Inhalt der Printausgabe

August 2000


Humorkritik
(Seite 5 von 7)

Sehenswerter Gilb
Nein, vollrohr mittrompeten mag ich nicht im Chor der Kollegen, die "Tuvalu", das Kinodebüt des Berliners Veit Helmer, in höchsten Tönen loben und sich damit zugleich ihren erlesenen Geschmack bestätigen: distanziert sich diese Komödie doch aufs deutlichste von glattgebügelten Mainstream-Produktionen. Frisch Vergilbtes, mit äußerster Askese hergestellt - sowas becirct die Cineastenseele und entlockt ihr zum aberhundertsten Mal die Standardphrase von der "Hommage ans große alte Kino". Tatsächlich zeigt der Film zu neunundneunzig Prozent schwarzweiße Bilder; daß zwei kurze Farbeinsprengsel - jeweils Illustrationen eines Wunschtraums - dazwischenplatzen, ist weder neu noch originell.
Nicht bestätigen kann ich die Kollegen darin, daß es sich um einen Stummfilm handle: Im Stummfilm reden die Akteure ja durchaus, nur daß wg. fehlender Tonspur kein Dialog zu hören ist. Umgekehrt verhält sich's hier: Alle "Tuvalu"-Figuren scheinen stumm zu sein; entringt sich einer von ihnen mal ein Gurgellaut oder eine knappe Formel ("Hallo" bzw. "Technology Modern Profit"), kann der Zuschauer dies sehr wohl verstehen - ein Prinzip, das Jacques Tati mit Perfektion verwendete. Daß es mich bei Helmer weniger überzeugte, geht größtenteils auf die Kappe von Hauptdarsteller Denis Lavant, der seine veritable Heldenrolle im Stil eines pantomimischen Straßenkaspers ausführt, als furchtbar angestrengtes Grimassengewitter also, das schon nach wenigen Minuten nervt. Besser als Herr Held macht's Frau Heldin (Chulpan Hamatova), die ihre Großtaten als Einbrecherin und Schiffsmechanikerin mit ansehnlicher Contenance erledigt; insgesamt hätt' diesem Mimentumult eine stoische Figur à la Tati ganz gutgetan. Und überhaupt: Daß Helmer ein Ensemble von Fressen und Fratzen agieren läßt, neben denen Guildo Horn wie ein BWL-Student wirkt, dieses zwar beeindruckende, aber im Grunde einfältige Stilmittel macht für sich allein noch lang keine Ästhetik.
Der Rest aber ist Loben. Wo die - pantomimegerecht höchst simple, pantomimebedingt gleichwohl temporeiche - Geschichte ums baufällige Hallenbad den Reiz von Schwarzweißeffekten auskostet, wo Helmer sich auf die Wirkung fantastischer Kulissenbauten und uralter Maschinen- und Fahrzeugstaffagen verläßt, was mit zunehmender Filmdauer immer öfter geschieht, da verdient sich "Tuvalu" nicht allein den Beifall meiner Kollegen, da wird's dann auch bisweilen richtig komisch. Als sehens- und - wegen der sparsamen und sehr spitzenmäßigen Musik von Jürgen Knieper - hörenswert empfehle ich dieses Werk deshalb doch noch. Auch denen, die keine Bestätigung ihres erlesenen Geschmacks benötigen.




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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

 Anpfiff, Max Eberl!

Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

 Wieso so eilig, Achim Frenz?

Wieso so eilig, Achim Frenz?

Kaum hast Du das Zepter im Kampf um die Weltherrschaft der Komischen Kunst auf Erden in jüngere Hände gelegt, da schwingst Du Dich nach so kurzer Zeit schon wieder auf, um in den höchsten Sphären für Deine Caricatura zu streiten.

Mögest Du Dir auch im Jenseits Dein beharrliches Herausgeber-Grummeln bewahren, wünscht Dir zum Abschied Deine Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt