Inhalt der Printausgabe
August 2002
Einige Bankrotte später Ein Nachruf aufs liebe Geld (Seite 1 von 8) |
"Die Erfahrung unserer Generation: daß der Kapitalismus keines natürlichen Todes sterben wird." Walter Benjamin: Das Passagen-Werk "Die Erfahrung unserer Generation: Haste was, biste weg." Günther Jauch: Wer bleibt Millionär? |
Neulich hatten wir drei aus dem Widerstand zu Gast. Zerstörtere Gestalten sah ich selten. Moni war auch ganz entsetzt. Schon nach dem dritten Glas Sekt mit O-Saft fing der Anführer, Tim, stimmlos an zu lispeln: "Solaranlagenbau… das wär's gewesen. Anteile, Abschläge. Solar. Nicht Internet." Tims "Adjutantin" Celeste murmelte, während sie auf dem Bauch überm Sitzsack hing und mit der Hand die leere Sektflasche aus edlem 2002er ALDI-Raubgut pausenlos im Kreis drehte: "Ein eigenes Solarium hättich fast schon gehabt, mein… einiges… Solilarium…lirum…larium…" Der dritte, Lukas, verfiel dem moralischen Schauder: "Raubtiere hamse uns genannt im Spiegel! Anne Uni hieß es potz… petzlich wieder: Joseph Schumpeter, Karl Marx, der Kamp… Kapilitismus bringt aus sein Widersprüchen dem Soli… Sojazismus hervor! Scheißich drauf! Wir wollen… WIR wollen Kartonblöh und Enterkot!" "Cordon Bleu und Entre-Côte heißtas, Herrgott!" bellte Tim lieblos. Es war alles sehr traurig. Eine ganze Nacht lang haben wir die Verzettelten bewirtet, zusammen Monopoly gespielt und zum Schluß noch ein paar alte Denver-Clan-Folgen angeguckt. Moni und ich versuchten dabei durchaus, ihnen klarzumachen, daß Haß und Gewalt keine Lösung sind, und wenigstens an diesem Abend haben sie weiter nix Schlimmes angestellt. Andererseits: Wie regt sich alles doch immer so künstlich auf, wenn diese Leute mal eine Brücke sprengen oder eine kleine Krankheit freilassen - wer aber hört ihr Weinen, wer versteht ihr Leid? |
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