Inhalt der Printausgabe

Dezember 2000


TITANIC testet die Post:
Von Menschen und Marken
(Seite 7 von 7)


2. Tag, 18.17 Uhr, Team 2,
12.15 Uhr, Frankfurt Zeil


Aber dafür vielleicht auf der Zeil, Frankfurts Einkaufsmeile Nummer eins. Da muß man nicht groß klingeln, und angezogen ist der Frankfurter hier in der Regel auch. Ideale Voraussetzungen für einen zweiten Anlauf, die stillen Sehnsüchte und geheimen Hoffnungen des gemeinen Postkunden zu eruieren.
Wegen Komplettversagens und Alkohol am Arbeitsplatz ist Team Nummer zwo kurzerhand gefeuert worden; der aus Altersgründen (58) nicht mehr vermittelbare Hannes Küng darf aber noch einmal mitmachen: "Wen würden Sie denn gerne auf einer Briefmarke sehen?" fällt er sogleich eine mittelblonde Passantin an, die sich aber zu wehren weiß: "Ich mag Tiermotive." Nur kurz läßt der ehemalige Straßenmusikant in Gelb sich aus dem Konzept bringen. "Wen?" - "Tiermotive!" - "Und da wen speziell, welche Tiere?" - "Marlene Dietrich hat mir auch sehr gefallen!" Jetzt spielt Küng seine Routine voll aus: "Und Tiere?" - "Raubkatzen!"
Na also: Durch geschicktes question management lassen sich auch aus hartleibigen Passantinnen postrelevante Informationen gewinnen! Raubkatzen - das ist doch mal ein schönes Ergebnis.
Das ein renitenter Hobbypensionist gleich wieder kaputtzumachen versucht: "Sie sind von einem Betrugsunternehmen, wissen Sie das?" Der Mann ist ein Blitzmerker! "Ihre Firma ist weder im Handelsregister eingetragen noch hat sie eine Telefonnummer!" Natürlich hat TITANIC eine Telefonnummer; sogar mit Durchwahl! Aber Küngs Gesprächspartner ist ja auch gar kein Blitzmerker: "Im neuen Telefonbuch Frankfurt: Keine Telefonnummer von der Post! Keine Adresse! Dann verkaufen Sie da etwas, was verboten ist, ist Ihnen das klar?!"
Und wie! Bevor sich herumspricht, daß hier ein Weltkonzern Fragebögen in Umlauf bringt, der nicht einmal im neuen Frankfurter Telefonbuch steht, verschenkt die TITANIC-Einsatzgruppe Mitte lieber schnell ihre letzten Werbebananen und flüchtet in die U-Bahn, wo Küng, der ganz offenbar Umfragemitarbeiter des Jahres werden will, spontan noch einmal in die Offensive geht und den wehrlosen Nahverkehrsnutzern lauthals ein bis dato gar nicht vorgesehenes Service-Angebot macht: "Einschreiben, Postkarten, Briefe, zwei Pfund eine Mark! Holen Sie sich Ihre Post hier bei uns ab! Ist zufällig eine Frau Müller aus Kelsterbach anwesend? Oder jemand, der sie kennt?"

Weiß der Kuckuck, wo sich Frau Müller aus Kelsterbach schon wieder herumtreibt; hoffentlich nicht an der Börse! Denn seit die Deutsche Post auf dem Aktienparkett mittanzt, ist es da bestimmt noch langweiliger als ohnehin. Was soll man schließlich von einem Unternehmen erwarten, das zwar einerseits Global Player sein will, dessen Kunden sich aber weder den Müll runtertragen lassen wollen noch die Allgemeine Brieföffnungsverordnung vom 1.1. kennen? Und die schon damit zufrieden wären, statt Helmut Kohl mal bunte Raubkatzen aufs Kuvert zu pappen? Und am liebsten Urlaubspostkarten aus Darmstadt bekommen?
Sexy ist das alles nicht. Daß mit einem solchen Schnarchverein an der Börse Geld verdient werden kann, glauben wohl nur Postkunden. Und dann haut's ja direkt wieder hin.

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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

 Persönlich, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck,

nehmen Sie inzwischen offenbar alles. Über den russischen Präsidenten sagten Sie im Spiegel: »Putin war in den Achtzigerjahren die Stütze meiner Unterdrücker.« Meinen Sie, dass der Ex-KGBler Putin und die DDR es wirklich allein auf Sie abgesehen hatten, exklusiv? In dem Gespräch betonten Sie weiter, dass Sie »diesen Typus« Putin »lesen« könnten: »Ich kann deren Herrschaftstechnik nachts auswendig aufsagen«.

Allerdings hielten Sie sich bei dessen Antrittsbesuch im Schloss Bellevue dann »natürlich« doch an die »diplomatischen Gepflogenheiten«, hätten ihm aber »schon zu verstehen gegeben, was ich von ihm halte«. Das hat Putin wahrscheinlich sehr erschreckt. So richtig Wirkung entfaltet hat es aber nicht, wenn wir das richtig lesen können. Wie wär’s also, Gauck, wenn Sie es jetzt noch mal versuchen würden? Lassen Sie andere Rentner/innen mit dem Spiegel reden, schauen Sie persönlich in Moskau vorbei und quatschen Sie Putin total undiplomatisch unter seinen langen Tisch.

Würden als Dank auf die Gepflogenheit verzichten, Ihr Gerede zu kommentieren:

die Diplomat/innen von der Titanic

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

 Genau einen Tag, Husqvarna Group (Stockholm),

nachdem das ungarische Parlament dem Nato-Beitritt Schwedens zugestimmt hatte, mussten wir was auf heise.de lesen? Dass auf Deinen Rasenmähern der »Forest & Garden Division« nach einem Software-Update nun der alte Egoshooter »Doom« gespielt werden kann!

Anders gesagt: Deine Divisionen marodieren ab sofort nicht nur lautstark mit Rasenmähern, Traktoren, Motorsägen, Motorsensen, Trennschleifern, Rasentrimmern, Laubbläsern und Vertikutierern durch unsere Gärten, sondern zusätzlich mit Sturmgewehren, Raketenwerfern und Granaten.

Falls das eine Demonstration der Stärke des neuen Bündnispartners sein soll, na schön. Aber bitte liefere schnell ein weiteres Software-Update mit einer funktionierenden Freund-Feind-Erkennung nach!

Hisst die weiße Fahne: Titanic

 Ziemlich beunruhigt, Benjamin Jendro,

lässt uns Ihr vielzitiertes Statement zur Verhaftung des ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette zurück. Zu dem beeindruckenden Ermittlungserfolg erklärten Sie als Sprecher der Gewerkschaft der Polizei: »Dass sich die Gesuchte in Kreuzberg aufhielt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Berlin nach wie vor eine Hochburg für eine gut vernetzte, bundesweit und global agierende linksextreme Szene ist.«

Auch wir, Jendro, erkennen die Zeichen der Zeit. Spätestens seit die linken Schreihälse zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, ist klar: Die bolschewistische Weltrevolution steht im Grunde kurz bevor. Umso wichtiger also, dass Ihre Kolleg/innen dagegenhalten und sich ihrerseits fleißig in Chatgruppen mit Gleichgesinnten vernetzen.

Bei diesem Gedanken schon zuversichtlicher: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg