Inhalt der Printausgabe

FAQ

Keine Angst vor deutschen Ämtern!

Eine kleine Handreichung für Sozialtouristen aus der EU

»Arbeitnehmerfreizügigkeit« und »Niederlassungsfreiheit« – was wie komplizierte Fachtermini aus dem Geschlechtsleben Brüsseler Bürokraten klingt, sind in Wahrheit Zauberworte, die EU-Bürgern die Tür in eine sorgenfreie Zukunft öffnen, seit Jahresbeginn sogar jenen aus dem äußersten Südosteuropa. Doch egal, woher Sie gerade kommen: Lassen Sie sich diesen Text übersetzen, und dann los! Das deutsche Sozialsystem lohnt jeden Weg.

 

Massenhafter Sozialmißbrauch – wie kann ich da mitmachen?
Reisen Sie einfach nach Deutschland ein und lassen Sie die Dinge auf sich zukommen: schöne Dinge, wertvolle Güter, große Geldscheine! Mehr als eine Million Ausländer machten 2013 von dieser Möglichkeit Gebrauch. In den ersten drei Monaten Ihres Aufenthaltes brauchen Sie als EU-Bürger nichts weiter als einen gültigen Ausweis. Alles weitere hängt von Ihrem Geschick ab. Für die anschließende Zeit müssen Sie nämlich eine Anstellung oder eine selbständige Erwerbstätigkeit nachweisen.

Haben oder nachweisen?
Nachweisen.

Muß ich denn ein schlechtes Gewissen haben oder wenigstens vortäuschen, wenn ich deutsche Sozialleistungen erschleichen möchte?
Nein. Die Gesetze laden zum Mißbrauch geradezu ein. Solche Einladungen aber darf man nicht ausschlagen, sonst macht man sich im Gastland unbeliebt. Außerdem sorgt die EU seit Jahrzehnten dafür, daß Banken und Konzerne ungeniert Milliarden an Staatsgeldern einstreichen können. Jetzt sind mal die kleinen Leute dran.

Turbogeilomat. Und diese Sozialleistungen kriege ich gleich nach meiner Ankunft?
Leider nein. In den ersten drei Monaten haben Sie keinen Anspruch auf Sozialleistungen. Unter bestimmten Bedingungen gibt es Ausnahmen; auf die möchte ich aber erst später zu sprechen kommen.

Fick dich, du Spießer. Und was soll ich dann also tun?
Irgendwie die drei Monate überbrücken. Sie können ein schickes Gewerbe anmelden und nebenher schwarzarbeiten oder coole Gelegenheitsjobs in der boomenden Kriminalitätsbranche annehmen. Oder Sie tun, was Ausländer halt so tun: rauchend und palavernd an Straßenecken oder in Cafés rumhängen. Und dann hin und wieder überraschend hektisch durch die Gegend sausen und Sachen machen, Dinge checken, Krams verticken.

Klingt nicht schlecht, aber wie komme ich danach endlich in den Genuß der renommierten deutschen Sozialleistungen?
Als Selbständiger sollten Sie bereits ein Gewerbe angemeldet haben – und dann nicht davon leben können. Dabei sind Ihnen deutsche Geschäftspartner gerne behilflich, für die Sie offiziell als Subunternehmer tätig sein können, beispielsweise auf dem Bau, in der Müll- oder Geldentsorgung. Die erledigen für Sie auch den unangenehmen Papierkram. Achten Sie aber darauf, sich von Ihren Partnern nur ganz wenig zahlen zu lassen. Dazu sind diese in der Regel freiwillig bereit. Dann können Sie beim Amt Aufstockungsleistungen bis auf Hartz-IV-Niveau beantragen – derzeit immerhin satte 391 Euro pro Monat plus Ihre Unterkunftskosten gratis obendrauf! Das entspricht etwa dem gesamten Sozialetat Ihres Heimatlandes.

Und als Arbeitnehmer? Kann ich irgendwas tun, um Deutschen ihre Jobs wegzunehmen?
Sie könnten mit Ihrer besseren Qualifikation auftrumpfen und einen regulären Arbeitsplatz in Forschung, Lehre oder Raumfahrt annehmen. Nach einem Jahr im Beruf haben Sie einen sechsmonatigen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben, für dessen Höhe es in Ihrer Sprache gar kein Zahlwort gibt.

Hey, war nur Spaß! Was geht fixer und erfordert kein umständliches Deutschlernen? Lumpensammeln, Spülen in Spülküchen oder Putzen in der giftverarbeitenden Industrie ist wahrscheinlich nichts für Sie, aber im Augenblick werden in Deutschland gute Bettler händeringend gesucht. Auch fürs Musizieren auf Straßen, Plätzen und in der U-Bahn sind sich die meisten Deutschen inzwischen zu fein. Der ewige Geheimtip für Zuwanderer bleibt natürlich Prostitution.

Klingt ja anstrengend. Geht’s nicht einfacher? Gibt es nicht doch Geld, das mir sofort zusteht? Ich meine: Ich bin nicht irgendein dahergelaufener Ausländer, ich bin Bürger der mächtigen Europäischen Union.
Gut, jetzt verrate ich Ihnen was Tolles: Wenn Sie Kinder haben, haben Sie Anspruch auf Kindergeld! Ab dem ersten Tag in Deutschland! Das sind 184 Euro im Monat für die ersten beiden Kinder und noch ein paar Euro mehr für jedes weitere. Der Clou: Die Kinder müssen nicht einmal mit Ihnen hier in Deutschland leben, sondern können noch in Ihrem Heimatland dahinvegetieren. Das bedeutet auch: Wenn Sie keine Kinder haben, aber daheim einen Kumpel bei der Meldebehörde, sind Ihrer Phantasie keine Grenzen gesetzt.

Wow! Und wenn ich auf keinen Fall arbeiten will: Wie sieht es denn aus mit diesem Hartz IV, von dem bei uns zu Hause alle schwärmen?
Schwierig, aber nicht unmöglich. Eigentlich will die deutsche Sozialgesetzgebung nicht, daß Sie als arbeitsscheuer EU-Ausländer Hartz IV bekommen. Einzelne Gerichte haben aber schon anders entschieden. Zudem hat die EU-Kommission soeben erst gefordert, daß sogar ausdrücklichen Arbeitsverweigerern die Hilfe nicht pauschal verweigert werden darf, und eine Einzelfallprüfung in jedem Verfahren angemahnt. Das schreit geradezu nach gerichtlicher Klärung. Besorgen Sie sich einen guten, günstigen Anwalt, z.B. aus Rumänien.

By the way: Warum hat Hartz IV bei den Deutschen eigentlich so einen schlechten Ruf?
Es handelt sich durchaus um eine ordentliche Stange Geld, aber für autochthone Deutsche mit ihren angeborenen höheren Ansprüchen ist es letztlich nicht genug. Auch Sie werden verblüfft feststellen, daß man sich mit den üppigen deutschen Sozialleistungen zwar jede Menge Elektroschrott aus dem Media Markt leisten kann, aber keine Dreizimmerwohnung in halbwegs ordentlicher Umgebung.

Muß ich mich als EU-Ausländer denn wirklich integrieren oder qualifizieren lassen?
I wo! Wenn Sie unter Ihresgleichen wohnen bleiben, können Sie Ihre liebenswerten Traditionen bewahren und den Müll ruhig weiter aus dem Fenster werfen. Vielleicht trifft er ja keinen Falschen, sondern einen Deutschen.

Was ist mit Urlaubsanspruch? Ich hätte Lust, mir andere europäische Länder und Städte anzuschauen. Kopenhagen soll hübsch sein, habe ich gehört.
Nur zu. Sie sind Europäer und haben den gleichen Anspruch auf Sehenswürdigkeiten wie wir anderen. Der Bezug von Sozialleistungen ist in Dänemark allerdings komplizierter, weil es dort den Euro nicht gibt und das Geld deshalb nicht mit beiden Händen aus dem Fenster geworfen wird, sondern nur mit einer Hand aus dem Schornstein gereicht.

Riskiere ich etwas, wenn mein Sozialbetrug auffliegt?
Höchstens Gefängnis, aber auch da ist es natürlich immer noch besser als in Ihrer Heimat. Es gibt jedoch eine Partei namens CSU, die Sie dann gerne ausweisen lassen würde. Die befindet sich aber gerade mitten im Kommunalwahlkampf und freut sich über jede Unterstützung. Betrügen Sie also nach Herzenslust weiter.

Gesetzt den Fall, meine Anträge auf Sozialleistungen werden allesamt abgelehnt, weil ich zu faul war, mich an diese Empfehlungen zu halten: Kann man »da nicht vielleicht doch was machen«?
Selbstverständlich. Deutschland ist ja gar nicht so etepetete, wie es immer tut. In vielen Fällen wirkt eine persönlich der Sachbearbeiterin gewidmete Bearbeitungsgebühr Wunder. Vorsicht allerdings vor der einen Tante von Transparency International, die man immer im Fernsehen herumzetern sieht. Passen Sie auf, daß Sie der Dame nicht versehentlich ein paar Scheine rüberschieben.

 

Mark-Stefan Tietze

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Briefe an die Leser

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

 Anpfiff, Max Eberl!

Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

 Erwischt, Bischofskonferenz!

In Spanien haben sich Kriminelle als hochrangige Geistliche ausgegeben und mithilfe künstlicher Intelligenz die Stimmen bekannter Bischöfe, Generalvikare und Priester nachgeahmt. Einige Ordensfrauen fielen auf den Trick herein und überwiesen auf Bitten der Betrüger/innen hohe Geldbeträge.

In einer Mitteilung an alle kirchlichen Institutionen warntest Du nun vor dieser Variante des Enkeltricks: »Äußerste Vorsicht ist geboten. Die Diözesen verlangen kein Geld – oder zumindest tun sie es nicht auf diese Weise.« Bon, Bischofskonferenz, aber weißt Du, wie der Enkeltrick weitergeht? Genau: Betrüger/innen geben sich als Bischofskonferenz aus, raten zur Vorsicht und fordern kurz darauf selbst zur Geldüberweisung auf!

Hat Dich sofort durchschaut: Titanic

 Ach, Taube,

Ach, Taube,

die Du in Indien wegen chinesischer Schriftzeichen auf Deinen Flügeln acht Monate in Polizeigewahrsam verbracht hast: Deine Geschichte ging um die Welt und führte uns vor Augen, wozu die indische Fashion-Polizei fähig ist. Aufgrund Deiner doch sehr klischeehaften Modetattoos (chinesische Schriftzeichen, Flügel) fragen wir uns aber, ob Du das nicht alles inszeniert hast, damit Du nun ganz authentisch eine Träne unter dem Auge oder ein Spinnennetz auf Deinem Ellenbogen (?) tragen kannst!

Hat Dein Motiv durchschaut: Titanic

 Genau einen Tag, Husqvarna Group (Stockholm),

nachdem das ungarische Parlament dem Nato-Beitritt Schwedens zugestimmt hatte, mussten wir was auf heise.de lesen? Dass auf Deinen Rasenmähern der »Forest & Garden Division« nach einem Software-Update nun der alte Egoshooter »Doom« gespielt werden kann!

Anders gesagt: Deine Divisionen marodieren ab sofort nicht nur lautstark mit Rasenmähern, Traktoren, Motorsägen, Motorsensen, Trennschleifern, Rasentrimmern, Laubbläsern und Vertikutierern durch unsere Gärten, sondern zusätzlich mit Sturmgewehren, Raketenwerfern und Granaten.

Falls das eine Demonstration der Stärke des neuen Bündnispartners sein soll, na schön. Aber bitte liefere schnell ein weiteres Software-Update mit einer funktionierenden Freund-Feind-Erkennung nach!

Hisst die weiße Fahne: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
18.04.2024 Berlin, Heimathafen Neukölln Max Goldt
18.04.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt