Inhalt der Printausgabe

Heinz Strunk
Intimschatulle 45

»Angriff des achtbeinigen Rentners«

1.11. Sehr sonnig, kalt. Bereits herrlich früh dunkel. »Abend vorm Kamin«. Rumtopf, Rotwein, im ZDF ein netter Krimi: »Stern des Mordens«. Gedanke: Schön wäre es, wenn dereinst ein Flughafen nach mir benannt würde.

2.11. Einen Überholvorgang abgebrochen.

3.11. Die meisten Menschen würden unter der Zumutung, sich interessant zu finden, zusammenbrechen. Der größte Teil der sog. Kultur, die Religionen inbegriffen, widmet sich seit jeher der Aufgabe, die zahllosen Einzelnen vor dem Interesse an sich selbst zu schützen.

4.11. 1) 2018er Dschungel-Kandidat Ansgar Sowieso: »Frauen sind mit das Coolste, was diese Welt hat.« 2) Gute Songidee (Blödelsong): »Ich hätte gern ein Laugeneck«.

5.11. Google Suchverlauf: Einwohnermeldeamt altona öffnungszeiten – Terezia mora – Er steht im tor – Leo fischer die Herrschenden – Schöpfungshöhe – Mittwochslotto – Timmendorfer strand zob – Timmendorfer strand spielbank – Niendorf lübeck busverbindung – Fette frauen daten sex – Lantenhammer schnaps kaufen – Niendorf ostsee einwohnerzahl – Spielbank lübeck – Luv niendorf restaurant – Sigrid – Waldi harmann gewicht

6.11. Schrecklicher Tag. Die Wohnung nicht verlassen. Schlimm, was Nervosität und Alkohol mit einem anstellen. Abends in den Psalmen gelesen.

7.11. Gewisse Genugtuung über meine Ernennung zum Ehrenpräsidenten des Bundesjugendorchesters. Nachmittags Arbeit am Roman. Alles um mich herum, so kommt es mir vor, ist lautlos in Bewegung. So muss man arbeiten, denke ich, ohne einen Laut, wie die Muttererde.

8.11. 1) Keine philosophische Idee ist so tief und scharfsinnig, dass sie nicht in Alltagssprache ausgedrückt werden könnte. 2) Die Zahl der auf dem Schachbrett möglichen Züge beträgt 10 hoch 30, was mehr ist als die Gesamtmenge aller im Universum vorhandenen Atome. Muss man sich mal vorstellen. Bekomme eine »innere Gänsehaut«.

9.10. Nach dem riesigen Erfolg der italienischen, der griechischen und der asiatischen musikalischen Speisekarte hier nun die indische musikalische Speisekarte:
Strophe 1: Vorweg Malai Kofta, sind kleins Gemüsebällchen, schmackhaft und bekömmlich, Kofta wunderbar.
Strophe 2: Gefolgt von Aloo Gobi, Kartöffel und de Blumkohl, dazu Biryani Reis, Gobi wunderbar.
Strophe 3: Wie wär’s jetzt mit ein Dosas, ist indisch Pfannekuchen, schöne dicke Dosas, Dosas wunderbar.
Strophe 4: Zwischendurch Raita, ist Dip auf Joghurtbasis, kannst ein Löffel naschen, Raita wunderbar.
Strophe 5: Dann Tandoori Chicken mit Cashewnuss und Sahne, ist ein Leckerbissen / schmeckt am besten lauwarm, Tandoori wunderbar.
Strophe 6: Danach Palak Paneer, ist ein weicher Käse, zerschmilzt auf deiner Zunge, Palak wunderbar.
Strophe 7: Rotis und Chapatis sind Brotspezialitäten, tunkst in lecker Sauce, munden wunderbar.
Strophe 8:
Couscous mit Hühnercurry ist ein lecker Hauptgang, wirste sicher satt von, Couscous wunderbar.
Strophe 9:
Dazu ein frisches Naan-Brot – sind knusprig dünne Fladen aus dem Sauerteige, Naan-Brot wunderbar.
Strophe 10: Zum Nachtisch Gulab Jamun, sind schön fritierte Bällchen mit Milch und Zuckersirup, Gulab wunderbar.
Strophe 11: Auch gut Bananenlassi, schmeckt ganz frisch und cremig, mit Kardamom und Nelken, Lassi wunderbar.
Refrain: Indien, o Indien, ein großes Land auf meiner Zung, Indien, o Indien, mild oder scharf, da geh ich hin.

10.11. Zeitgemäße Doppelnamen (bitte zugreifen): Leonie-Julie, Marlon-Noel, Noah-Elias, Mia-Joline, Silja-Malin, Soraya-Diana, Tessa-Mareen, Shakira-Joline.

10.11. Slogans zur freien Verfügung. Wenn Sie zufällig Hase heißen und eine Fleischerei betreiben: Fleischerei Hase – Fleisch von Meisterhand, so zart wie ein Hase.

11.11. Kurze Begegnung mit Volker Malowski. Eine plumpe ostdeutsche Figur, provinziell, unbedeutend und hinterhältig. Abschließend: Wovon träumt einer mit hellgrüner Bundfaltenhose und Schnauzbart?

12.11. Was Computern abgeht: Zögern. Entscheidungen überdenken. Eine andere Lösung finden. Alles muss immer schnell gehen. Abends mit Bertram Leyendiecker ins Restaurant Brimborium. Bestellt gleich zwei Wiener Schnitzel. Ein träger Genüssling.

13.11. Witzig: Entschwuligung!

14.11. Schlagzeilen mit dem gewissen Etwas: 1) MUTTER WARTETE 239 TAGE AUF DIE TELEKOM 2) RAKETEN-BIKER STIRBT AUF WASSERDAMPFDREIRAD 3) ÜBERGEWICHTIGE STÜRZT AUF REHBOCK UND BRICHT IHM DAS GENICK

Evangelische Buchhandlungen sind so etwas wie die Autobahnkirchen des Alltags.

15.11. Wirklich ekelhaftes Wort: ANALTUNKE. Ist mir, wie vieles, »einfach so« eingefallen, Stichwort Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf. Analtunke, Analtunke, Analtunke, mal »auf der Zunge zergehen lassen«. Vielleicht das ekelhafteste Wort der Welt.

16.11. »Mir persönlich ist das Schicksal irgendwelcher wilden Tiere völlig egal.« Weiß nicht mehr, von wem das stammt (im Zweifelsfall Karl Lagerfeld), ist aber hängengeblieben. Hamburger Thema, solange ich denken kann: Elbvertiefung. Naturschützer gehen auf die Barrikaden: Da würde doch das seltene Insekt A vertrieben oder der noch seltenere Vogel B aussterben. Frosch C umzutopfen, würde 100 Millionen kosten. Tja, dann ist das wohl so. Selbst schuld. Tiere sterben nun mal aus, die Menschen wird es auch irgendwann nicht mehr geben. Die Erde auch nicht. Milchstraße, ganze Sonnensysteme, usw. Die Elbvertiefung ist mir natürlich vollkommen egal.

17.11. Alltagsfrage: Warum sind manche Einzelteile eigentlich oft nur teilweise reduziert?

18.11. Tagsüber nichts, abends TV, auf Kabel 1 90er Actionkracher: ANGRIFF DES ACHTBEINIGEN RENTNERS. Schlimmes Ohr. Mir fällt auf, dass das linke mehr von dem ekligen, stinkenden, gelben Schmalz produziert als das rechte.

19.11. Widerliche Vokabel: schockverliebt. Aber auch daraus könnte ein toller Song entstehen: »Ich bin schockverliebt – los, melk mich ab«. Oder so.

20.11. Karriereschatulle: 1) Ein Mensch ohne Ziele arbeitet automatisch für die Ziele anderer. 2) Tränen und Schweiß haben die gleiche Konsistenz, aber nur Schweiß bringt dich weiter. 3) Warum-Fragen bringen Entschuldigungen, Wie-Fragen bringen Lösungen.

21.11. Ehepaar Mehlau zum Dinner. Dr. Mehlau ist mit seinen 68 Jahren noch recht temperamentvoll. Beide Mehlaus rannten wie alte Hühnerhunde im Wohnzimmer umher und betrachteten meine Bilder.

22.11. Verbitterung darüber, dass total bescheuerte, dumme, humorlose Idioten oft viel besser in Mathematik (oder Naturwissenschaften) sind als ich.

23.11. Ich bin schon immer ungern »ausgegangen«. Mittlerweile eine fast krankhafte Aversion gegen Ausgehen, Amüsieren und Feiern entwickelt, bereits der Besuch eines fußläufig entfernten Restaurants nötigt mir das Äußerste ab. »Bitte, bitte, lass mich zu Hause hocken bleiben!« Früher musste man sich ab und an blicken lassen, um 1) nicht komplett zu vereinsamen und 2) so etwas wie Networking (damals nannte man das allerdings noch nicht so) zu betreiben. Brauche ich beides nicht mehr. Großer Vorteil regelmäßiger medialer Präsenz: Man braucht überhaupt nicht mehr vor die Tür zu gehen.

24.11. Unfahrbare Pissschüsseln, aus denen die Ficksahne nur so heraussuppscht: Opel Anus, Toyota Votz, BMW Knatterta.

25.11. Wie ließe sich eine schwache Person gut charakterisieren? Sowohl Angst, zu lange zu leben, als auch Angst, zu bald zu sterben.

26.11. Um die Mittagszeit im Lidl-Supermarkt beim Einkaufen ein irrer Zufall: Zwei unter starker Skoliose leidende, sehr kleine Männer um die sechzig. Der eine (Gnom 1) steht noch in der Schlange, der andere (Gnom 2), völlig erschöpft von Tagesaufgabe Einkauf, packt seine Sachen vom Einkaufswagen in die mitgebrachten Beutel um. Dabei steht er ein bisschen im Weg. Kein Drama, man muss nur einen kleinen Bogen um den kleinen Mann machen, was auch alle Kunden rücksichtsvoll tun. Gnom 1, noch in der Schlange stehend, fixiert seinen Leidensgenossen hasserfüllt. Grimmige, stechende Augen, schmaler, harter Mund, nur noch wenige Zähne, zwei oben links und rechts von der Mitte wie die Zähne einer Giftschlange. Das sieht vielleicht aus. Wütend umklammert er den Griff des Einkaufswagens, bis das Weiße aus den Knöcheln tritt, dass man befürchten muss, seine Finger zerbrechen wie Brezeln. Er kann gar nicht abwarten, bis er endlich dran ist. Die roten Nasenlöcher zittern vor Erregung. Ich ahne schon, was gleich passiert. Und tatsächlich, Gnom 2 verstaut noch umständlich seine Geldbörse, gleich wird er das Feld räumen, da erschreckt ihn Gnom 1 mit »HALLOOOOO, KÖNNEN SIE MAL DEN WEG FREI MACHEN« zu Tode. Seine Stimme klingt seltsam schrill und metallisch, wie aus einem Sprechfunkgerät.

Gnom 2 ist so perplex, dass er wie angewurzelt stehenbleibt. In seiner viel zu großen Jacke (wahrscheinlich aus einer Zeit, in der er noch normal groß war) wirkt er wie ein Rabe. Ungläubig schaut er aus der Wäsche, die dichten, grauen, dünnen Haare sehen aus wie frisch geschlagenes Eiweiß. Gnom 1 dauert das alles entschieden zu lange, er stößt wütend seinen Einkaufswagen gegen den von Gnom 2, der verängstigt zurückweicht. Viel fehlt nicht, und Gnom 1, jetzt vollkommen außer Rand und Band, haut ihm eine. Sein Leidensglück ist der Hass, alter, verbrauchter Hass, den er bei Gelegenheit mal austauschen müsste, so wie Ölwechsel. Es ist also das ganze Gegenteil von Solidarität zwischen zwei Leidensgenossen: Wenn einer einem Gnom an den Karren fahren darf, dann nur ein anderer Gnom. Ich sehe sie schon den Einkaufswagen erklimmen, wo sie dann, wie in einem Boxring, einen Kampf auf Leben und Tod austragen. Kunden, Kassierer, der Marktleiter kämen herbeigeeilt, um auf den Ausgang Wetten abzuschließen.

27.11. Tag des Kältetechnikers.

28.11. 1) Kam mir in den Sinn: »Weg mit der Strahlung, her mit der Zärtlichkeit: mein Plädoyer gegen Handys« 2) Er zog sich an, damit ihn eine furchtbare Nachricht wenigstens angezogen erreichte.

So muss sich Jesus gefühlt haben.

29.11. Geile Textidee für Ballermannhit: »Breit in hundert Sekunden, in alle Löcher lass ich es laufen, und danach breit für einhundert Stunden, immer nur saufen, saufen, saufen – Ich will dich kotzen sehen, kotzen sehen, aus allen Löchern soll es laufen. Ich will dich kotzen sehen, so richtig kotzen sehen und dann immer weitersaufen.«

30.11. Der Grund, warum Dummköpfe so eigensinnig sind: Sie geben nicht gerne irgendeine ihrer Ideen auf, weil es ihnen solche Mühe gemacht hat, überhaupt eine zu haben.

Nach Notat im Bett.

ausgewähltes Heft

Aktuelle Cartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Wow, Instagram-Kanal der »ZDF«-Mediathek!

In Deinem gepfefferten Beitrag »5 spicy Fakten über Kim Kardashian« erfahren wir zum Beispiel: »Die 43-Jährige verdient Schätzungen zufolge: Pro Tag über 190 300 US-Dollar« oder »Die 40-Jährige trinkt kaum Alkohol und nimmt keine Drogen«.

Weitergelesen haben wir dann nicht mehr, da wir uns die restlichen Beiträge selbst ausmalen wollten: »Die 35-Jährige wohnt nicht zur Miete, sondern besitzt ein Eigenheim«, »Die 20-Jährige verzichtet bewusst auf Gluten, Laktose und Pfälzer Saumagen« und »Die 3-Jährige nimmt Schätzungen zufolge gerne das Hollandrad, um von der Gartenterrasse zum Poolhaus zu gelangen«.

Stimmt so?

Fragen Dich Deine Low-Society-Reporter/innen von Titanic

 Erwischt, Bischofskonferenz!

In Spanien haben sich Kriminelle als hochrangige Geistliche ausgegeben und mithilfe künstlicher Intelligenz die Stimmen bekannter Bischöfe, Generalvikare und Priester nachgeahmt. Einige Ordensfrauen fielen auf den Trick herein und überwiesen auf Bitten der Betrüger/innen hohe Geldbeträge.

In einer Mitteilung an alle kirchlichen Institutionen warntest Du nun vor dieser Variante des Enkeltricks: »Äußerste Vorsicht ist geboten. Die Diözesen verlangen kein Geld – oder zumindest tun sie es nicht auf diese Weise.« Bon, Bischofskonferenz, aber weißt Du, wie der Enkeltrick weitergeht? Genau: Betrüger/innen geben sich als Bischofskonferenz aus, raten zur Vorsicht und fordern kurz darauf selbst zur Geldüberweisung auf!

Hat Dich sofort durchschaut: Titanic

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

 Mmmmh, Thomas de Maizière,

Mmmmh, Thomas de Maizière,

über den Beschluss der CDU vom Dezember 2018, nicht mit der Linkspartei oder der AfD zusammenzuarbeiten, an dem Sie selbst mitgewirkt hatten, sagten Sie bei Caren Miosga: »Mit einem Abgrenzungsbeschluss gegen zwei Parteien ist keine Gleichsetzung verbunden! Wenn ich Eisbein nicht mag und Kohlroulade nicht mag, dann sind doch nicht Eisbein und Kohlroulade dasselbe!«

Danke für diese Veranschaulichung, de Maizière, ohne die wir die vorausgegangene Aussage sicher nicht verstanden hätten! Aber wenn Sie schon Parteien mit Essen vergleichen, welches der beiden deutschen Traditionsgerichte ist dann die AfD und welches die Linke? Sollte Letztere nicht eher – zumindest in den urbanen Zentren – ein Sellerieschnitzel oder eine »Beyond Kohlroulade«-Kohlroulade sein? Und wenn das die Alternative zu einem deftigen Eisbein ist – was speist man bei Ihnen in der vermeintlichen Mitte dann wohl lieber?

Guten Appo!

Wünscht Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
28.03.2024 Nürnberg, Tafelhalle Max Goldt
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt