Inhalt der Printausgabe

Wahl-O-Mat, »Welche Stadt paßt zu dir?«-Tests und Kettenmails – der Mensch ist im Internet heute nur mehr eine Laborratte für ungeheure Psycho-Experimente. Die kürzlich bekannt gewordene Skandalstudie von Facebook ist dabei nur die Spitze der Medaille. TITANIC deckt auf!

Bis vor kurzem galten die sozialen Netzwerke und Plattformen des Internets den Menschen als Orte, an denen sie ihre intimsten Gedanken und Gefühle problemlos und sicher parken können. Unknackbare Paßwörter wie »Schatzi123«, so dachten sie, verhindern Fremdzugriff und den Mißbrauch der sensiblen Informationen, die man täglich auf Facebook und Co. ablädt. Ein fataler Irrtum. Das Web 2.0 ist heute nicht mehr nur Ort der kurzweiligen Mittagspausenmail und des fröhlichen »Asian Teen Abused«-Pornokonsums. Es hat seine Unschuld verloren, ist zur Perversion einer psychiatrischen Versuchsanstalt verkommen. Unser Browser ist die Fähre, auf der Leonardo DiCaprio nach Shutter Island übersetzt. Dort blühen Manipulation, Gehirnwäsche und abartige Versuchsreihen wie diese:

Das Tumblr-Experiment

»Tumblr ist eine amerikanische Blogging-Plattform, auf der Nutzer vornehmlich Bilder einstellen, sichten und weiterverbreiten« – so dachte man bis vor kurzem und lag weit daneben. In Wahrheit handelt es sich bei Tumblr um eine Bewußtseinsstudie gigantischen Ausmaßes. Erdacht wurde sie in einer geheimen Besenkammer des Kremls: Moskau wandelt jede hochgeladene Datei der vorwiegend amerikanischen Blogger in ein zufällig generiertes Tintenklecksbild um und leuchtet so deren Psyche aus. Die russischen Wissenschaftler teilen die Nutzer aufgrund dieser Erkenntnisse nun in Gruppen ein: 59 Prozent sehen entweder Katzen- oder Hundewelpen und sind darauf so fixiert, daß ein »Katzenseher« einen »Hundeseher« im Konfrontationsfall sofort und ohne Reue erschlagen würde (und umgekehrt); 38 Prozent sehen in den Tintenklecksen kunstvoll angerichtete Speisen, die sie als »Food Porn« wahrnehmen, während sie Tütensuppe von Knorr löffeln; nur drei Prozent sehen in den Klecksen normale menschliche Pornographie in allen Facetten und dürfen also als geistig gesund gelten. Gruselig: In den Kreml-Labors herrscht derzeit wegen einer unvorhergesehenen Entwicklung Aufregung. Das Experiment droht außer Kontrolle zu geraten, immer mehr Nutzer fangen beim Betrachten der Tintenkleckse an zu halluzinieren, die Bilder fangen an, sich in Endlosschleife zu bewegen (sog. GIF-Effekt).

Die Akte »Google+«

Gustl Mollath (57, Name geändert), ein unbescholtener Messerstecher aus Nürnberg, ist das Opfer der beispiellosen Versuchsreihe »Google+«, die von 1998 bis 2014 unentdeckt von der amerikanischen CIA durchgeführt wurde. Die Agenten schufen den milliardenschweren Netzkonzern Google allein mit der Absicht, Mollath glaubwürdig in ein soziales Netzwerk zu locken, in dem er dann der einzige Teilnehmer war. Im Glauben, mit 540 Millionen anderen Menschen, darunter Papst Benedikt XVI., verbunden zu sein, teilte er seit 2011 in seinen Statusupdates Lieblingsmusik und dubiose Geldanlagetips mit seinen imaginären Freunden. Einziger Empfänger war jedoch ein Superrechner der CIA, der die Auswirkungen sozialer Netzwerke auf die menschliche Psyche auswerten sollte. Im Februar 2014 spuckte der Computer nach kurzer Überlegung schließlich dieses nüchterne Fazit aus: »Patient Mollath, G. (DE): I swear to god, this guy is totally freakin’ nuts! Arrest immediately!«

Psycho-Leak exklusiv: Geheimes Twitter-Protokoll der NSA

07:53 Uhr Versuch beginnt, Patient mit SMS geweckt (»Entschuldigung, verwählt!«)

