Inhalt der Printausgabe

Januar 2001


Das Gerücht
Eine Entschuldigung von Bernd Eilert
(Seite 1 von 12)


Als Klatschreporterin von Bild höre und sehr ich viel in der Welt der Prominenten
Katja Kessler,
Klatschreprterin, in Bild, 17.11.2000


Montag, 23.10.2000
Zum Abschluß der Frankfurter Buchmesse trifft man sich traditionell im Haus der Deutschen Wirtschaft in der Siesmayerstraße, zum Kritikerempfang der FAZ. Auf dieser Party sieht man die mehr oder minder prominenten Menschen, die man schon die ganze Messewoche Abend für Abend bei ähnlichen Empfängen gesehen hat. Beim ersten Treffen hatte man vielen vieles zu sagen, beim zweiten schon weniger, und spätestens beim dritten fängt man an, das weiterzuerzählen, was man bei den ersten beiden Gelegenheiten aufgeschnappt hat, nur um festzustellen, daß allen Gesprächspartnern genau das natürlich längst bekannt war. Und so ging auch mir in dieser verflixten siebten Nacht allmählich der Gesprächsstoff aus. Ein Notfall! Und nichts anderes als die schiere Verzweiflung brachte mich so weit, die wiederholte Erörterung des neuen Glücksfalls unseres Verteidigungsministers (Logisch, daß die Pilati nichts weiter ist als ein Torpedo ins Herz der SPD - oder glauben Sie im Ernst, daß eine Frau den Scharping amüsant finden kann?), des Unglücksfalles Christoph Daum (Wie der schon aussah, war doch klar, daß der zugekokst ist bis in die Haarwurzeln!) und die noch häufiger wiederholten Mutmaßungen über den bevorstehenden Bankrott eines Schweizer Buchverlages (Wenn Sie überhaupt noch Geld sehen wollen, müssen Sie sich jetzt einen Rechtstitel besorgen - oder ganz schnell einen neuen Verlag!), ja, all diese erprobten Themen unterbrach ich mit dem unbedachten Stegreifstatement: Der Schröder, der soll ja auch 'ne Neue haben! Das Schweigen am Tisch war allgemein und eisig. Um mich herum: erschütterte Gesichter. Offensichtlich war ich in einen großen Fettnapf getreten. Ich suchte verzweifelt nach einem Ausweg: Naja, das habe ich halt überall läuten hören, und zwar von Leuten, die es auch irgendwo gehört haben - das weiß doch wohl jeder… Plötzlich nickten alle verdächtig - und mir wurde schlagartig klar, was das anfängliche Entsetzen eigentlich ausgelöst hatte: Nicht Staatsräson oder gar Diskretion, sondern die absolute Neuigkeit der Botschaft und die Furcht, von etwas ausgeschlossen zu sein, was einer als bekannt voraussetzte. Ich ließ diese Gesellschaft allein mit ihren Ängsten.

Gerücht_03

Im Lauf des Abends ergaben sich immer wieder Gelegenheiten, Gesprächspausen mit meiner von keinerlei Kenntnis gedeckten Behauptung: Der Schröder, der soll ja auch 'ne Neue haben! zu beleben, denn in der Folgezeit versicherten mir viele Kollegen, auch sie hätten dergleichen schon gehört: Schröders Neue avancierte langsam aber sicher zum Star des Abends, zumal ich, immer dreister werdend, Satzfetzen fallen ließ, die auf ein Hintergrundwissen schließen ließen, das zu haben nun auch bereits andere Journalisten vorgaben, teils durch mitwisserisches Grinsen, teils durch die Ankündigung, da mal nachhaken zu wollen. Ich brauche hier kaum zu betonen, daß jedem im Saal meine altklugen Andeutungen, bei Bedarf alles über Schröders Neue auspacken zu können, ebenso neu sein mußten wie mir selbst, dem sie so leichtfertig über die Lippen kamen. Ich stand, so gut ich es noch vermochte, im Mittelpunkt des Interesses, und nicht ein einziger, das schwöre ich, wagte es, meinem Gerücht zu widersprechen. Es wurde also doch noch eine richtig nette Abschlußparty, und zufrieden ging ich heim.

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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Sie, Victoria Beckham,

Sie, Victoria Beckham,

behaupteten in der Netflix-Doku »Beckham«, Sie seien »working class« aufgewachsen. Auf die Frage Ihres Ehemanns, mit welchem Auto Sie zur Schule gefahren worden seien, gaben Sie nach einigem Herumdrucksen zu, es habe sich um einen Rolls-Royce gehandelt. Nun verkaufen Sie T-Shirts mit dem Aufdruck »My Dad had a Rolls-Royce« für um die 130 Euro und werden für Ihre Selbstironie gelobt. Wir persönlich fänden es sogar noch mutiger und erfrischender, wenn Sie augenzwinkernd Shirts mit der Aufschrift »My Husband was the Ambassador for the World Cup in Qatar« anbieten würden, um den Kritiker/innen so richtig den Wind aus den Segeln zu nehmen.

In der Selbstkritik ausschließlich ironisch: Titanic

 Wieso so eilig, Achim Frenz?

Wieso so eilig, Achim Frenz?

Kaum hast Du das Zepter im Kampf um die Weltherrschaft der Komischen Kunst auf Erden in jüngere Hände gelegt, da schwingst Du Dich nach so kurzer Zeit schon wieder auf, um in den höchsten Sphären für Deine Caricatura zu streiten.

Mögest Du Dir auch im Jenseits Dein beharrliches Herausgeber-Grummeln bewahren, wünscht Dir zum Abschied Deine Titanic

 Mmmmh, Thomas de Maizière,

Mmmmh, Thomas de Maizière,

über den Beschluss der CDU vom Dezember 2018, nicht mit der Linkspartei oder der AfD zusammenzuarbeiten, an dem Sie selbst mitgewirkt hatten, sagten Sie bei Caren Miosga: »Mit einem Abgrenzungsbeschluss gegen zwei Parteien ist keine Gleichsetzung verbunden! Wenn ich Eisbein nicht mag und Kohlroulade nicht mag, dann sind doch nicht Eisbein und Kohlroulade dasselbe!«

Danke für diese Veranschaulichung, de Maizière, ohne die wir die vorausgegangene Aussage sicher nicht verstanden hätten! Aber wenn Sie schon Parteien mit Essen vergleichen, welches der beiden deutschen Traditionsgerichte ist dann die AfD und welches die Linke? Sollte Letztere nicht eher – zumindest in den urbanen Zentren – ein Sellerieschnitzel oder eine »Beyond Kohlroulade«-Kohlroulade sein? Und wenn das die Alternative zu einem deftigen Eisbein ist – was speist man bei Ihnen in der vermeintlichen Mitte dann wohl lieber?

Guten Appo!

Wünscht Titanic

 Aaaaah, Bestsellerautor Maxim Leo!

In Ihrem neuen Roman »Wir werden jung sein« beschäftigen Sie sich mit der These, dass es in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein wird, das maximale Lebensalter von Menschen mittels neuer Medikamente auf 120, 150 oder sogar 200 Jahre zu verlängern. Grundlage sind die Erkenntnisse aus der sogenannten Longevity-Forschung, mit denen modernen Frankensteins bereits das Kunststück gelang, das Leben von Versuchsmäusen beträchtlich zu verlängern.

So verlockend der Gedanke auch ist, das Finale der Fußballweltmeisterschaft 2086 bei bester Gesundheit von der heimischen Couch aus zu verfolgen und sich danach im Schaukelstuhl gemütlich das 196. Studioalbum der Rolling Stones anzuhören – wer möchte denn bitte in einer Welt leben, in der das Gerangel zwischen Joe Biden und Donald Trump noch ein ganzes Jahrhundert so weitergeht, der Papst bis zum Jüngsten Gericht durchregiert und Wladimir Putin bei seiner Kolonisierung auf andere Planeten zurückgreifen muss? Eines will man angesichts Ihrer Prognose, dass es bis zum medizinischen Durchbruch »im besten Fall noch 10 und im schlimmsten 50 Jahre dauert«, ganz bestimmt nicht: Ihren dystopischen Horrorschinken lesen!

Brennt dann doch lieber an beiden Enden und erlischt mit Stil: Titanic

 Anpfiff, Max Eberl!

Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt