im Lehrbuch hamwers alle gemacht… sah alles super aus, ein Drittel des Wachstums vom Inlandsprodukt war diese… diese tolle neue Scheiße, die Telekommunion und… und das da alles der… verarscht! Der B… WL und der VWL ham uns nur verarscht!"


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Du, »Brigitte«,

füllst Deine Website mit vielen Artikeln zu psychologischen Themen, wie z. B. diesem hier: »So erkennst Du das ›Perfect-Moment -Syndrom‹«. Kaum sind die ersten Zeilen überflogen, ploppen auch schon die nächsten Artikel auf und belagern unsere Aufmerksamkeit mit dem »Fight-or-Flight-Syndrom«, dem »Empty-Nest-Syndrom«, dem »Ritter-Syndrom« und dem »Dead- Vagina-Syndrom«. Nun sind wir keine Mediziner/innen, aber könnte es sein, Brigitte, dass Du am Syndrom-Syndrom leidest und es noch gar nicht bemerkt hast? Die Symptome sprechen jedenfalls eindeutig dafür!

Meinen die Hobby-Diagnostiker/innen der Titanic

 Vielleicht, Ministerpräsident Markus Söder,

sollten Sie noch einmal gründlich über Ihren Plan nachdenken, eine Magnetschwebebahn in Nürnberg zu bauen.

Sie und wir wissen, dass niemand dieses vermeintliche High-Tech-Wunder zwischen Messe und Krankenhaus braucht. Außer eben Ihre Spezln bei der Baufirma, die das Ding entwickelt und Ihnen schmackhaft gemacht haben, auf dass wieder einmal Millionen an Steuergeld in den privaten Taschen der CSU-Kamarilla verschwinden.

Ihr Argument für das Projekt lautet: »Was in China läuft, kann bei uns nicht verkehrt sein, was die Infrastruktur betrifft.« Aber, Söder, sind Sie sicher, dass Sie wollen, dass es in Deutschland wie in China läuft? Sie wissen schon, dass es dort mal passieren kann, dass Politiker/innen, denen Korruption vorgeworfen wird, plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwinden?

Gibt zu bedenken: Titanic

 Sie, Victoria Beckham,

Sie, Victoria Beckham,

behaupteten in der Netflix-Doku »Beckham«, Sie seien »working class« aufgewachsen. Auf die Frage Ihres Ehemanns, mit welchem Auto Sie zur Schule gefahren worden seien, gaben Sie nach einigem Herumdrucksen zu, es habe sich um einen Rolls-Royce gehandelt. Nun verkaufen Sie T-Shirts mit dem Aufdruck »My Dad had a Rolls-Royce« für um die 130 Euro und werden für Ihre Selbstironie gelobt. Wir persönlich fänden es sogar noch mutiger und erfrischender, wenn Sie augenzwinkernd Shirts mit der Aufschrift »My Husband was the Ambassador for the World Cup in Qatar« anbieten würden, um den Kritiker/innen so richtig den Wind aus den Segeln zu nehmen.

In der Selbstkritik ausschließlich ironisch: Titanic

 Ciao, Luisa Neubauer!

»Massendemonstrationen sind kein Pizza-Lieferant«, lasen wir in Ihrem Gastartikel auf Zeit online. »Man wird nicht einmal laut und bekommt alles, was man will.«

Was bei uns massenhaft Fragen aufwirft. Etwa die, wie Sie eigentlich Pizza bestellen. Oder was Sie von einem Pizzalieferanten noch »alles« wollen außer – nun ja – Pizza. Ganz zu schweigen von der Frage, wer in Ihrem Bild denn nun eigentlich etwas bestellt und wer etwas liefert bzw. eben gerade nicht. Sicher, in der Masse kann man schon mal den Überblick verlieren. Aber kann es sein, dass Ihre Aussage einfach mindestens vierfacher Käse ist?

Fragt hungrig: Titanic

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
18.04.2024 Berlin, Heimathafen Neukölln Max Goldt
18.04.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt