Inhalt der Printausgabe
Januar 2001
Mordversuch in Linie 48
Aus dem Leben des amtierenden deutschen Reichskanzlers Wolfgang Gerhard Günter Ebel
(Seite 6 von 6)
Gefängniswagen für 15 Millionen Deutsche Mit staatsmännischer Gebärde (Reichsgestenwart?) bedauert Ebel nun dem Besuch gegenüber, keinen Kaffee angeboten zu haben, und gibt sich erstaunt, "daß er noch nie so offen über all das geredet" habe. Dann macht er, ohne zu jammern, in aller Würde auf die mißlichen Umstände aufmerksam, unter denen er all seine Ämter und Funktionen auszufüllen hat. Schon vor Jahren wurde der Elektrizitätszähler gepfändet, was zur Folge hat, daß der deutsche Reichskanzler nur kalt duschen kann. Lediglich via Notversorgung durch einen Grundstücksnachbarn, dessen Namen Herr Ebel nicht verrät, kann er wenigstens auf einer der drei Herdplatten vorsichtig köcheln. Natürlich verwundert uns dieser krasse Gegensatz von ungeheurer Machtfülle und kärglichen Lebensumständen. Doch auch dazu haben die Amerikaner längst eine Verlautbarung getroffen: "Sie haben recht, Sie kriegen recht, Sie haben zu warten." Bis es soweit ist, bis also "die Amerikaner alle Schaltstellen der Bundesrepublik auflösen", bis sie "allgemeine und freie Wahlen" ansetzen, bei denen Herr Ebel aber "wohl kaum" kandidieren wird, "es sei denn, daß bestimmte Personen mich beauftragen, daß ich das machen soll", bis dahin wird wohl der ganz normale Regierungsalltag weitergehen. Natürlich gehört dazu auch das Unterzeichnen von Haftbefehlen, ausgestellt auf z.B. Polizeidirektoren und Gerichtspräsidenten, die Herrn Ebel mit Repressalien überzogen oder sich anderweitig unbotmäßig verhalten haben. Erst kürzlich traf es auch Herrn Ebels früheren "Gebrechlichkeitspfleger" und jetzigen "Betreuer". Daß in einem solchen Fall von Hochverrat mit der Todesstrafe gerechnet werden muß, ist angesichts der gültigen Reichsgesetzgebung leider unumgänglich. Wahrscheinlich wird der furchtbare Sieg der Gerechtigkeit endgültig aber erst von den Amerikanern erfochten werden, denn "die Amerikaner bauen in Tag- und Nachtarbeit Gefängniswagen auf Schienen, für etwa 15 Millionen Menschen. Wie die Amerikaner das machen wollen, weiß ich nicht. Aber allein die Tatsache, daß diese Wagen gebaut werden, ist schon sehr beachtlich." Finstere Zeiten dürften da vor allem auf "Betreuer" und Amtsrichter zukommen! Derzeit aber erträgt der Generalbevollmächtigte voll Zuversicht die Fron seiner unendlich vielen Pflichten, beispielsweise die Kabinettssitzungen, die alle vierzehn Tage stattfinden. Noch vor einiger Zeit waren die "immer am ersten und dritten Donnerstag im Vereinszimmer der Gaststätte ›Zur guten Quelle‹ in der Mittelstraße". Doch seitdem die "Regierung des Reichslandes Freistaat Preußen" - der ja nach Darstellung Herrn Ebels ebenfalls Herr Ebel vorsteht - diesen Termin für sich beansprucht, mußte die Reichsregierung auf den zweiten und vierten Donnerstag ausweichen. Da allerdings ist der Raum in der "Guten Quelle" nicht frei, das Reichskabinett tagt deshalb "jetzt immer in der Müllerstraße". Warum sich im Interessen- und Tagungsraumkonflikt der Regierungschef des "Reichslandes Freistaat Preußen" sogar gegen den übermächtigen "Generalbevollmächtigten für das Deutsche Reich" durchsetzen konnte, verrät Herr Ebel zwar nicht, es zeigt aber, daß er sich von nichts und niemandem einschüchtern läßt, nicht mal von sich selber. Irgendwann beschleichen uns bei dieser am Ende fast ins Vertrauliche abgleitenden Audienz Zweifel, ob dieser Mann, der als preußischer Regierungschef morgens kalt duschen muß, um dann mit seinem Nachbarn Herrn Meese quasi im Alleingang die Reichsgeschäfte zu führen, tatsächlich den Rechtsstaat zum Wackeln bringen wird. Immerhin schickt sogar das Bundesverkehrsministerium, faschistischer Umtriebe eher unverdächtig, sein offizielles Amtsblatt "Verkehrsnachrichten" Monat für Monat an Herrn Ebel - und führt als Adressaten das "Reichsverkehrsministerium" an! Wenn man alles recht bedenkt, sieht es fast so aus, als stelle der MDR hier zwecks Quotenoptimierung ein wenig die Tatsachen auf den Kopf. Und das sollte, im Einklang mit der Reichsverfassung, ein paar saftige Todesurteile nach sich ziehen. Georg Behrend
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