Inhalt der Printausgabe
Dezember 2000
TITANIC testet die Post: Von Menschen und Marken (Seite 5 von 7) 1. Tag, 17.32 Uhr, Team 1, Nordweststadt, Goldgrubenstraße "Guten Abend! Die Pohost!" - "Wie? So spät noch?" Frau Sch. ist überrascht, läßt die beiden attraktiven Endzwanziger in Postmontur aber trotzdem herein. Im Entrée des idyllischen Ziegelbaus läßt sich's angenehm parlieren. Als wir Antwort auf die Frage erbitten, mit welchen zusätzlichen Dienstleistungen sich die Post denn in Zukunft profilieren könnte, und "interessante Briefe vorlesen (am Telefon)" vorschlagen, versteht Frau Sch. erst mal nur B.* Natürlich hilft ihr der ausführlich geschulte Umfrager Wobser gerne aus der Patsche: "Der neueste Service ist, weil wir die Briefe ja eh routinemäßig öffnen, daß wir Ihnen die Briefe gleich am Telefon vorlesen und Sie dann also entscheiden können, ob Sie einen Brief wirklich zugestellt haben möchten." Die verhärmte Mittvierzigerin hinterfragt nachgerade kritisch: "Sie öffnen die routinemäßig, die Briefe?" - "Müssen wir", markiert Wobser behend den Schlagfertigen. "Das ist ja gesetzlich vorgeschrieben." Schade, daß Frau Sch. von Mißtrauen geradezu zerfressen ist: "Welche Briefe öffnen Sie routinemäßig?" - "Alle! Wußten Sie das nicht? Das ist seit dem 1.1. Vorschrift." Die Nordweststädterin bietet souverän Paroli: "Aha." Davon hätte sie noch nie etwas gehört. Wahrscheinlich liest sie die Frankfurter Rundschau; und da ist es ja auch weiß Gott kein Wunder, daß sie den von der Post angebl. zur Diskussion gestellten Top-Slogan "Wenn's mal wieder länger dauert, aber dafür auch evtl. irgendwann mal vielleicht bei Ihnen ankommt - Ihre Post!" ohne viel Aufhebens "gut" findet. Briefträgerin wäre sie aber trotzdem gern, jedenfalls an Weihnachten, "wenn die Leute sich freuen, daß sie Päckchen kriegen". Ui je. Nichts wie weg. Doch plötzlich ist die Glückssträhne wie abgeschnitten: Wo immer das sympathische Postler-Duo klingelt, wird das Licht gelöscht, werden Rolläden herunter- und Hunde von der Leine gelassen. Wenn schon mal jemand ein Fenster öffnet, dann nur zum Zwecke der Mitteilung, es sei "gerade ungünstig", man erwarte "Besuch" und sei auch "gar nicht angezogen". Unter diesen Umständen ist es direkt schon ein Riesenerfolg, daß von den 200 Fragebögen nur 197 unausgefüllt bleiben. Eine Quote, die erfahrene Marktforscher klar zu deuten wissen: Feierabend. Und am nächsten Tag das Ganze von vorn. *ergänze: ahnhof |
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