Inhalt der Printausgabe
Februar 2001
Vom Fachmann für Kenner (Seite 10 von 14) |
Beim Trampen In früheren Zeiten, als es noch keine Bahncard gab und das Geld nicht so locker saß, wurde bei uns viel ›per Anhalter‹ gefahren. Einmal zum Beispiel stieg ich spätnachmittags an der Raststätte Hamburg-Wilhelmsburg ins Auto eines jungen Mannes, der, kaum losgefahren, hinter seiner Sonnenbrille lauthals über die anderen Verkehrsteilnehmer zeterte, auf der überholspur ständig links blinkte und sich alles in allem eher schlecht benahm. Schon am nächsten kleinen Rastplatz fuhr er aber wieder ab, bat mit einem Augenzwinkern um ein bißchen Geduld, da er jetzt "was Wichtiges" zu erledigen habe, band sich den Arm ab und spritzte sich Heroin hinein. Zurück auf der Autobahn, war er plötzlich sehr aufgeräumt, überholte heiser lachend ein Fahrzeug rechts, das er mit Lichthupe und dichtem Auffahren lange genug zum Verlassen der überholspur aufgefordert hatte, und blieb selbst dann noch entspannt, als die Beifahrerin des überholten Autos einen Fotoapparat zückte und versuchte, ein Bild von uns zu schießen. Das mache ihm wirklich gar nichts, vertraute er mir an, während wir das Gefährt mit Tempo 190 hinter uns ließen, er habe ja sowieso keinen Führerschein mehr, da ihm dieser kürzlich abgenommen worden sei, nachdem er eine Polizeisperre durchbrochen habe, wodurch er schließlich auch seinen Job losgeworden sei, also sowieso nichts mehr zu verlieren habe und ohnehin seit langem auf praktisch alles scheiße! Und ich Idiot konnte die ganze Zeit nichts anderes denken als: "Wenn ich jetzt aussteige, komme ich heute nicht mehr nach Hause. Wenn ich jetzt aussteige, komme ich heute nicht mehr nach Hause. Wenn ich jetzt aussteige, komme ich heute nicht mehr nach Hause." Mark-Stefan Tietze
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