Inhalt der Printausgabe
September 2001
Das Super-Sexy-Satire-Spritzpistolen-Schwebe-Blatt (Seite 7 von 8) |
Kunter und bunter werden die Pardon-Hefte, und, wie wir alle: dicker. Aus anfänglichen fünfzig Seiten Umfang werden über hundert. Im Verlauf der Studentenbewegung erreicht die Auflage im Januar 1969 die Höchstmarke von 320000 Exemplaren, und das nicht nur wegen ihrer satirischen Inhalte: "Es war der Verleger Bärmeier", erinnert sich Gernhardt, "dem es während einer Redaktionskonferenz gelang, das Verhältnis der Zeitschrift zum Sex eindeutig zu umreißen: >Der Sex ist ein wichtiger Bestandteil des menschlichen Lebens. Denselben Raum soll er auch in Pardon einnehmen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.<" Um zu gewährleisten, daß seine Redakteure keinesfalls weniger Sex als irgend möglich ins Blatt stopften, bot er an, für eindeutig zweideutige Beiträge einen "Sex-Zuschlag" von 20 % auf das übliche Seitenhonorar zu zahlen - was von den freien Mitarbeitern Poth, Traxler, Waechter, Halbritter, Gernhardt und Ernsting kopfschüttelnd abgelehnt wurde. "Zwar waren wir alle für eine Liberalisierung des Sex", stöhnt Gernhardt merkwürdig aufgepeitscht, "lehnten aber dessen Instrumentalisierung und Kommerzialisierung strikt ab, da das ja letztlich auf eine Manipulierung des Konsumenten hinauslief - ja, so dachten wir. Doch, doch." Nach diesem Höhenflug geht die Auflage - Arsch hin, Titten her - fast zwangsläufig wieder abwärts. Was macht Nikel? Reagiert uncool. Er will es allen recht machen. Sogenannte Serviceteile werden eingeführt, die die Leser über Schallplatten und Reisen, Szenefilme und ›Popfahrpläne‹ informieren, was andere - traditionelle Illustrierte und Spartenmagazine - allerdings schon viel besser besorgen. Ferner kommt Nikel zu dem Schluß, der Zeitgeist sei jetzt ein anderer und müsse anders bedient werden; daß die Weltverbesserung mittlerweile nicht mehr über den Klassenkampf laufe, sondern über das Individuum; daß es nun darum gehe, die Menschen spirituell zu erneuern. Er wird Anhänger der Transzendentalen Meditation des Maharishi Mahesh Yogi, streicht Waechters Teufelchen aus dem Titel (zu negativ!) und meditiert. So wird die Nonsens-, Satire- und Polit-Zeitschrift Pardon zu einem kontur- und profillosen Allerweltsblättchen mit spiritistischem Flair und stetig schlechter werdendem Ruf. Nach und nach ziehen sich die Gründungsmitarbeiter aus dem Blatt zurück, die Bernstein/Gernhardt/Waechtersche Nonsens-Beilage Welt im Spiegel wird 1976 eingestellt, dafür sind seitenweise Billigzeichner aus dem Ostblock zu sehen. So kommt Chlodwig Poth, der inzwischen engagierteste und begeistertste Hasser Hans A. Nikels, zu dem Schluß: "Der ganze Laden war nur noch ein verrotteter Sauhaufen." |
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