Inhalt der Printausgabe

April 2002


Und nun zur Werbung...


Ein Sturm der Entrüstung brach los, als vor einigen Tagen offenbar wurde, dass die amerikanische Regierung nach dem 11. September ein "Amt für strategische Einflußnahme" gegründet hat. Laut New York Times soll das Amt "weltweit gezielte Falschinformationen streuen sowie ehrliche PR-Aktionen fahren, um die Öffentlichkeit zu Gunsten der USA zu beeinflussen".

Martin Sonneborn, Chefredakteur
Martin Sonneborn,
Chefredakteur
Aber warum eigentlich die Empörung? Daß mit der Rendon Group dabei genau jene PR-Firma engagiert wurde, die schon im Golf-Krieg einfühlsame Beiträge über angeblich von irakischen Soldaten aus ihren Brutkästen herausgerissene Babys publikumswirksam in die Nachrichten brachte, zeigt doch, daß man aus Fehlern gelernt hat. Erstens wird man bei Rendon nach dem Auffliegen nicht noch einmal auf eine derart durchsichtige Propagandashow zurückgreifen. Und zweitens werden den Babys diesmal zusätzlich noch die Goldzähne herausgebrochen.
Im eigenen Lande wird die sensible Aufgabe dadurch vereinfacht, daß die unter US-Bürgern mit Abstand wirkungsvollsten Falschinformationen über Saddam Hussein höchstwahrscheinlich alle wahr sind: daß Saddam morgens beim Rasieren die amerikanische Nationalhymne falsch pfeift (absichtlich), daß seine Toilettenschüssel in den Farben der Stars n' Stripes ausgemalt ist und daß er mehrmals täglich die Zunge herausstreckt, wenn er in Richtung Weißes Haus schaut; daß er kürzlich in Kuwait die Zeche geprellt und noch eine Rechnung offenstehen hat (15 Döner, zweimal Kleiner Feigling, einmal "Atombombe mit viell scharfff!") und daß die irakische Filmindustrie im Verborgenen an einem Western arbeitet, in dem Britney Spears wirklich singt und John Wayne erschossen wird.

Wo gehobelt wird, da fallen Späne! Hätten wir es Scharping früher sagen müssen?
Wo gehobelt wird, da fallen Späne!
Hätten wir es Scharping früher sagen müssen?


In Europa dagegen liegen die Verhältnisse anders. Abgesehen davon, daß derartige Propagandameldungen hierzulande wohl weniger effizient wären, stellt sich - gerade in bezug auf Deutschland - die Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, die hiesigen Kriegsbefürworter noch zu unterstützen. Möglicherweise befürchtet man im Pentagon allmählich, unter dem enormen Erwartungsdruck von FAZ, Welt und Wanngehtsendlichlos?-Quarterly viel zu früh in einen Angriffskrieg gegen den Irak getrieben zu werden. Zumal die amerikanische Seite dann auch die Heulboje Scharping darüber informieren müßte, daß sich seine Soldaten im Einsatz befinden - ein Gespräch, das verständlicherweise selbst von den abgebrühtesten Ledernacken gescheut wird…


Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

 Wow, Instagram-Kanal der »ZDF«-Mediathek!

In Deinem gepfefferten Beitrag »5 spicy Fakten über Kim Kardashian« erfahren wir zum Beispiel: »Die 43-Jährige verdient Schätzungen zufolge: Pro Tag über 190 300 US-Dollar« oder »Die 40-Jährige trinkt kaum Alkohol und nimmt keine Drogen«.

Weitergelesen haben wir dann nicht mehr, da wir uns die restlichen Beiträge selbst ausmalen wollten: »Die 35-Jährige wohnt nicht zur Miete, sondern besitzt ein Eigenheim«, »Die 20-Jährige verzichtet bewusst auf Gluten, Laktose und Pfälzer Saumagen« und »Die 3-Jährige nimmt Schätzungen zufolge gerne das Hollandrad, um von der Gartenterrasse zum Poolhaus zu gelangen«.

Stimmt so?

Fragen Dich Deine Low-Society-Reporter/innen von Titanic

 Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

als Ihr eine Folge Eures Pärchenpodcasts »Feel the News« mit »Das Geld reicht nicht!« betiteltet. Da fragten wir uns, was Ihr wohl noch haben wollt: mehr Talkshowauftritte? Eine Homestory in der InTouch? Doch dann hörten wir die ersten zwei Minuten und erfuhren, dass es ausnahmsweise nicht um Euch ging. Ganz im Sinne Eures Formats wolltet Ihr erfühlen, wie es ist, Geldsorgen zu haben, und über diese Gefühle dann diskutieren. Im Disclaimer hieß es dann noch, dass Ihr ganz bewusst über ein Thema sprechen wolltet, das Euch nicht selbst betrifft, um dem eine Bühne zu bieten.

Ihr als Besserverdienerpärchen mit Loft in Prenzlauer Berg könnt ja auch viel neutraler und besser beurteilen, ob diese Armutsängste der jammernden Low Performer wirklich angebracht sind. Leider haben wir dann nicht mehr mitbekommen, ob unser Gefühl, Geldnöte zu haben, berechtigt ist, da wir gleichzeitig Regungen der Wohlstandsverwahrlosung und Realitätsflucht wahrnahmen, die wir nur durch das Abschalten Eures Podcasts loswerden konnten.

Beweint deshalb munter weiter den eigenen Kontostand: Titanic

 Du, »Deutsche Welle«,

betiteltest einen Beitrag mit den Worten: »Europäer arbeiten immer weniger – muss das sein?« Nun, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, ewig und drei Tage überlegt, langjährige Vertraute um Rat gebeten und nach einem durchgearbeiteten Wochenende schließlich die einzig plausible Antwort gefunden. Sie lautet: ja.

Dass Du jetzt bitte nicht zu enttäuscht bist, hoffen die Workaholics auf

Deiner Titanic

 Erwischt, Bischofskonferenz!

In Spanien haben sich Kriminelle als hochrangige Geistliche ausgegeben und mithilfe künstlicher Intelligenz die Stimmen bekannter Bischöfe, Generalvikare und Priester nachgeahmt. Einige Ordensfrauen fielen auf den Trick herein und überwiesen auf Bitten der Betrüger/innen hohe Geldbeträge.

In einer Mitteilung an alle kirchlichen Institutionen warntest Du nun vor dieser Variante des Enkeltricks: »Äußerste Vorsicht ist geboten. Die Diözesen verlangen kein Geld – oder zumindest tun sie es nicht auf diese Weise.« Bon, Bischofskonferenz, aber weißt Du, wie der Enkeltrick weitergeht? Genau: Betrüger/innen geben sich als Bischofskonferenz aus, raten zur Vorsicht und fordern kurz darauf selbst zur Geldüberweisung auf!

Hat Dich sofort durchschaut: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg