Inhalt der Printausgabe

Januar 2001


Was taugen Pheromone?
Erst war das Kondom in aller Munde. Dann Cybersex, Gender, Dolly Buster. Dann waren es auf einmal die Pheromone

(Seite 1 von 11)

Was taugen Pheromone?
Erst war das Kondom in aller Munde. Dann Cybersex, Gender, Dolly Buster. Dann waren es auf einmal die Pheromone - Duftwirkstoffe, die jede Frau schwach machen. Aus der Tube. Für schlappe 69 Mark. Aber: Funktioniert das wirklich? Christian Y. Schmidt und Gerhard Henschel, zwei alternde, schwervermittelbare Langzeitarbeitslose, testeten das Wundermittel "Success" in den Städten, deren weibliche Einwohner schon immer als besonders zugeknöpft, frostig und kratzbürstig galten: Göttingen und Marburg. Die härtesten Pflaster der Welt. Wenn die Pheromone es dort schaffen, schaffen sie es überall.


Aus Göttingen berichtet Gerhard Henschel:

Nachdem wir uns in einem Gebüsch der Teststadt Göttingen mit Pheromonen eingerieben haben, die laut Prospekt direkt auf das weibliche "Emotionszentrum" wirken sollen, steuern wir ein Eßlokal an, das "Feuerstein" heißt. Meiner Meinung nach riechen wir irgendwie nach Ballerinaspind. Herr Schmidt, ein Mann in den besten Jahren, der normalerweise immer "Schlag" bei Frauen hatte, verströmt darüber hinaus das saftige Aroma eines transsexuellen Ziegenbocks. Wir nehmen Platz an einem Tisch vorm Lokal und unterhalten uns, wie es Autoren, die sich lange nicht gesehen haben, immer zu tun pflegen, erst einmal übers Finanzamt. Währenddessen weht der Abendwind den Pheromondiesel zum Nebentisch, wo drei Damen sitzen. Sie lassen eine Anstandsminute verstreichen, stehen auf und wechseln den Tisch. Schüchternere Wissenschaftler als Christian Y. Schmidt würden sich jetzt bereits mutlos trollen. Aber Herr Schmidt verfügt über eiserne Nervenreserven. Die Legende will, daß er nach einer Lesung in einer hessischen Kleinstadt einmal ein Bierlokal betreten und ausgerufen haben soll: "Hallo! Ich heiße Christian Ypsilon Schmidt, habe heute hier in Marburg eine geile Lesung hingelegt und werde eure Märchenstadt nicht ungeküßt verlassen. So! Genug Süßholz geraspelt. Titten auf den Tisch!" Als Wissenschaftler wollen wir uns an diesem Abend aber nicht auf Herrn Schmidts legendäre Überredungskunst verlassen, sondern nur ausprobieren, zu welchen Kontakten uns die Pheromone ohne unser Zutun verhelfen mögen. Sine ira et studio.

Erfolgstester Henschel
Erfolgstester Henschel

Zwei Einbecker (0,4 l) und zwei Pizza Marinara später ziehen wir um in ein Lokal, das seinen Namen ("Zum Altdeutschen") nicht zu Unrecht trägt. Es wird geflippert. Am Tresen kauert ein ungeschlachter Herr, der im Halbschlaf seinen Bierfilz in Brand steckt und von der Kellnerin deswegen scharf getadelt wird. Ansonsten ist nichts los. Wir verzehren ein Bier und einen Gin Tonic und unterhalten uns über das Problem der Ungleichzeitigkeit im Geschlechterkampf: Manche Männer, sagt Herr Schmidt, seien körperlich viel entwickelter als ihre Frauen. Für ihn zum Beispiel seien Altersweitsichtigkeit und Haarausfall keine Fremdwörter, während die jungen Dinger, die er jeden Morgen von der Bettkante stoßen müsse, körperlich meistens einfach noch nicht so weit seien wie er und so weiter. Er sagt noch mehr, aber ich habe mein Hörgerät schon ausgeschaltet.

Als Herr Schmidt im Bierlokal "Apex" um 22.45 Uhr seine Kontaktlinsen herausgenommen hat, glaubt er, daß an einem Nebentisch eine Frau sitze, die er schon einmal irgendwo gesehen hat, womöglich sogar in Bielefeld. Er starrt und blinzelt hin, und die Frau geht weg. Das ist im großen und ganzen alles, was wir im "Apex" erleben.

Wissenschaftlich ergiebiger ist es hinterher bei der sogenannten Single-Nacht in der Discothek "Savoy", wo wir Klebenummern erhalten, wie die Panzerknacker, um angeflirtet werden zu können. Der Plattenaufleger im "Savoy" spricht die Frauen als "Mädels" an und betätigt sich als Einpeitscher: "Zickezacke, zickezacke, hoi, hoi, hoi!" wird geschrien, und auf der Tanzfläche tut sich was, aber niemand scheint sich für unsere Pheromone oder unsere Flirtnummern zu interessieren. Tadeln darf man wohl auch, daß Herr Schmidt seine Zigaretten nie richtig ausdrückt, sondern einfach in den Aschenbecher schmeißt und dort verglimmen läßt. Wer jemals Herrn Schmidt bei einer Single-Nacht begleitet hat, wird das Problem wohl kennen. Richtig schlimm ist es im "Savoy" nur auf der Herrentoilette, denn die Substanz, die aus den Seifenspendern tropft, sieht nicht wie ehrliche Flüssigseife aus, sondern wie Sperma. Damit reiben sich die männlichen Singles im "Savoy" das Gesicht ein, bevor sie wieder auf Brautschau gehen.

1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 |    


Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt