Inhalt der Printausgabe

September 2001


Das Super-Sexy-Satire-Spritzpistolen-Schwebe-Blatt
(Seite 4 von 8)

Das erste gedruckte Heft erscheint im Oktober 1961, aber noch unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Loriot zeichnet ein gefälliges Titelblatt für die Nullnummer, welche nun an mögliche Mitarbeiter zur Begutachtung und Kritik geschickt wird, ebenso an ersehnte Anzeigenkunden, um mit ihnen ins Geschäft zu kommen. Im Juli 1962 folgt, inhaltlich der Nullnummer sehr ähnlich, das Vorausheft zum verbindlichen Akquirieren der Anzeigen - da huscht auch schon Waechters hutlupfendes Teufelchen über den Titel.
Wo es jedoch nicht lange bleibt, denn für die Startausgabe, die im September 1962 schließlich an die Kioske geht, entscheidet sich Nikel doch wieder für das schwächere Loriot-Bukett. Erich Kästner schreibt das Editorial ("Auch satirische Zeitschriften kommen als Däumlinge zur Welt. Der erste Schrei ist ein Lebenszeichen und kein Befähigungsnachweis") und besucht später sogar selbst einmal die Redaktion, um sich von den ihn anstaunenden Jungsatirikern in zäher Gesprächsarbeit Altsatirikerkamellen aus der Nase popeln zu lassen. Nun wird Monat für Monat die gezeichnete und geschriebene Satire in Deutschland neu erfunden. "Alles was recht ist - das war schon aufregend: Wir spielten in Pardon mit allen Mitteln, Zeichnungen, Foto, Comic, wir parodierten alles, Schulbuch, Lyrik, Leitartikel, wir türkten Reportagen, Interviews, wissenschaftliche Abhandlungen. Uns war nichts heilig, außer dem Grundsatz, daß uns nichts heilig zu sein habe." Vor lauter Aufregung läßt sich Poth sogar einen - allerdings noch sehr moderaten - Bart wachsen.
Steil geht die Auflage nach oben. Die in 50000 Exemplaren gedruckte Startnummer ist schnell vergriffen, schon das dritte Heft kann man in 110000facher Ausfertigung bestaunen. Die Redaktion, anfangs noch im Bärmeier & Nikel Verlag in der Mainzer Landstraße untergebracht, zieht ins Frankfurter Nordend, in eine Fünfzimmerwohnung im Bornwiesenweg.
Immer besser gefällt sich Nikel in seiner Chefrolle. Mit den Redakteuren möchte er bald nicht mehr persönlich über angenommene oder abgelehnte Zeichnungen und Manuskripte diskutieren. Er schottet sich ab und schaltet einen "geschäftsführenden Redakteur" dazwischen, über den die Verhandlungen fortan laufen; dem händigt man das Manuskript aus, und von dem bekommt man es - nun versehen mit den berüchtigten Nikelschen Zensurhäkchen - auch zurück. Bald ist der Kreis der Frankfurter Satiremacher identisch mit dem Kreis der Gegner Hans A. Nikels.

Pardon Redakteure Pardon-Redakteurin Alice Schwarzer mit Kollegen Gerhard Kromschröder, Winfried Thomsen, Peter Knorr (1969)
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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

als Ihr eine Folge Eures Pärchenpodcasts »Feel the News« mit »Das Geld reicht nicht!« betiteltet. Da fragten wir uns, was Ihr wohl noch haben wollt: mehr Talkshowauftritte? Eine Homestory in der InTouch? Doch dann hörten wir die ersten zwei Minuten und erfuhren, dass es ausnahmsweise nicht um Euch ging. Ganz im Sinne Eures Formats wolltet Ihr erfühlen, wie es ist, Geldsorgen zu haben, und über diese Gefühle dann diskutieren. Im Disclaimer hieß es dann noch, dass Ihr ganz bewusst über ein Thema sprechen wolltet, das Euch nicht selbst betrifft, um dem eine Bühne zu bieten.

Ihr als Besserverdienerpärchen mit Loft in Prenzlauer Berg könnt ja auch viel neutraler und besser beurteilen, ob diese Armutsängste der jammernden Low Performer wirklich angebracht sind. Leider haben wir dann nicht mehr mitbekommen, ob unser Gefühl, Geldnöte zu haben, berechtigt ist, da wir gleichzeitig Regungen der Wohlstandsverwahrlosung und Realitätsflucht wahrnahmen, die wir nur durch das Abschalten Eures Podcasts loswerden konnten.

Beweint deshalb munter weiter den eigenen Kontostand: Titanic

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

 Du, »Brigitte«,

füllst Deine Website mit vielen Artikeln zu psychologischen Themen, wie z. B. diesem hier: »So erkennst Du das ›Perfect-Moment -Syndrom‹«. Kaum sind die ersten Zeilen überflogen, ploppen auch schon die nächsten Artikel auf und belagern unsere Aufmerksamkeit mit dem »Fight-or-Flight-Syndrom«, dem »Empty-Nest-Syndrom«, dem »Ritter-Syndrom« und dem »Dead- Vagina-Syndrom«. Nun sind wir keine Mediziner/innen, aber könnte es sein, Brigitte, dass Du am Syndrom-Syndrom leidest und es noch gar nicht bemerkt hast? Die Symptome sprechen jedenfalls eindeutig dafür!

Meinen die Hobby-Diagnostiker/innen der Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
28.03.2024 Nürnberg, Tafelhalle Max Goldt
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt