Inhalt der Printausgabe
Dezember 2000
Humorkritik
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Poesie des Schinkens |
Es hieße, einmal mehr Eulen körbeweise nach Amsterdam zu schleppen, wollte man das komische "Genie" (Evelyn Waugh) P. (Pelham) G. (Grenville) Wodehouse preisen; nämliches unterließen, und nicht zu Unrecht, die Klügsten und die Dümmsten nicht. Z. B. der britische Premierminister Asquith hellte triste Feierabende per Wodehouse-Lektüre auf und lobte die erheiternde Wirkung des emsigen Erzählers und Erben Jane Austens. Und glauben wir Waugh, hallt der glänzende Ruf des (1975 verstorbenen) peniblen Stilisten weltweit durch sämtliche Schichten der Literatursachverständigen. Wir glauben's, glauben's gern. Etwas von der überlieferten Bescheidenheit und Generosität Wodehouses, eines Meisters des Konversations- und Konventionsromans, färbte auf jede seiner Gestalten ab. "Ich stufe all meine Figuren wie lebende, fest besoldete Schauspieler ein", und mit der raren, gebotenen Sorgfaltspflicht und Hingabe ließ er sie dann palavern, die Damen und Herren eines lustig verklemmten Adels- und Möchtegernneureichenmilieus. Nun veröffentlichte die um vorzügliche Übersetzung und selten präzises Lektorat rühmenswert bedachte Zürcher Edition Epoca den nach Wodehouses eigenem Bekunden besten Roman eines weitgespannten Œuvres, "Jetzt oder nie!" ("Quick Service"). "Für Wodehouse hat der Sündenfall nie stattgefunden", kommentierte Waugh treffend das hochartifizielle, ausgekocht kalkulierte Gewusel, denn das Spiel, das soft hysterisierte Poser miteinander und als eine Art soziales L'art pour l'art treiben, gemahnt an eine Societywelt unbeschwert eitler, liebestoller Narren, die sich gegenseitig in die Pfanne zu hauen versuchen und dabei allzeit einen tief beneidenswerten Stolz bewahren. Wenn kantianische Komik den Zweck des zweckfrei erfüllten Wohlgefallens verfolgt, so lag selbst unser britischer Regierungschef nicht falsch. Ich habe "Jetzt oder nie!" im Rausch purer Blödelei gelesen, infiziert von der mutmaßlich urenglischen Grundeinverständigkeit mit dem Dasein. Die anbetungswürdig taktvoll komponierten Dialoge (und es gibt kaum mehr denn Gequassel) lavieren zwar zuweilen nahe am snobistischen Kitsch herum, überschreiten aber genauso zuverlässig dessen Grenze hin zum Lösenden, segensreich Versöhnlichen. Es ist wie in einem gesalbt surrenden Universum, einer diesseitigen Sphäre der Universalpoesie. Mrs. Chavender, eine der vielen genasführten Schwindler, bekeift anfänglich die Obsession des Kaufmannes und Ex-Verlobten Jimmy B. Duff: "Vor fünfzehn Jahren, als ich Jimmy Duff kennenlernte und seiner aalglatten Art auf den Leim kroch, war ich ein junges, idealistisches Mädchen und hatte nichts als romantische Schwärmereien im Kopf. Diesen romantischen Schwärmereien machte er mit seinem widerwärtigen Schinken ein für allemal den Garaus. Oft ging er mit mir im Mondschein spazieren und erklärte lang und breit, woher die Dinger ihr nußartiges Aroma hätten. Er wartete, bis die Musikkapelle Träumerei spielte, und setzte mir dann die Feinheiten des Einpökelns auseinander." Zum Beschluß indes, da sich alles gottgewollt fügt, schnaubt sie, wiedervereint mit dem Schinkenbaron, mondbeschienen, betört laue Liebesluft schnuppernd und erkenntnissatt: "Ich war ein albernes Mädchen, und es fehlte mir an Erfahrung, um mich für höhere Dinge zu interessieren. Wie zum Beispiel für Schinken." Und das soll hier als Lese-Aperitif genügen. Ich will doch nichts verraten und Ihnen einen 1a-Abend versauen. |
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