Inhalt der Printausgabe

April 2002


Schröders liebe Nachbarn
TITANIC-Telefon-Terror
(Seite 4 von 5)


Herr Baum
"Das wird teuer für Sie!"

Baum ...wäre es nicht sinnvoll, wenn Sie sich schriftlich an die Bewohner wenden?
TITANIC Dann müßten wir zeitliche Verzögerungen in Kauf nehmen. Wir haben aber auch einige hartnäckige Fälle, die das lieber schriftlich machen wollen.
Baum Dann betrachten Sie mich doch bitte als hartnäckigen Fall. Mir ist das am Telefon so ein bißchen merkwürdig!
TITANIC Gut, Sie haben die Unterlagen in zwei Tagen im Briefkasten...
Baum (falsch freundlich) Sind wir denn hier als Bewohner registriert? Übers Einwohnermeldeamt?
TITANIC Nein, wir haben hier eine Liste mit Bürgern, da sind Sie dabei.
Baum Und die Angaben stammen vom Einwohnermeldeamt der Stadt Hannover?
TITANIC (abweisend) Nein, ich kann Ihnen auch nicht sagen, woher die Daten stammen. Aber es sind Informationen über Leute, die in unmittelbarer Nachbarschaft eines zu schützenden Objektes wohnen, das ich hier nicht nennen darf.
Baum (wichtigtuerisch) Na, wir können immerhin direkt hinkucken!
TITANIC Das ist ja schön, dann können Sie etwas mit aufpassen. Ihnen müßten doch Terroristen, die merkwürdig aussehen oder herumlungern, sofort auffallen.
Baum Das ist schon so, daß hier ein bißchen Selbstkontrolle stattfindet. Wenn da irgendwas Verdächtiges ist, kümmert man sich schon drum! Wenn Sie schon meinen Namen haben, wissen Sie denn, was ich beruflich mache?
TITANIC (milde) Ich weiß alles über Sie! Ich habe hier Unterlagen, die von verschiedenen Diensten zusammengetragen wurden. Aber: Geheimhaltungspflicht! Allerdings, Beruf... das fehlt hier! Darf ich fragen, welcher Beruf? Dann kann ich das gleich...
Baum Nö, da fragte ich Sie ja gerade, ob das bekannt wäre! Außerdem habe ich gerade Urlaub.
TITANIC (überrascht) Oh, das ist hier gar nicht bekannt. In welchem Beruf haben Sie denn gerade Urlaub?
Baum Das würde das ganze nämlich schon ein bißchen vereinfachen! (mit verhaltenem Stolz) Ich bin... Beamter!
TITANIC Ah ja, aber doch nicht zufällig Polizeibeamter?
Baum Neinnein! Die Gruppe der Beamten deckt ein weites Spektrum ab!
TITANIC Das stimmt! Wunderbar! Dann darf ich Sie gerade noch fragen, ob Sie schon mal rechts- oder linksextrem gewählt haben?
Baum (provokant) Was ist linksextrem? SPD?
TITANIC Nein! Nein, nein! Da verstehen wir uns falsch! Das ist doch eine Partei der bürgerlichen Mitte... Ich meine: PDS! KPD!
Baum Sind Sie Hannoveraner? Es gab in den 60er Jahren Rote-Punkt-Aktionen hier. Ich habe damals als Beamter auf der anderen Seite gestanden, das heißt, die Organisation, für die ich tätig war, hatte die Verkehrsbetriebe übernommen, und praktisch von daher kenne ich solche Demonstrationen aus der Warte (betont) hinter dem Fotografen.
TITANIC (versteht nichts) Jaja, verstehe. Aber schon auf der richtigen Seite hinter dem Fotografen, oder?
Baum (nachdrücklich) Natürlich auf der richtigen! Und das waren gefährliche Linke und Autonome! Aber ich will hier keine politischen Diskussionen führen. Also Extremismus wird hier nicht vertreten!
TITANIC Auch nichts nach rechts?
Baum Nein!
TITANIC Haben Sie denn schon mal CDU gewählt?
Baum (verstockt) Äußere ich mich nicht zu!
TITANIC Wie würden Sie reagieren, wenn Bundeskanzler Schröder und der amerikanische Präsident Bush Ihnen auf dem Bürgersteig begegnen würden?
Baum Ich würde die Straßenseite wechseln. Wir streben da ein ganz entspanntes Verhältnis an.
TITANIC Ich glaube, ein kleines Winken, ein freundliches "Wie geht's denn so?" wäre das, was wir uns wünschen würden.
Baum Gibt's, glaube ich, keine Probleme.
TITANIC Was würden Sie sagen, wenn Präsident Putin Sie anspricht und fragt, wie es Ihnen in Deutschland gefällt?
Baum Hier in Deutschland, ist doch gar kein Problem. Wenn es mir hier nicht gefallen würde, würde ich mich doch absetzen!
TITANIC Ja. Wenn man das vielleicht noch ein ganz bißchen positiver fassen könnte?
Baum Daß wir uns hier sehr wohlfühlen? Daß es uns hier sehr gutgeht?
TITANIC Ja, genau, so!
Baum (herablassend) Kann man wohl machen.
TITANIC Würden Sie ein Plakat mit gesuchten Terroristen in Ihrem Haus aufhängen?
Baum Wer soll das denn im Haus sehen? So viel Besuch kriegen wir nicht.
TITANIC Nein, daß Sie sich das einprägen.
Baum Da würd schon ein Handzettel reichen. Obwohl - ein Plakat? Ja, würden wir machen.
TITANIC Ist Ihre Wohnung so aufgeräumt, daß der Kanzler mit einem Kamerateam in Ihrem Wohnzimmer Platz nehmen könnte?
Baum (sofort) Nein!
TITANIC Wieviel Zeit bräuchten Sie, um das in Ordnung zu bringen?
Baum (entschieden) Keine Auskunft!
TITANIC Gut, auf die Verordnungen, die Sie im nächsten Monat kriegen, muß ich jetzt eigentlich gar nicht weiter eingehen. Daß Sie mit den Autos hier nicht mehr parken dürfen etc.
Baum (sofort) Ist das eine Verordnung des Landes Niedersachsen?
TITANIC (großspurig) Nein, das ist eine Verordnung von uns.
Baum Eine Verordnung braucht auch eine Ermessensgrundlage. Ist das ein Bundesgesetz?
TITANIC Wir arbeiten gerade dran. Aber ich glaube persönlich, daß man derartige bürgerfeindliche Verordnungen normalerweise nicht durchsetzen könnte. Deswegen wird jetzt eine Rechtsgrundlage geschaffen.
Baum (drohend) Also angenommen, Sie versuchen uns alle paar Jahre für mehrere Stunden in unserer Bewegungsfreiheit einzuschränken...
TITANIC Es geht da mehr um eine grundsätzliche Regelung in Ihrem Viertel. Der motorisierte Individualverkehr wird komplett abgeschafft.
Baum (wütend) Nee, das wird nichts, das können Sie sich aus dem Kopf schlagen! Das wird teuer für Sie! Darf ich noch mal um Ihren Namen bitten?
TITANIC Hans Martin Bury, Staatsminister im Bundeskanzleramt...

Hoppla, das war knapp! Ohne Ermessensgrundlage ist mit Beamten eben nicht leicht diskutieren. Viel dringender als eine solche aber wäre es, mal über ein Bundesgesetz zum Zimmeraufräumen nachdenken; da scheint bei Baums noch einiges im Argen zu liegen!

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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Mal halblang, Polizei Düsseldorf!

Irgendwie war ja zu erwarten, dass Du Dich in Deinen Ermittlungen zum Anschlag in Solingen von rassistischen Debatten und wütenden Rufen nach Massenabschiebungen beeinflussen lässt. Wenn Du in einem Aufruf an die Bevölkerung aber auch noch um »Angaben zur Herkunft der abgebildeten Regenjacke« bittest – gehst Du damit nicht ein bisschen zu weit?

Deine Sittenwächterin von der Titanic

 Grüß Gott, Söder!

Grüß Gott, Söder!

Wie schlossen Sie Ihr Statement vor dem israelischen Generalkonsulat in München, wenige Stunden, nachdem ein 18jähriger mit einem Gewehr mit aufgepflanztem Bajonett auf dieses geschossen hatte und daraufhin von der Polizei erschossen worden war? Sie sagten: »Nochmals vielen Dank an alle Beteiligten!« Der Hauptbeteiligte, das war freilich der Attentäter – Ihre Danksagung lässt also tief blicken! Denn was täten Sie ohne durchgeknallte Islamisten mit anachronistischer Bewaffnung, die vom Rückstoß eines historischen Repetiergewehrs beinahe umgeworfen werden und von Ihrer Polizei spielend leicht umgenietet werden können?

Aber Obacht! Nicht dass Sie sich beim nächsten Mal zu noch offenherzigeren Reaktionen hinreißen lassen und zum Abschluss »So ein Tag, so wunderschön wie heute« anstimmen. Könnte möglicherweise missverstanden werden!

Meint Titanic

 Gott sei dank, »Focus«!

Du schreibst: »Fleischkonsum sinkt, Mitarbeiter fehlen. Fachkräftemangel trifft die Wursttheke«. Aber sieh es doch mal positiv, lieber Focus: Es wäre doch viel schlimmer, wenn aufgrund des hohen Fleischkonsums die Mitarbeiter/innen verschwinden würden …

Grüße aus der Fleet Street schickt Titanic

 Hmmm, Aurelie von Blazekovic (»SZ«)!

Am Abend der Wahlen in Thüringen und Sachsen hatte die ZDF-Chefredakteurin Schausten dem 1. September 2024 den 1. September 1939 an die Seite gestellt, und dazu fiel Ihnen dies ein: »Das Dämonisieren von Rechtspopulisten hatte bisher keinen Erfolg. Egal, wie richtig es ist, dass die AfD gefährlich, radikal, extrem ist. Politiker, Journalisten, Demokratieverteidiger können das immer noch lauter und lauter rufen – aber es bringt nichts. Die berechtigten Warnungen sind inzwischen leere Formeln. Die Wahlergebnisse der AfD sind immer besser geworden, der Trotz immer erheblicher. Die Tatsache, dass sie sich beständig als Opfer von Medien inszenieren kann, hat der Partei genutzt. Es ist nicht die Aufgabe von Bettina Schausten, die AfD kleinzukriegen, sondern die der anderen Parteien. Sie sollten mal über den Tim-Walz-Weg nachdenken. Ist Björn Höcke etwa nicht weird

Ist er. Hitler war es auch, und ihn als »Anstreicher« (Brecht) oder inexistenten Krachmacher (Tucholsky) zu entdämonisieren, hat bekanntlich so viel gebracht, dass diese Sätze nie haben fallen müssen: »Man hat mich immer als Propheten ausgelacht. Von denen, die damals lachten, lachen heute Unzählige nicht mehr, und die jetzt noch lachen, werden in einiger Zeit vielleicht auch nicht mehr lachen.«

Wegweisend winkt Titanic

 Tatütata, LKA Niedersachsen!

