Inhalt der Printausgabe

Titanic Technik

 

Die neuen technischen Geräte sind da. Und dieses Mal sind ihre Bildschirme gekrümmt! Nutzloser Unsinn oder totaler Quatsch? Weder noch, sondern der Beginn eines neuen Zeitalters. Ein Ausblick von TITANIC-Technoblogger Moritz Hürtgen.

Wer dieser Tage über eine Elektronikmesse wandelt, sollte direktemang zum Samsung-Stand sausen. Tolle Geräte gibt es da nämlich bei Samsung, und alle sind sie gekrümmt und so wohlgerundet wie die jungen Samsung-Ingenieurinnen, die die guten Samsung-Gadgets im knappen Samsung-Kleid feilbieten. Auch die anderen Hersteller zeigen ihre Technikprodukte. »Curved« sagt der Kenner zum Smartphone, das oben und unten näher ist als in der Mitte, wie zum Fernseher, der einem links und rechts entgegenkommt. Die Vorteile der neuen Form liegen auf der Hand: Wer einen krummen Fernseher hat, kann mittig näher an ihn herantreten als an ein klassisches, gerades Gerät und so die immer zahlreicheren und kleineren Bildpunkte einzeln erkennen, sich dann maßlos ärgern und zähneknirschend ein teureres Gerät mit noch höherer Auflösung kaufen.

Bewiesen ist: Der Markt der Zukunft gehört dem Bieg-Busineß, krumme Geschäfte gilt es zu machen. Handys und TV-Maschinen sind nur Anfang einer totalen, internationalen Kulturrevolution. Konkav, konvex, Stalagmiten, Stalaktiten – deal with it, bitch!

Auf einmal attraktiv: Rundungen

Noch sind Amazon-Rezensenten verwirrt, wenn sie ihr Paket nach zügiger Zustellung – tadellos verpackt, wie von Amazon gewohnt – vor ihrer Webcam öffnen; denken, das enthaltene Produkt strotze vor Fertigungsfehlern, weil es krumm ist; vergeben zum Äußersten entschlossen nur zwei von fünf Sternen; ahnen nicht, daß der Hersteller es todernst meint mit der Kurve im Konsumgut. Bald schon werden sie, die Rezensenten, begreifen, ihr Fazit überarbeiten, die Sternezahl erst auf vier, dann, weil es schon scheißegal ist, auf volle fünf hochschrauben.

Vor einigen Zeilen war von einer totalen, kulturellen Internationalrevolution durch Krümmung die Rede. Dieses steckt dahinter: Das »Heute Journal« auf einem geschwungenen Fernseher. Annahme, Folgepfeil: Neue Moderatoren müssen her, denn nicht jedes Sprechergesicht profitiert vom krummen Bild. Die schöne Gundula Gause wirkt mit einem Mal auf die bizarrste Art und Weise so gräßlich entstellt, daß man es bald nicht mehr ertragen will, Claus Kleber hingegen sieht noch besser aus als eh schon. Makeup-Artists stöhnen, sie müssen demnächst umdenken, in der Mitte viel dicker auftragen als außen.

Immersion pur: Curved-Laptops lassen einen mit der Arbeit verschmelzen

Machen wir uns nichts vor: Privatheit war mal, ist längst passé, am Arsch, vorbei! Fast alles läuft heute im Internetfernsehen, bzw. kann jederzeit hineingestreamt werden ins Programm, wenn in der Nähe nur laut genug etwas explodiert oder sich jemand entkleidet. Alles muß sich also, um auf den Displays dieser neuen Welt nicht total bescheuert zu wirken, an die Krümmung anpassen. Gebogene und geschwungene Autos: alter Hut – von der Seite betrachtet! Aber Autos, die auch krumm sind, wenn man von oben drauf schaut, die immer eine Kurve fahren, außer man steuert links oder rechts gegen, je nachdem, auf welcher Straßenseite man fährt? Alter Hut? Denkste!

Schon Matrix wußte: Die Maschinen beherrschen uns. Wir machen sie nun krumm, sie wirken bald schon auf uns zurück. Skoliose-Patienten jubeln dann auf, sie sind nun die Fotogenen! Der Buckel wird zum Karrieregaranten, die Aktion Mensch wirbt mit ehemaligen Calvin Klein-Models um unser Mitleid und Geld – vom Sexsymbol zum Körperfreak. O du süße Ironie!

