Inhalt der Printausgabe
Dezember 2000
Humorkritik
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Erhardts Teamwork |
Geschätzt hab ich das Schaffen Heinz Erhardts am Rande seit jeher, doch offenbar nicht genügend; denn so oft mir diese Eminenz wiederbegegnet, gleich, ob im Buch oder im Fernsehkasten, nimmt mein Respekt doch weiter und stetig zu. Gegenstand meiner neuerlichen Bewunderung sind weder speziell die Dicht- noch die Schauspielkünste Erhardts, die ja beide ansehnlichen Ruhm erlangten. Was mich heute staunen macht, ist vielmehr das einvernehmliche Teamwork zwischen dem Dichter und dem Komödianten gleichen Namens, genauer gesagt: die grenzenlos großzügige, gänzlich uneitle Dauerbereitschaft des ersteren, dem letzteren zuzuarbeiten und z.B. den regelmäßig miserablen Produktionen, in denen der Komödiant Erhardt mitwirkte, hübsche Verse bereitzustellen zu beliebiger Verwendung. Wieder und wieder müssen Erhardt-Strophen als Lückenbüßer oder Zusatzzünder herhalten, wenn das minderwertige Skript eines Klamaukfilmchens oder Tourneetheater-Sketchs nicht hinreichte; eine umso undankbarere Aufgabe, als zwischen Bühnenkollegen wie Bruce Low oder Chris Howland und Filmgrößen wie Giller und Kulenkampff jede bessere Pointe verpuffen mußte. Erhardt läßt sich's nicht verdrießen und nutzt die kurzen Rezitations-Gelegenheiten im Film für Experimente. In "Willi wird das Kind schon schaukeln" (1971) etwa weicht sein Vortrag eines Achtzeilers von der Druckfassung ab: "Man sei beständig auf der Hut / und gehe niemals ohne diesen" lautet die Vorlage; "und gehe niemals ohne einen solchen", sprudelt's - unter Preisgabe des Endreims - aus einem sichtlich von den eigenen Versen gelangweilten Film-Willi. Daß er fürs Publikum der allezeit arglose Scherzbold geblieben ist, hat Erhardt anscheinend nicht gestört. Was bemerkenswert erscheint angesichts jener Klagen, wie sie von heutigen etablierten Komikern erhoben werden: niemand nehme ihn mehr ernst, jammert etwa Hallervorden. Anders der Dichter Erhardt: Daß seine melancholischen und misanthropischen Anwandlungen, seine scharfsinnigen Skizzen sei's der Tierwelt, sei's des Kulturbetriebs nie recht beachtet wurden, darüber hat er sich nie beschwert. Im Gegenteil, als ernster Dichter ist Erhardt sich selbst nicht geheuer gewesen - so kommt es, daß er sogar noch ein perfekt lebenserfahrenes Epigramm durch eine drangepappte Schlußpointe verhunzt: "Schön ist der Wein, bevor er getrunken, / schön ist das Schiff, bevor es gesunken, / schön ist der Herbst, solange noch Mai ist, / schön ist der Leutnant, solang er aus Blei ist. // Schön ist das Glück, wenn man es nur fände. / Schön ist dies Buch, denn gleich ist's zu Ende." Für die letzten beiden Zeilen bekommt der Dichter volle hundert Punkte Abzug, der sel. Komiker Erhardt aber zumindest eine neue Pulle Roten spendiert. Prost! |
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