»Ganz viel Erfolg morgen bei der Prüfung, liebe Karin«, sagt angeblich das gesuchte ehemalige RAF-Mitglied Burkhard Garweg gut gelaunt in einem Video, das bei der Fahndung im Presseportal unter der Rubrik »Blaulicht« veröffentlicht wurde. Die Fahnder/innen erhofften sich dadurch, so heißt es, neue Hinweise, und richten sich deshalb mit den Fragen an die Bevölkerung: »Wer ist ›Karin‹ bzw. ›Carin‹?« und: »In welchem Zusammenhang steht sie zu Burkhard Garweg?«. Schön und gut, da möchten wir nach einem derartigen Cliffhanger nun aber auch die Frage hinzufügen: Wie ist Karins Prüfung denn nun eigentlich gelaufen?

Hinweise an Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Obacht!

Die Ankündigung von Mautgebühren ist furchterregend, aber so richtig Gänsehaut bekomme ich immer erst, wenn bei Google Maps als »Warnhinweis« auftaucht: »Diese Route verläuft durch Österreich.«

Norbert Behr

 Aus der militärgeschichtlichen Forschung

Feldjäger sind auch nur Sammler.

Daniel Sibbe

 Zum Sterben hoffentlich zu dämlich

In der Wartezone der Arge in Fürth sitzen zwei Männer um die vierzig. Einer der beiden hält eine aufgeschlagene Tageszeitung so, dass der zweite mitlesen kann. Geduldig blättern sie gemeinsam bis zur Seite mit den Todesanzeigen. »Schau«, sagt der eine, »da ist einer zwei Mal gestorben.« – »Wie kommst du darauf?« – »Lies doch! Derselbe Name in zwei Anzeigen.« – »Tatsächlich! Zwei Mal gestorben. Wie er das wohl geschafft hat?« Eine längere Denkpause setzt ein. »Wahrscheinlich einer wie ich, der nichts auf Anhieb hinkriegt«, schlussfolgert der eine dann. »Ha, das kommt mir bekannt vor!« stimmt der zweite ein. »Meine erste Frau mit den Kindern abgehauen, Führerschein schon drei Mal gemacht. Also zwei Mal wegen Alkohol, und ich weiß gar nicht, wie oft ich schon hier nach einer neuen Arbeit angestanden bin.« – Seufzend: »Hoffentlich kriegen wir wenigstens das mit dem Sterben mal besser hin als der hier …«

Theobald Fuchs

 Quo vadis, Fortschritt?

Unfassbar: Nach so vielen Jahren des Horrorfilms gruseln sich die Leute noch vor der Nosferatu-Spinne. Wann taucht in unseren Breiten endlich die Slasher- oder Zombie-Spinne auf?!

Mark-Stefan Tietze

 Jeder kennt ihn

Die Romantrilogie auf der Geburtstagsfeier, das Raclettegerät auf der Taufe, die Gartenfräse zur Beerdigung: Ich bin der Typ in deinem Bekanntenkreis, der dir geliehene Sachen in den unmöglichsten Situationen zurückgibt.

Leo Riegel

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 03.10.: Der MDR kramt bei der Debatte, ob Ostdeutschland in den Medien schlechtgeredet wird, die Zonen-Gaby wieder hervor.
  • 26.09.:

    Noch-Grünenchefin Ricarda Lang retweetet "ihren" Onlinecartoon vom 25.09.

  • 18.09.: TITANIC-Zeichnerin Hilke Raddatz ("Briefe an die Leser") ist mit dem Wilhelm-Busch-Preis geehrt worden. Die SZLZ und der NDR berichten.
  • 12.09.:

    "Heute detoxe ich im Manager-Retreat im Taunus": TITANIC-Chefredakteurin Julia Mateus im Interview mit dem Medieninsider.

  • 29.08.:

    Die FR erwähnt den "Björnout"-Startcartoon vom 28.08.

Titanic unterwegs
09.10.2024 Lorsch, Theater Sapperlott Max Goldt
11.10.2024 Coesfeld, Stadtbücherei Gerhard Henschel
12.10.2024 Bad Lauchstädt, Goethe Theater Max Goldt
12.10.2024 Freiburg, Vorderhaus Thomas Gsella