Brillant und scharf: Claus Kleber im Curved-TV

Die Krümmung wird auf kurz oder lang zum Politikum, den Wirtschaftseseln von der AfD wird es dämmern: Die verhaßte EU und niemand anderes war es, die die Krümmung der Bananen schon vor Jahrzehnten visionär reglementierte und vorschrieb. Das Ergebnis: Die weltschönsten Bananen kommen aus Europa, Wirtschaftswachstum, Wohlstand. Brüssel steht und glänzt in neuem Licht, Merkel wird in irgendeinen Aufsichtsrat abgeschoben, dann: europäische Armee, Sieg über Rußland im zweiten Anlauf.

Ballerspaß ohne fiese Todestreffer

Kurz nachdem das erste Smartphone gekrümmt wurde: endlich Frieden. Indien, China, USA und Europa rüsten ab, verbiegen alle Panzer- und Gewehrläufe der Welt. Die Suppenteller gewinnen weltweit an Tiefe, kein Mensch muß mehr hungern, paradiesische Zustände auf dem gesamten Erdenrund. Die Wissenschaft eilt und schreitet fort mit großen Schritten. Im Silicon Valley in Kalifornien überkrümmt im Jahr 2037 ein Student die Doppelhelix der menschlichen DNS, der Tod ist besiegt, die Menschen sind frei.

Zum Glück ein Anblick der Vergangenheit: Ungekrümmte Bananen

Wenige Jahre später dann aber womöglich doch ein folgenschwerer Fehler. Die Chinesen experimentieren mit der Krümmung der Raumzeit, innerhalb eines Wimpernschlags flutscht das ganze Universum in sich zusammen und curved wieder auseinander, die Erde kommt als kalter, strahlender Würfel ohne Atmosphäre wieder heraus, von der Sonne fehlt jede Spur. Alles ist recht schnell tot und vorbei.

Krumm gelaufen!

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Aktuelle Cartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Wieso so eilig, Achim Frenz?

Wieso so eilig, Achim Frenz?

Kaum hast Du das Zepter im Kampf um die Weltherrschaft der Komischen Kunst auf Erden in jüngere Hände gelegt, da schwingst Du Dich nach so kurzer Zeit schon wieder auf, um in den höchsten Sphären für Deine Caricatura zu streiten.

Mögest Du Dir auch im Jenseits Dein beharrliches Herausgeber-Grummeln bewahren, wünscht Dir zum Abschied Deine Titanic

 Ciao, Luisa Neubauer!

»Massendemonstrationen sind kein Pizza-Lieferant«, lasen wir in Ihrem Gastartikel auf Zeit online. »Man wird nicht einmal laut und bekommt alles, was man will.«

Was bei uns massenhaft Fragen aufwirft. Etwa die, wie Sie eigentlich Pizza bestellen. Oder was Sie von einem Pizzalieferanten noch »alles« wollen außer – nun ja – Pizza. Ganz zu schweigen von der Frage, wer in Ihrem Bild denn nun eigentlich etwas bestellt und wer etwas liefert bzw. eben gerade nicht. Sicher, in der Masse kann man schon mal den Überblick verlieren. Aber kann es sein, dass Ihre Aussage einfach mindestens vierfacher Käse ist?

Fragt hungrig: Titanic

 Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

als Ihr eine Folge Eures Pärchenpodcasts »Feel the News« mit »Das Geld reicht nicht!« betiteltet. Da fragten wir uns, was Ihr wohl noch haben wollt: mehr Talkshowauftritte? Eine Homestory in der InTouch? Doch dann hörten wir die ersten zwei Minuten und erfuhren, dass es ausnahmsweise nicht um Euch ging. Ganz im Sinne Eures Formats wolltet Ihr erfühlen, wie es ist, Geldsorgen zu haben, und über diese Gefühle dann diskutieren. Im Disclaimer hieß es dann noch, dass Ihr ganz bewusst über ein Thema sprechen wolltet, das Euch nicht selbst betrifft, um dem eine Bühne zu bieten.

Ihr als Besserverdienerpärchen mit Loft in Prenzlauer Berg könnt ja auch viel neutraler und besser beurteilen, ob diese Armutsängste der jammernden Low Performer wirklich angebracht sind. Leider haben wir dann nicht mehr mitbekommen, ob unser Gefühl, Geldnöte zu haben, berechtigt ist, da wir gleichzeitig Regungen der Wohlstandsverwahrlosung und Realitätsflucht wahrnahmen, die wir nur durch das Abschalten Eures Podcasts loswerden konnten.

Beweint deshalb munter weiter den eigenen Kontostand: Titanic

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg