Inhalt der Printausgabe

April 2001


Vom Fachmann für Kenner
(Seite 12 von 12)

Authentisch
Medienportraits, also Portraits von Menschen, die andere Menschen portraitieren - pfft! Ein Klacks! Als erstes macht man einen Termin aus. Die Vorzimmerdame fragt: "Worüber wollen Sie denn schreiben? Welche Stoßrichtung soll denn Ihr Portrait haben? Sie wissen: nix Privates, nix über Vergangenes, nix über Finanzen. Herr Chefredakteur redet mit Ihnen nur über seine Auflage." Man stimmt lächelnd zu, bekommt einen Termin, geht hin und hört sich zwei Stunden Eigenlob an. Blätter, deren Chefredakteure gerade portraitiert werden, haben immer eine steigende Auflage. Entweder steigt die Auflage gesamt, oder die Zahl der Aboverkäufe steigt (wegen guter Prämien) oder der Kioskverkauf (einmal, einen Monat, wegen schlechter Konkurrenz). Zur Not muß die Durchschnittslesedauer herhalten, die steigt bestimmt, oder die Zahl der positiven Leserbriefe oder der Prozentsatz der Pünktlichzahler, Erstabonnenten, Glücklichleser. Alles andere im Gespräch verläuft ähnlich leicht: "Das Alter spielt keine Rolle, das interessiert Sie sozusagen gar nicht." "Was sieht denn als Hobby gut aus? Nehmen Sie Reisen. Reisen kommt immer gut. Ich reise also gern." Nacheinander werden festgelegt: die Wohnungseinrichtung, das Lieblingsessen, Sport, Musik, Theatervorlieben ("Theater ist immer gut, schreiben Sie: Er mag Theater"). Schließlich: "Geben Sie mir vorher Ihr Portrait zu lesen? Sie wissen, ich bin sozusagen vom Fach, haha, und könnte da noch den einen oder anderen sachlichen Fehler verhindern." Sachliche Fehler, Herr Chefredakteur, hat ein subjektiv geschriebenes Portrait ziemlich selten. Und weil ich auch vom Fach bin, wird meine Geschichte keine PR-Postille, haha! "Dann lasse ich das ganze Gespräch sperren, es ist üblich, daß man vorher die Geschichte liest. Schließlich soll es ja auch authentisch sein." Wird es so sicher nicht, aber gut, hören Sie zu, ich lese vor. Schweigen, zuhören, loben: "Toll, wie Sie schreiben, ganz toll." Am nächsten Morgen läßt sich sein Verlagsgeschäftsführer zu meinem Chefredakteur durchstellen: "Sag mal, tut dieser Ton denn not? Denk doch mal an die Anzeigen, die wir euch so in den letzten Monaten gegeben haben." Nein, journalistische Unabhängigkeit tut nicht not, man ändert das Portrait, nimmt Bosheiten heraus, schmiert Wohlwollen hinein und hat hinterher eine astreine PR-Kacke, aber wenigstens ein authentisches Porttrait

Sigrid Liebig


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Genau einen Tag, Husqvarna Group (Stockholm),

nachdem das ungarische Parlament dem Nato-Beitritt Schwedens zugestimmt hatte, mussten wir was auf heise.de lesen? Dass auf Deinen Rasenmähern der »Forest & Garden Division« nach einem Software-Update nun der alte Egoshooter »Doom« gespielt werden kann!

Anders gesagt: Deine Divisionen marodieren ab sofort nicht nur lautstark mit Rasenmähern, Traktoren, Motorsägen, Motorsensen, Trennschleifern, Rasentrimmern, Laubbläsern und Vertikutierern durch unsere Gärten, sondern zusätzlich mit Sturmgewehren, Raketenwerfern und Granaten.

Falls das eine Demonstration der Stärke des neuen Bündnispartners sein soll, na schön. Aber bitte liefere schnell ein weiteres Software-Update mit einer funktionierenden Freund-Feind-Erkennung nach!

Hisst die weiße Fahne: Titanic

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

 Waidmannsheil, »Spiegel«!

»Europas verzweifelte Jagd nach Munition«, titeltest Du, und doch könnte es deutlich schlimmer sein. Jagd auf Munition – das wäre, so ganz ohne diese Munition, deutlich schwieriger!

Nimmt Dich gerne aufs Korn: Titanic

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

 Ach, Taube,

Ach, Taube,

die Du in Indien wegen chinesischer Schriftzeichen auf Deinen Flügeln acht Monate in Polizeigewahrsam verbracht hast: Deine Geschichte ging um die Welt und führte uns vor Augen, wozu die indische Fashion-Polizei fähig ist. Aufgrund Deiner doch sehr klischeehaften Modetattoos (chinesische Schriftzeichen, Flügel) fragen wir uns aber, ob Du das nicht alles inszeniert hast, damit Du nun ganz authentisch eine Träne unter dem Auge oder ein Spinnennetz auf Deinem Ellenbogen (?) tragen kannst!

Hat Dein Motiv durchschaut: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg