Inhalt der Printausgabe
Dezember 2001
Der Mann in den Bergen (Seite 6 von 7) |
Osama bin Laden hat Geschmack, seine Einrichtung ist ein gelungener Mix aus Kabuler Barock, Hitlerjugendstil und Neuer Unsachlichkeit. "Fehlt nur noch Bart Nouveau." |
"Wir irren Islamisten kochen ja ganz gern unser eigenes Süppchen", führt uns der tiefgläubige Neoilliberale in die modern ausgestattete Küche, wo auf dem Urankochfeld bereits das Abendessen simmert und ein heimelig exotischer Geruch wie nach Herbstlaub, Steinen und Salz in unsere Nasen weht: "Eine hiesige Spezialität: Herbstlaub mit Steinen und Salz. Meine Mutter streute immer noch eine Prise Sand darüber, aber das ist Geschmackssache. Und wer in den Skorpion beißt, darf sich was wünschen!" Während von irgendwoher leise Hilferufe dringen, wird uns bewußt, wie fremd uns dieser Teil der Welt immer noch ist, wie wenig wir verstehen. Vor allem, seit unser Gastgeber den Dolmetscher in die Mikrowelle gesperrt hat. Vor dem Essen spricht bin Laden das Tischgebet. "Es ist im Islam nicht üblich, aber wenn ich selbst koche, ist es vielleicht kein Fehler." Vorsichtshalber beten wir mit. "Allah, Du bist groß und mächtig, doch dein Fraß schmeckt mittelprächtig. Ohne Butter, ohne Rama - viele Grüße, dein Osama." Beherzt würzt unser Gastgeber mit Senfgas und Pfefferspray nach, bis wir gezwungen sind, ins Bad auszuweichen, wo sich traditionelle Sanitär-Elemente mit modern-orientalischen Kachelarrangements aufs geglückteste zu verbinden wissen. "So stand es jedenfalls im Katalog. Geliefert haben sie nur ein Loch im Boden. Sogar die Handtuchhalter fehlten. Dafür hat es aber auch 700 Stockhiebe mehr gekostet!" |
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