07:55 Uhr Frontkamera des Smartphones aktiviert […] Patient ist wach, geht bei Twitter online […]

07:59 Uhr […] Pupillen für einen Kokainsüchtigen normal, Patient veröffentlicht ersten Tweet des Tages (»#GutenMorgen! Was für ein schönes Wetter in Hamburg. Stay tuned!«)

08:01 Uhr Eingriff #1: Tweet des Patienten 54 mal retweetet, 97 neue Follower hinzugefügt […] Patient blickt verwundert, dann erfreut und eitel […] beginnt, sich unbewußt im Schambereich zu reiben […]

08:04 Uhr […] tiefe, beinahe stöhnende Atmung […]

08:05 Uhr […] unerträgliches Grinsen […] Patient setzt zweiten Tweet ab (»Heute Interview mit der Kanzlerin für @DerSpiegel #großeEhre«) […]

08:06 Uhr Eingriff #2: weitere 950 Retweets, 1258 neue Follower hinzugefügt […] heftigeres Reiben und Fuchteln im Schambereich […] Patient schwitzt […]

08:09 Uhr […] allgemeine Errötung des Gesichts und der Brust […] heftig stöhnende Atmung, wildes Zucken, tollwütige Augen, knackender Kiefer […]

08:10 Uhr […] Patient schreit kurz laut auf, sinkt dann schlaff in sich zusammen […]

08:11 Uhr Kamera total verschmiert und verklebt, Bild schlecht […] Patient setzt an, einen dritten Tweet zu verfassen […] schläft dabei ein […]

11:12 Uhr Eingriff #3: Alle Follower auf einen Schlag entfernt, Patient geweckt (SMS
 »Ups, schon wieder!«)

11:13 Uhr […] Patient liest »0 Follower«[…] ungläubiges Lächeln, Schaum vor dem Mund […] schnaubt vor Wut, lacht wie von Sinnen […] schmettert Smartphone gegen die Wand […]

11:14 Uhr Gerät zerstört und offline, Patient @NikolausBlome verloren

Operation Thekla

Der Umzug von Pullach nach Berlin sorgt nicht nur dafür, daß die Agenten des BND künftig mit Jutetasche und Bionade im Mastdarm auf ihren Single-Speed-Rädern in die Arbeit kurven; ihnen bieten sich außerdem modernste Möglichkeiten der digitalen Spionage und Forschung. Mit ihrem ersten Berliner Projekt, der geheimen Operation Thekla, wollen sie ihren CIA- und NSA-Kollegen nacheifern und dem deutschen Bürger auf den Psycho-Zahn fühlen. Ab 2017 soll der IT-Experte des BND, Deckname »Fuchshorst«, das soziale Netzwerk MeinVZ infiltrieren. Fuchshorst plant laut durchgesickerter Informationen (in der Mensa verplappert), gut ein Dutzend Fake-Profile auf der Plattform zu erstellen, allesamt jung, weiblich und »barbusig, huiuiui, ich hab da schon Bilder bei Google...«. Männliche Nutzer sollen dann so lange »gegruschelt« werden, bis sie intimste Geheimnisse preisgeben. Dieses Wissen wird von den Agenten nach Lustigkeit ausgewertet und Kanzlerin Merkel vorgelegt, wenn sie mal einen schlechten Tag hat (wg. Rußland).

Moritz Hürtgen

ausgewähltes Heft

Aktuelle Cartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Nice one, Ted Cruz!

Sie sind US-Senator und mittlerweile auch hierzulande als rechter Hardliner und Schwurbelkopf der Republikaner halbwegs bekannt. Derzeit setzen Sie sich für die Begrenzung auf zwei Amtszeiten für Senator/innen ein. Und wollen gleichzeitig für eine eigene dritte kandidieren.

Diesen Ansatz finden wir sehr vielversprechend, um die Anliegen Ihrer Partei durchzubringen. Sie sollten ihn unbedingt auch auf andere Themen anwenden! Unsere Vorschläge: Waffenniederlegungen gegen schärfere Waffengesetze, Abtreibungskliniken gegen Abtreibungen und offene Grenzen gegen Einwanderung.

Für weitere Tipps stehen jederzeit zur Verfügung:

Ihre Snowflakes von Titanic

 Bssssssssssssss, Bienen!

Bssssssssssssss, Bienen!

