Inhalt der Printausgabe

Februar 2001


Humorkritik
(Seite 8 von 8)

Vorsicht, One-Liner!

Wer nichts wird, wird Wirt, sagte man früher. Heute wird der gefürchtete Schrecken aller Klassenfahrten meistens Gagschreiber für Privatfernsehen und Privatradio. Hat der Klassenkasper dann mit der Nichtigkeit seines "Humors" kognitive Probleme, verfällt er zusätzlich auf die spaßige Idee, das Schlimmste davon zwischen Broschürendeckel zu zwängen. Zum Beispiel Falko Rademacher, der fleißig damit prahlt, Zuträger u.a. für die "Harald-Schmidt-Show" zu sein. An sich ist das nicht schlimm, schlimm ist nur sein daraus resultierender Erstling: "Das zynische Gag-Lexikon. Das universelle Kompendium des respektlosen Humors" (Imprint Lexikon Verlag Berlin).
Es sei dies ein "umfassendes (sic!) Universal-Lexikon der Verarsche - aber KEIN Witzbuch", radebrechen Vorwort und Klappentext. Stimmt. Von 5000 "Gags, One-Linern und Aphorismen" sind 4000 "Gags" mies bis schlecht, die restlichen 1000 aber astreine Doubletten. Offensichtlich überblickt er sein hühnerbrustschmales Werk selbst nicht zureichend, so daß Hunderte "Aphorismen" zweimal und sogar dreimal vorkommen. Wohl auch, weil der "Lektor" über soviel "universellem" Zynismus eingeschlafen sein muß. Derartige, zudem orthographisch ziemlich respektlos ausgelegte Verarsche überlese ich sonst höchstens in Blitz Illu oder Pfiff!; und gesammelt gibt's das massig bei Fouqué, Frieling oder R. G. Fischer. Mein Fazit in Rademachers Diktion: Der Mann ist Jahrgang '74 - aber hey, er schreibt, als wenn er 74 Jahre alt wäre.
Drei Beispiele gefällig? Gut, Sie haben's nicht anders gewollt: 1. "Vor gut 200 Jahren wurde Wolfgang Amadeus Erwin Mozart geboren. Sie wissen, der Erbauer des Mozart-Hauses in Wien." 2. "Mick Jagger will ab 2001 wieder eine Welt-Tournee mit den Rolling Stones unternehmen. Die Band heißt dann ›Rolling Stühle‹." 3. "Im Saarland sprechen viele Leute französisch. Vor allem die Nutten."
"Witzigkeit ist manchmal Witzarmut, die ohne Hemmung sprudelt", bemerkt Karl Kraus. Die größte Verarsche aber ist: über dem Impressum steht in dicken Versalien: "Vorsicht, Satire!" Zur Strafe wird Rademacher unter meiner gestrengen Aufsicht beim Rake-Verlag die Broschüre "101 Gründe, keine Gags mehr zu schreiben" verfassen. Das sollte er besser Profis überlassen.


   1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8


Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

 Erwischt, Bischofskonferenz!

In Spanien haben sich Kriminelle als hochrangige Geistliche ausgegeben und mithilfe künstlicher Intelligenz die Stimmen bekannter Bischöfe, Generalvikare und Priester nachgeahmt. Einige Ordensfrauen fielen auf den Trick herein und überwiesen auf Bitten der Betrüger/innen hohe Geldbeträge.

In einer Mitteilung an alle kirchlichen Institutionen warntest Du nun vor dieser Variante des Enkeltricks: »Äußerste Vorsicht ist geboten. Die Diözesen verlangen kein Geld – oder zumindest tun sie es nicht auf diese Weise.« Bon, Bischofskonferenz, aber weißt Du, wie der Enkeltrick weitergeht? Genau: Betrüger/innen geben sich als Bischofskonferenz aus, raten zur Vorsicht und fordern kurz darauf selbst zur Geldüberweisung auf!

Hat Dich sofort durchschaut: Titanic

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg