Inhalt der Printausgabe
Medienjournalisten stehen kopf: Endlich dürfen sie über etwas anderes schreiben als den lustigen Jan Böhmermann von der Heute-Show. Nämlich über Putins Haussender »Russia Today«, der hierzulande den Ableger »RT deutsch« live schaltete (TV-Sprech). Verschwörungstheorien, Bolschewikenpropaganda, Quoten in zweistelliger Höhe – all dies viral (Jugendwort 1999) und im Internet. Etablierte Sender wie ARD, RTL und QVC wollen demnächst Notiz nehmen. Dabei drängen schon längst weitere Propagandakanäle aus dem Ausland auf den deutschen Markt!
Paradise Central (IS-Kalifat)
Der Spartensender aus Syrien und Irak startet mit Hashtag und Machete einen gezielten Angriff auf die deutsche Generation Youtube. Absolutes Highlight ist die Reality-Jump-and-Run-Ego-Shooter-Show »Schlacht um die Welt«: Die jugendlichen Kandidaten müssen knallharte Herausforderungen meistern – erst die Konvertierungschallenge in Deutschland, dann geht’s weiter nach Kobane, wo sie sich im Kampf battlen – kraß! Moderiert wird die Action von Terrorfürst Abu Bakr al-Baghdadi und Sonya Kraus im Burkini. Bestes Fight-Entertainment mit tollen Landschaftsbildern zur Enthauptsendezeit! Außerdem sehenswert: der wöchentliche Literaturclub »Lies!« und die Kuppelshow »Haßblatt«, beides moderiert von Talkmaster Pierre Vogel.
Prognose: Bombastischer Start, aber der Hype wird nicht anhalten. Die ersten Kandidaten haben schon ihre Mütter angerufen und planen die Heimreise. #lame
BR deutsch (Bayerischer Rundfunk)
Weniger Gejodel, weniger Weißbier, mehr Propaganda – so will der Bajuwarische Rundfunk ganz Deutschland zur Dirndlrepublik machen. Der neue Sender wird im Auftrag der Staatspartei CSU kostengünstig von einer Behindertenwerkstatt in Altötting produziert. Das Programm kann sich sehen lassen: Edmund Stoiber moderiert täglich das zehnminütige Reiseformat »Die schönsten Transrapidstrecken Bayerns«, Meister Eder und sein Pumuckl indoktrinieren nachmittags die Hundskrüppel (bayrisch für Kinder), und am Samstagabend unterhält »Die irre Gustl-Mollath-Show« die ganze Familie.
Prognose: Harmlos. Der Drive des Start-Line-ups ist zwar beeindruckend, dürfte aber schnell nachlassen; denn im Prinzip geht einem in Bayern der Rest des Landes »eh am Oarsch vorbei, kruzinesen!«
EDV (Erster Demokratischer Volkssender, Nordkorea)
Gutes altes Fernsehen, nur in schlecht – das ist das Motto des EDV (kurz: 이 조 선 길 이 빛 내 세 조 선 길 이 빛 내). Von den Machern (TV-Jargon) des nordkoreanischen Staatsfernsehens, einem Team um den Unterhaltungsminister Kimchi Yo-Lo. Mit ARD- und ZDF-Unterhaltungssendungen der 80er Jahre will der Asiatensender das deutsche Fernsehpublikum da abholen, wo es sabbernd vor sich hin schlummert. Alte »Wetten, daß...?«-Wetten werden mit 100 Jahre eingelegtem Chinakohl nachgespielt, im Volksdemokratiemusikantenstadl stundenlang der »Fußkranke Führer« besungen. Ziel: Kim Jong-un will im Beliebtheitsranking Angela Merkel überholen. Zwar ist der Sender nur in Norddeutschland zu empfangen, erreicht aber trotzdem bundesweit eine Einschaltquote von 100 Prozent (Quelle: EDV). Wer nicht einschaltet, wird mit dem Tode, Arbeitslager oder gar einem Abendessen mit Frank Elstner bestraft.
Prognose: Na ja. Für 2018 ist die Ausstrahlung der Fußball-WM geplant, allerdings die von 2006, und das auch noch in entschärfter Form (ohne Ball). Geht’s noch?
HSL24 (Home Shopping Luxemburg)
In keinem anderen Schurkenstaat der Welt werden Hände so sauber in Unschuld gewaschen wie in »Kostjanixhausen« (luxemburgisch für Luxemburg). HSL24 wendet sich an alle Deutschen, die Zuflucht vor der »scheiß Geldpolizei« (luxemburgisch für das Finanzamt) suchen. Im abwechslungsreichen Shoppingprogramm findet der geneigte Steuergauner zu horrenden Preisen alles, was sein Herz begehrt: unbeschriebene Steuer-CDs (Rohlinge!), Geldspeicher, Panzerknacker, Reue- und Reisetaschentücher der Edition Hoeneß, Gardinen aus Schweden u.v.m. So werden deutsche Steuermilliarden als harmlose Einkäufe getarnt auf Luxemburger Nummernkonten geschafft, der Fiskus schaut in die Röhre. Potentielle Quotenhits: »Steuertrix – Die ganz legale Finanzjonglage mit Alix Schwarzer« und zum Abschalten »Kunstraub und Krempel«.
Prognose: Aussichtsreich, dem Pay-TV gehört die Zukunft!
ALF (Alien Life Fiction, Andromeda XVI-Galaxie)
Dieser Sender aus den Weiten des Alls arbeitet mit perfider Metapropaganda: Die reptilienköpfigen Programmdirektoren Korg und Günni lassen Dokufictionreihen ausstrahlen, in denen sie auf hanebüchene Art und Weise ihre eigene Existenz nachweisen. Das glaubt am Ende natürlich niemand außer ein paar durchgeknallten Ken-Jebsen-Groupies, die Aliens können weiter im Geheimen operieren. Während der Ausstrahlung werden als Special effect die Gehirnströme der Zuschauer durch radioaktive ektoplasmische Wellen heftig durcheinander geschüttelt. Das Ergebnis ist wieder typisch TV: Verdummung der Spezies Mensch. In »Die Uraußerirdischen« zeigt der Para-Historiker Erich von Däniken beispielsweise Ausgrabungen unbekannter Flugobjekte und versteinerte Laserstrahlen. Tip: Aluhut beim Anschauen unbedingt absetzen!
Prognose: Potential ist vorhanden, möglicherweise sehr bedrohlich. Übermäßiger Konsum könnte zu schweren Hirnverbrennungen führen. Für Alien-Fans dennoch ein Muß!
TV of the Free (USA)
Das Wettrüsten hat wieder begonnen: Kaum bestrahlt der Iwan unser Land mit »RT deutsch«, muß natürlich auch Onkel Sam on air gehen. Mit »TV of the Free« soll nun amerikanisches Kulturgut in die Köpfe der Deutschen gehämmert werden, die sich, abgesehen von wenigen entrückten Obama-Verstehern, bisher weigerten, dem American Way of Life eine Chance zu geben. Blockbuster aus Hollywood, McDonald’s-Propaganda, US-Serien, -Showformate und -Musik sind demnächst erstmals in Deutschland frei empfangbar. Medienexpertin Eva Herman warnt vor einer kulturellen Erektion, meint in Wahrheit aber eine kulturelle Erosion.
Prognose: Brandgefährlich! In nur wenigen Jahren könnte aus unseren Kindern ein Haufen Coca-Cola-trinkender Pepsi-Nerds werden, denen Pharrell Williams bekannter ist als Claus Kleber.
Hauck/Hürtgen/Mateus