Inhalt der Printausgabe

April 2001


Humorkritik
(Seite 2 von 3)

Ein Format, zwei Welten

Daß die Engländer, freilich im Gegensatz zu den Deutschen, so schrecklich viel und schrecklich schwarzen Humor haben sollen, allen voran die Monty Pythons, deren Stil... usw. usf. - man mag's wirklich nicht mehr hören. Allerdings: Da ist immer noch was dran. Aktuelles Beispiel: "Trigger Happy TV" (gedreht für Channel 4, hier zu sehen auf Pro7 und gar nicht schlecht synchronisiert von Peer Augustinski), eine britische Neuauflage des Klassikers "Versteckte Kamera", die sich von allen mir bekannten kontinentalen Coverversionen des Formats so fundamental unterscheidet, daß ich schon wieder bereue, beide in einem Satz genannt zu haben.
Denn Dom Joly (als Lockvogel) und Sam Cadman (Kameramann) wollen nicht "hereinlegen" (und dann - kuckuck, war ja nur fürs Fernsehen! - auflösen), sondern irritieren: Was passiert, wenn in einer Galerie plötzlich ein riesiges Handy klingelt und der Besitzer laut zu schreien anfängt: "Hallo?! - Ich kann jetzt nicht, ich bin in einer Galerie!! - Nein, alles Mist, alles totaler Schrott hier"? Wie reagieren Passanten auf zwei Männer in Hundekostümen, von denen einer erst auf den anderen einschlägt, bis der sich nicht mehr rührt, und dann einfach weggeht? Ist es komisch, wenn ein durchnäßter Anzugträger mit Klopapier im Gesicht aus einer öffentlichen Toilette stürzt und schreit: "Das verdammte Klo! Wollte mich umbringen, das verdammte Scheißhaus"? Ja, ist es. Und je mehr Joly und Cadman mit Pointenvermeidung arbeiten, oder je geringer die Reaktion des involvierten Publikums ausfällt, desto komischer ist das Ergebnis: Zwei Kaninchen im Kino, mitten im Film, simulieren einen Geschlechtsakt bis hin zu Orgasmus und postkoitaler Erschöpfung - und niemand im Saal reagiert! Zugabe für genaue Beobachter: Ganz unbeteiligt sitzt ein drittes Karnickel abseits und sieht sich den Film an…
Leichte Enttäuschung stellt sich ein, wenn man bei der zweiten Folge "Trigger Happy TV" ("trigger happy" heißt soviel wie "schießwütig") feststellt, daß viele Situationen durch die ganze Staffel hindurch in Variationen durchgespielt werden: Der Mann mit dem übergroßen Handy schreit mal vor dem Atomium, mal vor dem Eiffelturm, mal in einem Boot oder unterwegs auf einer Gracht ("Ich bin in Holland!! Nein, alles Käse hier"); Dom Joly steht unter einem großformatigen Plakat mit seinem Portrait und der Aufschrift "Don't trust this man!" und will etwas von Passanten ("Ich habe ein Drehbuch geschrieben, das ist für den Oscar nominiert, und jetzt muß ich nach Hollywood fliegen, zu einem Casting oder wie das heißt - haben Sie mal zehn Cent für mich?") oder verwirrt Jogger und Hundebesitzer mit einem ausgestopften Schäferhund, den er durch den Park zerrt.
Das minimalistische Konzept aber, die mit Handkamera gefilmten Scherze pro Folge nur einmal zu machen und ohne trennende Moderationen oder gar Studioaufnahmen auszustrahlen, nicht zuletzt der gute bis sehr gute Soundtrack machen "Trigger Happy TV" so lustig, wie bis dato noch nie eine "Versteckte Kamera" war.
Daß die FAZ das nicht versteht, was sie in einer hilflosen Kritik am 9. 2. d. J. auch mitteilte - das macht da schon fast gar nichts.




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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

 Genau einen Tag, Husqvarna Group (Stockholm),

nachdem das ungarische Parlament dem Nato-Beitritt Schwedens zugestimmt hatte, mussten wir was auf heise.de lesen? Dass auf Deinen Rasenmähern der »Forest & Garden Division« nach einem Software-Update nun der alte Egoshooter »Doom« gespielt werden kann!

Anders gesagt: Deine Divisionen marodieren ab sofort nicht nur lautstark mit Rasenmähern, Traktoren, Motorsägen, Motorsensen, Trennschleifern, Rasentrimmern, Laubbläsern und Vertikutierern durch unsere Gärten, sondern zusätzlich mit Sturmgewehren, Raketenwerfern und Granaten.

Falls das eine Demonstration der Stärke des neuen Bündnispartners sein soll, na schön. Aber bitte liefere schnell ein weiteres Software-Update mit einer funktionierenden Freund-Feind-Erkennung nach!

Hisst die weiße Fahne: Titanic

 Ziemlich beunruhigt, Benjamin Jendro,

lässt uns Ihr vielzitiertes Statement zur Verhaftung des ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette zurück. Zu dem beeindruckenden Ermittlungserfolg erklärten Sie als Sprecher der Gewerkschaft der Polizei: »Dass sich die Gesuchte in Kreuzberg aufhielt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Berlin nach wie vor eine Hochburg für eine gut vernetzte, bundesweit und global agierende linksextreme Szene ist.«

Auch wir, Jendro, erkennen die Zeichen der Zeit. Spätestens seit die linken Schreihälse zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, ist klar: Die bolschewistische Weltrevolution steht im Grunde kurz bevor. Umso wichtiger also, dass Ihre Kolleg/innen dagegenhalten und sich ihrerseits fleißig in Chatgruppen mit Gleichgesinnten vernetzen.

Bei diesem Gedanken schon zuversichtlicher: Titanic

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg