Inhalt der Printausgabe
August 2000
Humorkritik
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Sehenswerter Gilb |
Nein, vollrohr mittrompeten mag ich nicht im Chor der Kollegen, die "Tuvalu", das Kinodebüt des Berliners Veit Helmer, in höchsten Tönen loben und sich damit zugleich ihren erlesenen Geschmack bestätigen: distanziert sich diese Komödie doch aufs deutlichste von glattgebügelten Mainstream-Produktionen. Frisch Vergilbtes, mit äußerster Askese hergestellt - sowas becirct die Cineastenseele und entlockt ihr zum aberhundertsten Mal die Standardphrase von der "Hommage ans große alte Kino". Tatsächlich zeigt der Film zu neunundneunzig Prozent schwarzweiße Bilder; daß zwei kurze Farbeinsprengsel - jeweils Illustrationen eines Wunschtraums - dazwischenplatzen, ist weder neu noch originell. Nicht bestätigen kann ich die Kollegen darin, daß es sich um einen Stummfilm handle: Im Stummfilm reden die Akteure ja durchaus, nur daß wg. fehlender Tonspur kein Dialog zu hören ist. Umgekehrt verhält sich's hier: Alle "Tuvalu"-Figuren scheinen stumm zu sein; entringt sich einer von ihnen mal ein Gurgellaut oder eine knappe Formel ("Hallo" bzw. "Technology Modern Profit"), kann der Zuschauer dies sehr wohl verstehen - ein Prinzip, das Jacques Tati mit Perfektion verwendete. Daß es mich bei Helmer weniger überzeugte, geht größtenteils auf die Kappe von Hauptdarsteller Denis Lavant, der seine veritable Heldenrolle im Stil eines pantomimischen Straßenkaspers ausführt, als furchtbar angestrengtes Grimassengewitter also, das schon nach wenigen Minuten nervt. Besser als Herr Held macht's Frau Heldin (Chulpan Hamatova), die ihre Großtaten als Einbrecherin und Schiffsmechanikerin mit ansehnlicher Contenance erledigt; insgesamt hätt' diesem Mimentumult eine stoische Figur à la Tati ganz gutgetan. Und überhaupt: Daß Helmer ein Ensemble von Fressen und Fratzen agieren läßt, neben denen Guildo Horn wie ein BWL-Student wirkt, dieses zwar beeindruckende, aber im Grunde einfältige Stilmittel macht für sich allein noch lang keine Ästhetik. Der Rest aber ist Loben. Wo die - pantomimegerecht höchst simple, pantomimebedingt gleichwohl temporeiche - Geschichte ums baufällige Hallenbad den Reiz von Schwarzweißeffekten auskostet, wo Helmer sich auf die Wirkung fantastischer Kulissenbauten und uralter Maschinen- und Fahrzeugstaffagen verläßt, was mit zunehmender Filmdauer immer öfter geschieht, da verdient sich "Tuvalu" nicht allein den Beifall meiner Kollegen, da wird's dann auch bisweilen richtig komisch. Als sehens- und - wegen der sparsamen und sehr spitzenmäßigen Musik von Jürgen Knieper - hörenswert empfehle ich dieses Werk deshalb doch noch. Auch denen, die keine Bestätigung ihres erlesenen Geschmacks benötigen. |
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