Inhalt der Printausgabe
September 2001
Vom Fachmann für Kenner (Seite 8 von 15) |
Eintopf Als wir alle noch studiert haben, trug sich einmal folgendes zu: So sieben, acht Leute hatten sich zum Essen verabredet, und jeder brachte was mit. Das paßte aber alles überhaupt nicht zusammen. Chips und Bananen und Thunfisch und Nutella und Nudeln und Cola, dieser übliche Studentenfraß. N. war ständig pleite, weshalb er auch wochenlang nur von Knäckebrot gelebt hat, denn von seinen Eltern hat er gar nichts bekommen, und das Geld, das er nebenbei verdiente, ist gleich für die Miete draufgegangen. N. also hatte bloß noch drei Mark gehabt und den ganzen Tag noch nichts gegessen. Von dem Geld hatte er eine riesige Tüte Weintrauben gekauft und sich aber dann gar nicht mehr getraut, die Trauben zu essen, sondern hat sie mitgebracht am Abend und uns stolz seinen Schatz vorgeführt. Keiner hat gemerkt, daß der arme Kerl völlig fertig war wegen der Trauben. Zu trinken gab's natürlich genug, da waren wir schon dicht, bevor das Kochen losging. Wir haben die Nudeln gemacht und den Thunfisch dazugekippt, und ich Arsch hab die Bananen dazugeworfen, und ruckzuck war der ganze andere Mist im Topf. Thunfisch-Nudel-Nutella-Cola-Schleim. Das konnte kein Schwein mehr essen. Wir haben's probiert, es hat zum Kotzen geschmeckt. Und die Trauben waren kochend heiß innendrin. Dem armen N. hing der Magen in den Kniekehlen, und seine schönen Trauben konnte man nur noch ins Klo spülen. Aber er lädt sich den Teller voll und schaufelt das Zeug in sich rein. Da hab ich erst gemerkt, wie verzweifelt der war. "Was habt's denn?" hat er gefragt. "Schmeckt doch gut. Schmeckt doch gut." Die kochend heißen Weintrauben. Ich könnte heute noch im Boden versinken, wenn ich dran denk Tibor Rácskai
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