In den USA ist gerade ein Impfstoff für Euch freigegeben worden, nämlich gegen die Amerikanische Faulbrut, die Euch seit einer Weile dahinrafft. Nun wollten wir schon höhnen: »Haha, jetzt wird zurückgestochen! Da merkt Ihr mal, wie unangenehm das ist«, doch dann lasen wir die entsprechende Meldung genauer und erfuhren, dass das Vakzin gar nicht injiziert, sondern dem Gelée Royale für Eure Königinnen beigemengt wird. Erschreckend, wie sich wieder einmal die Impfgegner/innenlobby durchgesetzt hat!

Zeichnet somit erst mal keine Beeontech-Aktien: Titanic

 Gute Idee, Porsche-Vorständin Barbara Frenkel …

Sie haben Ihre Erwartung zum Ausdruck gebracht, dass die Regierung das (zufälligerweise auch von Porsche produzierte) synthetische Benzin, also E-fuels, subventionieren und somit billiger machen müsse. Denn: »Der Kraftstoff, den wir herstellen, ist viel zu teuer, als dass wir ihn so verwenden könnten.«

Dieser Superidee schließen wir uns gerne an: Wir tippen jetzt jedes Heft auf unseren eigens entwickelten »E-tools« (Kryptotinte), aber weil das doch aufwendiger ist als die Arbeit am PC, fordern wir dann gemeinsam mit Porsche Geld vom Staat, um die Heftkosten zu drücken, ja? Nein? Dann sehen Sie bitte endlich ein, dass Sie sich mit Ihrer ineffizienten Deppentechnologie auf dem Markt nicht durchsetzen werden, und sagen Sie Ihren peinlichen Brummbrumms Lebewohl.

Wünscht Ihnen keine gute Fahrt: Titanic

 Hallo, Literaturkritik!

Was ist los mit Dir? Alt geworden? Müde? Wir waren doch so gut aufeinander eingespielt: Du liest ein neues Werk von Raphaela Edelbauer (»Das flüssige Land«, 2019 / »Dave«, 2021), gerätst aus dem Häuschen, schreibst irgendwas wie »sprachlich souverän« und »Raffinesse« und »Kafka« und »enorme Sprachmächtigkeit« und abermals »Kafka«, und wir schauen uns das schwergelobte Werk etwas genauer an und finden lauter wundersame Stellen, die Du wahrscheinlich überlesen hast: »Der ganze Raum zitterte glückselig vor Neid wie ein trotziger Block Aspik« zum Beispiel. Oder: »Selbst wenn jemand bloß geschäftig und zielgerichtet den Gang hinunterging, war sein Streben vom Habitus eines Handgemenges«. Oder: »Da richtete sich Pawel jäh auf, und die Lider waren wie von transparenten Seilen an der Stirn aufgerafft.«

So weit, so gewohnt. Aber jetzt? Erscheint »Die Inkommensurablen«, Edelbauers dritter Roman in knapp dreieinhalb Jahren – und Du, Literaturkritik, versagst plötzlich. Mäkelst rum! Erstmalig! Hältst das zwar alles weiterhin für »glänzend« und »klaren Stil«, meinst aber, dass sich »da und dort kleine Fehler eingeschlichen« hätten; findest das Buch stur »faszinierend«, aber auch »faszinierend misslungen«; attestierst auf einmal »Manierismus«, ja stellst (mit dem Spiegel) die ganz großen bangen Fragen: »Mist oder Musil?«

Heißt das, dass Dir allmählich was schwant? Dass Du Lunte gerochen hast? Verdacht schöpfst? Dass Dir an Sätzen wie »Dessen Reaktion produzierte eine ungeheure Diskrepanz« oder »Junge Charmeure in Militäruniform liefen ein paar Mädchen nach, die sich beim Kaufen einer Brezel aus der Auslage eines groben Böhmen kokett umdrehten« irgendwas auf-, irgendwas missfällt – Du weißt nur noch nicht, was genau?

Und also R. Edelbauer bloß noch sieben oder acht Romane schreiben muss, bist Du in zehn oder elf Jahren auf dem Laufenden bist, was die Sprachmächtigkeit dieser Art von Literatur betrifft?

Na dann – durchhalten!

Wünscht Titanic

 Ach, »Welt«,

wohl mangels Materials bewarbst Du online einen sieben Jahre alten Artikel aus dem Archiv, und zwar mit den Worten: »Wenn ihr diese Wörter benutzt, wirkt ihr intelligenter.« Dazu ein wahlloses Foto einer jungen Frau.

Nun wollen wir Dich nicht enttäuschen, müssen aber doch auf einen wichtigen Umstand hinweisen, der Dir anscheinend entgangen ist. Man muss nämlich nicht nur bestimmte Wörter benutzen, um intelligent zu erscheinen, sondern diese auch noch in eine komplizierte Reihenfolge bringen, die oft ganz entscheidend ist.

Dumm für oft Welt hält Journalist/innen: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 It’s not a Bug

Als Gregor Samsa, Programmierer, eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett erfreulicherweise zu einem ungeheueren Feature verwandelt.

Christian Kroll

 Post vom Mediator

Beigelegt: ein Streit.

Andreas Maier

 Medienkritik

Ich kann diese Parfum-Influencer auf Youtube einfach nicht riechen.

Fabian Lichter

 Beim mittelmäßigen Zahnarzt

»Bitte weit aufmachen! Nicht erschrecken, meine Mundhöhlentaschenlampe ist mir vorhin ins Klo gefallen, ich muss eine Wunderkerze benutzen.«

Torsten Gaitzsch

 Marktregeln

Leuten, denen es in der Supermarktschlange nicht schnell genug geht und die deshalb eine unschuldige Mitarbeiterin ankeifen, fehlt das nötige Kassenbewusstsein.

Viola Müter

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 24.02.:

    Die Deutsche Welle über das Krieg-Spezial im aktuellen Heft und andere themenverwandte Titel (Artikel in russisch, aut. Übersetzung).

  • 10.02.:

    Spiegel berichtet: "EU-Untersuchung Russland soll Fake-'Titanic'-Titelseiten verbreitet haben"

  • 10.01.: "Der Teufel vom Dachboden" – Eine persönliche Pardon-Geschichte in der Jungen Welt von Christian Y. Schmidt.
  • 13.12.:

    Anlässlich des 85. Geburtstages Robert Gernhardts erinnert Christian Y. Schmidt in der Jungen Welt an den Satiriker und Vermieter.

  • 26.10.:

    Chefredakteurin Julia Mateus spricht über ihren neuen Posten im Deutschlandfunk, definiert für die Berliner-Zeitung ein letztes Mal den Satirebegriff und gibt Auskunft über ihre Ziele bei WDR5 (Audio). 

Sonneborn/Gsella/Schmitt:  "Titanic BoyGroup Greatest Hits"
20 Jahre Krawall für Deutschland
Sie bringen zusammen gut 150 Jahre auf die Waage und seit zwanzig Jahren die Bühnen der Republik zum Beben: Thomas Gsella, Oliver Maria Schmitt und Martin Sonneborn sind die TITANIC BoyGroup. In diesem Jubiläumswälzer können Sie die Höhepunkte aus dem Schaffen der umtriebigen Ex-Chefredakteure noch einmal nachlesen. Die schonungslosesten Aktionsberichte, die mitgeschnittensten Terrortelefonate, die nachdenklichsten Gedichte und die intimsten Einblicke in den SMS-Speicher der drei Satire-Zombies – das und mehr auf 333 Seiten (z.T. in Großschrift)!Wenzel Storch: "Die Filme" (gebundene Ausgabe)
Renommierte Filmkritiker beschreiben ihn als "Terry Gilliam auf Speed", als "Buñuel ohne Stützräder": Der Extremfilmer Wenzel Storch macht extrem irre Streifen mit extrem kleinen Budget, die er in extrem kurzer Zeit abdreht – sein letzter Film wurde in nur zwölf Jahren sendefähig. Storchs abendfüllende Blockbuster "Der Glanz dieser Tage", "Sommer der Liebe" und "Die Reise ins Glück" können beim unvorbereiteten Publikum Persönlichkeitstörungen, Kopfschmerz und spontane Erleuchtung hervorrufen. In diesem liebevoll gestalteten Prachtband wird das cineastische Gesamtwerk von "Deutschlands bestem Regisseur" (TITANIC) in unzähligen Interviews, Fotos und Textschnipseln aufbereitet.
Zweijahres-Abo: 117,80 EUR
Titanic unterwegs
21.03.2023 Koblenz, Ganz Ohr Max Goldt
23.03.2023 Köln, Comedia Max Goldt
23.03.2023 Neuruppin, Kulturhaus Martin Sonneborn mit Gregor Gysi
25.03.2023 Meinerzhagen, Stadthalle Martin Sonneborn