Inhalt der Printausgabe

Hurra, die Bettler kommen! (2/3)

Containern mal anders

Herr Anonymus
»Haben Sie da eine
Zerti­fi­zierung?«

Herr Anonymus (mit der Tür ins Haus) Sie wissen schon, daß der Begriff »Rotes Kreuz« geschützt ist?

TITANIC Genau. Deswegen heißen wir ja auch »Rotes Kreuz ohne Grenzen«.

Herr Anonymus Sie suggerieren, daß es da eine Verbindung zum »Roten Kreuz« gibt.

TITANIC (unbeeindruckt) Nein, zu »Rotes Kreuz ohne Grenzen«. Darf ich fragen, warum Sie sich da irritiert fühlen, sind Sie Mitarbeiter vom »Roten Kreuz«?

Herr Anonymus Nein, ich bin nicht Mitarbeiter des »Roten Kreuzes«. Ich frage, weil Aufrufe für irgendwelche Spenden unter dem Signet von eher bekannten Organisationen ja öfters mal kommen.

TITANIC Ja, aber in diesem Fall ist das ja transparent. Diese Gegenstände gehen ja nicht an das »Rote Kreuz ohne Grenzen«, sondern an die Bettler. Das ist ganz seriös und offiziell.

Herr Anonymus Offiziell, was heißt offiziell? Haben Sie vom Ordnungsamt eine Genehmigung für die Sammlung?

TITANIC Wir arbeiten mit dem Magistrat zusammen. Das können Sie auch dem Flyer entnehmen. Das ist die Frau Dr. Staniewscu, die direkte Ansprechpartnerin, Referatsleiterin des Sozialdezernenten. Sie können jederzeit…

Herr Anonymus (investigativ) Und was bezwecken Sie damit?

TITANIC Die Bettler mit Gegenständen auszustatten, die von den Einwohnern Frankfurts nicht mehr benötigt werden. Es gibt dabei nur Gewinner.

Herr Anonymus Wer ist denn Ihr Chef?

TITANIC Der Herr König.

Herr Anonymus Der Herr König, haben Sie da eine Adresse von dem?

TITANIC Nein.

Herr Anonymus Wenn ich Sie besuchen will, dann muß ich ja irgendwo hingehen können.

TITANIC Wir kommen ja vorbei, das ist ja…

Herr Anonymus (an der Seriosität zweifelnd) Ja, aber das läßt mich jetzt aber doch an der Seriosität zweifeln, wenn ich Sie nicht besuchen kann, um mir selbst ein Bild zu machen. Es gibt ja Spendensiegel. Haben Sie da eine Zertifizierung?

TITANIC (selbstbewußt) Nein, das brauchen wir nicht.

Herr Anonymus (baff) Das brauchen Sie nicht?

TITANIC Nein, schaun Sie, wenn Sie einem Bettler in der Innenstadt etwas in den Hut werfen, dann läuft das ja auch unbürokratisch über die Bühne.

Herr Anonymus Ja, aber die machen ja keine schriftliche Werbung und nennen sich nicht »Rotes Kreuz ohne Grenzen«. Das machen Sie aber.

TITANIC Genau.

Herr Anonymus (bohrend) Ja, da gehe ich doch davon aus, daß Sie irgendwo eingetragen sind. Sind Sie denn ein Verein? Was sind Sie denn? Ich möchte gerne mal wissen, wie ist Ihre Adresse, wo kann ich Sie besuchen, mit wem kann ich da sprechen, um mich von der Seriosität zu überzeugen? Sie können doch nicht einfach irgend etwas in die Welt setzen!

TITANIC Das Beste wird sein, Sie warten ab, bis der Mittwoch kommt, und dann können Sie uns…

Herr Anonymus Nee, das kann ich nicht machen, das ist alles sehr unseriös. Ich glaube, das sollte man an die Presse geben, was Sie da treiben.

TITANIC Das tut mir wirklich leid, wenn Ihnen das unseriös….

Herr Anonymus Sie können ja meine Bedenken ausräumen. Sagen Sie mir, wo ich mich erkundigen kann.

TITANIC (sachlich) Vor Ihrer Haustür. Was möchten Sie denn spenden?

Herr Anonymus Bevor ich irgend etwas spende, will ich wissen, um was es geht. Deshalb gibt es ja auch Spendensiegel.

TITANIC Nein, von so etwas haben wir uns verabschiedet.

Herr Anonymus Hatten Sie einmal eines?

TITANIC Wenn man mit Spendensiegeln anfängt, dann landet man bei irgendwelchen Formularen und unschönem Papierkram. Da ist niemandem gedient, weder den Bürgern, die unbürokratisch ihre Altlasten auf die Straße stellen möchten, noch den Bettelnden.

Herr Anonymus Also, Sie wollen mir weder eine Adresse geben…

TITANIC Weil die sich permanent ändert.

Herr Anonymus Die ändert sich permanent, also, das ist – quasi reisen Sie von Hotel zu Hotel.

TITANIC (offen) Hotels sind das nicht. Das sind auch manchmal leerstehende Schulen.

Herr Anonymus In leerstehenden Schulen läßt sich das »Rote Kreuz ohne Grenzen« nieder? Sie werden zugeben, daß das alles nicht seriös klingt. Welche Schule steht denn in Frankfurt im Moment leer?

TITANIC Jetzt sind wir schon wieder woanders.

Herr Anonymus Jetzt sind Sie woanders? Wo sind Sie denn? Ich versuche, Ihre Adresse herauszubekommen. Ich habe Ihnen doch gesagt, ich würde mich gerne von der Seriosität überzeugen und würde das »Rote Kreuz ohne Grenzen« – Sie haben ja keinen Krankenwagen oder kein Sammelauto – aber ich würde es gerne einmal sehen.

TITANIC Wir haben einen Leiterwagen. Mehrere sogar.

Herr Anonymus Mehrere Leiterwagen, okay. Ich komme viel in der Stadt herum. Das ist mir noch nie aufgefallen. Ich versuche doch, Ihnen goldene Brücken zu bauen, damit Sie mich fürs Spenden überzeugen können. Von Ihnen kommt aber nur heiße Luft, das muß ich mal so sagen.

TITANIC Na gut, wir möchten Sie auch nicht zu etwas zwingen. Sie müssen sich ja an dieser Spendenaktion nicht beteiligen, aber wenn Sie sich, wie gesagt, am kommenden Mittwoch ab mittags in Ihrer Straße positionieren, dann werden Sie unsere Mitarbeiter und die Bettelnden sehen und können sich von deren Seriosität überzeugen.

Herr Anonymus Mich würde trotzdem interessieren, wer der Vereinsvorsitzende ist, und daß ich mit dem vielleicht mal reden könnte. Und wie war Ihr Name noch mal?

TITANIC Mein Name ist König…

Herr Anonymus Wie?

TITANIC …wie unser Chef. König.

Herr Anonymus Was heißt, wie unser Chef?

TITANIC Der heißt auch König.

Herr Anonymus Ist das ein Familienbetrieb?

TITANIC Nein. Aber letztlich sind wir eine große Sippe.

Herr Anonymus Eine große Familie. Aha. Wie ist denn Ihr Vorname, Herr König?

TITANIC Tomaschek.

Herr Anonymus Tomaschek König? Aah, Beutegermane.

TITANIC (entsetzt) Nanana.

Herr Anonymus Kommen Sie aus Tschechien?

TITANIC Ich komme aus Deutschland.

Herr Anonymus Aus Deutschland, okay. Wenn Sie mir die Adresse noch sagen, dann ist ja alles gut. Die Telefonnummer hab ich ja.

TITANIC Großraum Frankfurt-West.

Herr Anonymus Großraum, Kleinraum, ist egal. Adresse ist Straße und Hausnummer.

TITANIC Ich frage Sie ja auch nicht nach Ihrer Adresse.

Herr Anonymus (verrannt) Ja, aber Sie wollen auch nix von mir.

TITANIC Doch.

Herr Anonymus Nee. Das Ganze hat kein Hand und Fuß. Aber gut, okay. Dann muß ich meine Schlüsse ziehen.

Schlüsse darf er gerne ziehen, solange auch die Bettler durch seine Straße ziehen dürfen. Aber wo sich die Beschwerden der Bürger häufen, sind die Behörden nicht weit.

Die nehmen nicht nur den kleinen Finger: Die handlesende Zunft zieht gen Westen

Frau Gelbstein
»Ist das ganz neu?«

Frau Gelbstein (fröhlich) Guten Tag, mein Name ist Gelbstein aus dem Servicecenter in Frankfurt. Bei mir hat eine Dame angerufen. Macht ihr so eine Aktion am 13. März in Frankfurt im Westend?

TITANIC Ja.

Frau Gelbstein Ja, die wollte sich nur vergewissern, ob das auch stimmt. Da hat sie bei mir bei der Stadt angerufen auf der 115. Ich hab ihr gesagt, ich erkundige mich mal, ob die Sache auch korrekt ist, wer sich meldet.

TITANIC Ja, genau. Das stimmt.

Frau Gelbstein Das stimmt, okay. »Rotes Kreuz ohne Grenzen« war mir nämlich auch kein Begriff im ersten Moment.

TITANIC Ja, wahrscheinlich noch etwas unbekannt, aber wir werden derartige Aktionen jetzt öfter durchführen, und das Westend ist eben am kommenden Mittwoch betroffen.

Frau Gelbstein (beruhigt) Okay, dann weiß ich Bescheid.

TITANIC Wer waren Sie jetzt noch mal?

Frau Gelbstein Das Servicecenter, Stadt Frankfurt am Main.

TITANIC Ach so, direkt von der Stadt.

Frau Gelbstein Direkt von der Stadt. Die Dame hat bei uns angerufen, ob das rechtens ist, weil sie die Organisation nicht kennt. Sag ich, ich kenn sie auch nicht, aber sie hat mir dann eure Telefonnummer gegeben. Ist das ganz neu, eure Organisation?

TITANIC Relativ neu, ja.

Frau Gelbstein Alles klar, Herr König. Dann darf ich mich bei Ihnen bedanken.

Keine Ursache! Leider kann man sich aber auf Frau Gelbstein aus dem Servicecenter nicht verlassen, denn wenige Stunden später heißt es auf der Website der Stadt Frankfurt reißerisch: »Vorsicht, Bettelbetrug! Unter einem Logo, das den Anschein des Roten Kreuzes erweckt, werden zurzeit in Frankfurt Sammler angekündigt, die für so ziemlich alles von Kleidern bis Juwelen Interesse haben.«

Westliche Sicherheitsstandards auf dem Prüfstand

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ausgewähltes Heft

Aktuelle Cartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Du, »Brigitte«,

füllst Deine Website mit vielen Artikeln zu psychologischen Themen, wie z. B. diesem hier: »So erkennst Du das ›Perfect-Moment -Syndrom‹«. Kaum sind die ersten Zeilen überflogen, ploppen auch schon die nächsten Artikel auf und belagern unsere Aufmerksamkeit mit dem »Fight-or-Flight-Syndrom«, dem »Empty-Nest-Syndrom«, dem »Ritter-Syndrom« und dem »Dead- Vagina-Syndrom«. Nun sind wir keine Mediziner/innen, aber könnte es sein, Brigitte, dass Du am Syndrom-Syndrom leidest und es noch gar nicht bemerkt hast? Die Symptome sprechen jedenfalls eindeutig dafür!

Meinen die Hobby-Diagnostiker/innen der Titanic

 Genau einen Tag, Husqvarna Group (Stockholm),

nachdem das ungarische Parlament dem Nato-Beitritt Schwedens zugestimmt hatte, mussten wir was auf heise.de lesen? Dass auf Deinen Rasenmähern der »Forest & Garden Division« nach einem Software-Update nun der alte Egoshooter »Doom« gespielt werden kann!

Anders gesagt: Deine Divisionen marodieren ab sofort nicht nur lautstark mit Rasenmähern, Traktoren, Motorsägen, Motorsensen, Trennschleifern, Rasentrimmern, Laubbläsern und Vertikutierern durch unsere Gärten, sondern zusätzlich mit Sturmgewehren, Raketenwerfern und Granaten.

Falls das eine Demonstration der Stärke des neuen Bündnispartners sein soll, na schön. Aber bitte liefere schnell ein weiteres Software-Update mit einer funktionierenden Freund-Feind-Erkennung nach!

Hisst die weiße Fahne: Titanic

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

 Mmmmh, Thomas de Maizière,

Mmmmh, Thomas de Maizière,

über den Beschluss der CDU vom Dezember 2018, nicht mit der Linkspartei oder der AfD zusammenzuarbeiten, an dem Sie selbst mitgewirkt hatten, sagten Sie bei Caren Miosga: »Mit einem Abgrenzungsbeschluss gegen zwei Parteien ist keine Gleichsetzung verbunden! Wenn ich Eisbein nicht mag und Kohlroulade nicht mag, dann sind doch nicht Eisbein und Kohlroulade dasselbe!«

Danke für diese Veranschaulichung, de Maizière, ohne die wir die vorausgegangene Aussage sicher nicht verstanden hätten! Aber wenn Sie schon Parteien mit Essen vergleichen, welches der beiden deutschen Traditionsgerichte ist dann die AfD und welches die Linke? Sollte Letztere nicht eher – zumindest in den urbanen Zentren – ein Sellerieschnitzel oder eine »Beyond Kohlroulade«-Kohlroulade sein? Und wenn das die Alternative zu einem deftigen Eisbein ist – was speist man bei Ihnen in der vermeintlichen Mitte dann wohl lieber?

Guten Appo!

Wünscht Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt