Inhalt der Printausgabe
April 2001
Vom Fachmann für Kenner (Seite 5 von 12) |
Preiswert reisen Letzter Abend mit Corinna in Istanbul. Keine Knete mehr, aber Durst wie Sau. Dem deutschkundigen Bettler im Vergnügungsviertel winken wir zunächst ab ("Ha'm ja selber nicht genug"), bis uns einfällt: Vielleicht kennt er ja eine gute Adresse, um billig durch den Abend zu kommen. Tut er auch, führt uns zu einem Straßencafé in Hafennähe, ist aber hinterher, des beschämend niedrigen Trinkgeldes wegen, unglaublich sauer. Wir versuchen uns zu entschuldigen: "Wir sagten doch, wir sind finanziell am Ende! Wir hätten doch sonst nicht gefragt!" Er aber beschimpft uns noch etwa zehn Minuten lang, bis die Getränke serviert werden und er endlich geht. Doch es stimmt, wir müssen ihm dankbar sein, alles ist hier überraschend billig - überdies spendieren uns die Männer und Frauen, die uns schnell umringen, viele weitere Getränke und schließlich sogar einen riesigen Obstsalat. Irgendwann wird uns, selbst durch den Nebel des Efes Pilsen Bira, klar, daß unsere Oberschenkel gerade eifrig gestreichelt werden: Corinnas von einer drahtigen kleinen Lesbe, meine von einem stillen Herrn mittleren Alters. Wir schauen uns um, sehen die vielen gleichgeschlechtlich miteinander Turtelnden, wischen Hände weg, entschuldigen uns, springen auf und torkeln davon - noch eine Viertelstunde hören wir, wie die geprellten Buhler hinter uns herteufeln. Aber das ist eben der Preis des preiswerten Reisens: An die ständigen Beschimpfungen muß man sich schon gewöhnen. Mark-Stefan Tietze
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