Inhalt der Printausgabe
März 2001
Vom Fachmann für Kenner (Seite 10 von 14) |
Amazonendichter Das Lotterleben von uns Popdichtern ist ein elefantenhodenharter Mythos: Wir wissen angeblich nie, wo, wie und mit wem wir die letzte Nacht verbracht haben, wachen mit einem Riesenschädel auf, sehen die ersten Stunden unserer Gewöhnung ans Tagesleben nur in schwarzweiß, können frühestens gegen Nachmittag wieder feste Speise zu uns nehmen, checken die neuen Tagesgirls bei Coupé online und fangen dann irgendwann an zu dichten. Alles Quatsch. Es ist viel schlimmer. Punkt acht schälen wir uns aus dem Bett, reiben die Schlafkrümel aus den Krähenfüßen, brühen einen Tee auf, knipsen 8 Uhr 30 den Computer an und checken unsere aktuelle Notierung bei www.amazon.de. Anders als bei Spiegel-Bestsellerlisten mit ihrer arroganten Beschränkung auf 15 Ränge kann man hier eine Verkaufshitparade mit mindestens 500000 Plätzen bewundern. Mit der einmaligen Überprüfung ist es nicht getan. Stündlich kann sich die Notierung ändern - alles wird online seismographiert: jede Erwähnung in Bild, jedes Interview im Schwarzwälder Boten. Wer bei www. amazon.de gut plaziert ist, der ist es auch sonst, wer abgeschlagen dahindümpelt, muß dies offline keineswegs. Egal. Wir Popdichter können außerdem eine hochkonzentriert verfaßte, definitiv klarstellende Online-Rezension zum eigenen Gesamtwerk an www.amazon.de mailen. So vergeht der Tag. Ab 21 Uhr wird der rasante Rutsch von Rang 318.792 auf 276.324 ausgiebig begossen. Ein Verkauftes dürfte das ungefähr sein. Hauptleidtragende dieser bedauerlichen Entwicklung: einwandfrei die Tagesgirls von Coupé online und die künftige Textproduktion. Michael Rudolf
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