Inhalt der Printausgabe

März 2001


Humorkritik
(Seite 6 von 8)

Tod durch den Fick

Verona Feldbusch hat einmal nicht gesagt: "Als ich sehr jung war, hatte ich eine vollständige Vorahnung des Lebens. Es war wie der widerliche Küchengeruch, der aus einem Entlüftungsschacht dringt." Das war vielmehr dem Vernehmen nach Gustave Flaubert (1821-1880), der uns zusätzlich zu seinen Romanen und "diesen Dingen" (Elisabeth Teissier) die Erkenntnis hinterließ, daß auch "die lieblichste Frau auf dem Seziertisch" nicht "sehr lieblich" aussieht, "wenn die Eingeweide auf ihrer Nase liegen, ein Bein abgehäutet ist und eine halbe erloschene Zigarre zu ihren Füßen liegt".
Ob Verona regelmäßig Zigarren gebraucht oder gar raucht, weiß ich freilich nicht. Und auch, ob wiederum Verona direkt weiß, daß Mutter Feldbusch sie als eine Sterbliche in die gleichnamige Welt geschickt hat, vermag ich nicht zu sagen. Tief ergriffen von dem Elend des Daseins scheint "mein Engel" (Sir Ustinov) nicht zu sein, dabei sind doch laut Giacomo Leopardi lumpige Kontostände, leere Kühlschränke, ledrige Kreuzbänder sowie Schmerz und Langeweile unser Sein und Kot die Welt - "nichts anderes". Sagte nicht selbst Herr Jehovah Zebaoth gelegentlich: "Es reuet mich, den Menschen gemacht zu haben"? In Thrakien kam man damals in der Antike jedenfalls zusammen, um die Geburt eines Kindes ordentlich zu beweinen und mit ihm zu trauern, weil es "die große Narrenbühne Welt" betreten mußte.
Der Mensch müsse von allem Natürlichen und Unnatürlichen erlöst werden, von allem, was er ist und was ihn umgibt, so gab der gnostische Marcion vor, denn das Leben insgesamt ist bekanntlich entweder eine "mißliche Sache" (A. Schopenhauer), ein "großer Sündenfall" (F. Hebbel) oder auch und sogar ein "rechter Scheiß" (Hans Schmid, Tübingen), die Zeit also zwischen "des Nichtseins farbloser Wahrheitslüge" (H. Conradi) und dem unerbitterlich herandräuenden "Nichtmehrsein" (E. Bloch) gewissermaßen eine mit allerlei Geschmacklosigkeiten behaftete, unlogisch-überflüssige Pausensnackepisode.
Kurz- und Punktum: "La vie est une chose vraiment idiote", wie der liebenswerte Moravagine sagt.
Da kann man sich fragen: Warum hat es unter den vielleicht Billionen Garnichtgeborenen ausgerechnet mich erwischt, einzig und alleinig zu dem Behuf, daß ich mir "lebenslänglichen Tod" (F. Pessoa) durch einen einzigen Fick einhandelte? "Das Beste aber ist es, nicht geboren zu sein", hat man schon im Altertum gesagt. Aber wer genau? Das hat (natürlich) ein Richter aus Karlsruhe über mehrere Jahre hinweg in seinen Kaffeepausen erforscht und die "Biographie eines Zitats" geschrieben, das ihm auf seinen Bibliographierwegen "fast wie ein Lebewesen" vorkam. Peter Jacob heißt der Mann, der Obertitel "Lieber Herr Grünberg", der Untertitel: "Vom Glück, nicht geboren zu sein. Eine pessimistische Weisheit und ihre Geschichte" (Verlag Klöpfer und Meyer). Das Buch hat 1279 Fußnoten, ich habe sie gezählt. Und freilich, "schneidendes Satansgelächter über das verpfuschte Menschentier" (E. Friedell) will sich nicht einstellen. Egal. Ich würde mir das Buch kaufen, wenn ich es nicht schon geschenkt bekommen hätte.




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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

 Anpfiff, Max Eberl!

Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

 Vielleicht, Ministerpräsident Markus Söder,

sollten Sie noch einmal gründlich über Ihren Plan nachdenken, eine Magnetschwebebahn in Nürnberg zu bauen.

Sie und wir wissen, dass niemand dieses vermeintliche High-Tech-Wunder zwischen Messe und Krankenhaus braucht. Außer eben Ihre Spezln bei der Baufirma, die das Ding entwickelt und Ihnen schmackhaft gemacht haben, auf dass wieder einmal Millionen an Steuergeld in den privaten Taschen der CSU-Kamarilla verschwinden.

Ihr Argument für das Projekt lautet: »Was in China läuft, kann bei uns nicht verkehrt sein, was die Infrastruktur betrifft.« Aber, Söder, sind Sie sicher, dass Sie wollen, dass es in Deutschland wie in China läuft? Sie wissen schon, dass es dort mal passieren kann, dass Politiker/innen, denen Korruption vorgeworfen wird, plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwinden?

Gibt zu bedenken: Titanic

 Ciao, Luisa Neubauer!

»Massendemonstrationen sind kein Pizza-Lieferant«, lasen wir in Ihrem Gastartikel auf Zeit online. »Man wird nicht einmal laut und bekommt alles, was man will.«

Was bei uns massenhaft Fragen aufwirft. Etwa die, wie Sie eigentlich Pizza bestellen. Oder was Sie von einem Pizzalieferanten noch »alles« wollen außer – nun ja – Pizza. Ganz zu schweigen von der Frage, wer in Ihrem Bild denn nun eigentlich etwas bestellt und wer etwas liefert bzw. eben gerade nicht. Sicher, in der Masse kann man schon mal den Überblick verlieren. Aber kann es sein, dass Ihre Aussage einfach mindestens vierfacher Käse ist?

Fragt hungrig: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick