Inhalt der Printausgabe

So skandalös wird die WM!

Blutige Überfälle, politische Unruhen, kulturelle Mißverständnisse – die Fußballweltmeisterschaft in Südafrika scheint wie geschaffen für kleine und große Affären. Führende Eventexperten haben für TITANIC einen möglichen Verlauf der WM skizziert.

11. Juni

Schon beim Eröffnungsspiel kommt es zum Eklat, als die Mannschaft der Gastgeber ihre gefürchtete Abwehrkette einsetzt. Nach Protesten des mexikanischen Gegners wird das Spiel unterbrochen. Einer Sprecherin des südafrikanischen Fußballverbands SLAVE (Soccer League Administration, Valuation and Employment) rechtfertigt die Eisenketten auf dem Spielfeld: Diese verhinderten, daß die begehrten afrikanischen Spieler nach Turnierende von einer ausländischen Mannschaft einfach mitgenommen würden. Die Mexikaner appellieren an FIFA-Präsident Sepp Blatter, der jedoch noch im Flugzeug sitzt und oberhalb von 2000 Höhenmetern keine Entscheidungen treffen darf. Das Spiel bleibt vorläufig gültig.

14. Juni

Kurz vor dem Spiel Japan-Kamerun droht ein neuer Skandal. Japan wertet die neuen Hosenmodelle Kameruns als »unerträgliche Provokation«. Typische körperliche Handicaps von Asiaten würden in beleidigender Weise bloßgestellt; überdies verschafften sich die Afrikaner einen unfairen Vorsprung, da die nötige Zeit fürs Zurechtnesteln der unteren Etage komplett entfalle. Der inzwischen eingetroffene Sepp Blatter verbietet das Modell routiniert, die dreibeinigen Dribbelkünstler aus Kamerun müssen abklemmen.

18. Juni

Eine humanitäre Geste der FIFA entpuppt sich als Schnellschuß: Die großspurig angekündigte kostenlose Verteilung von Kondomen richtet sich nicht an Einheimische, sondern an die angereisten Gäste. »Wir wollen den Sicherheitsbedenken Rechnung tragen«, so Blatter. Mit den kugelsicheren DurexSondermodellen soll allen ermöglicht werden, sich durch die Townships Johannesburgs zu bewegen, ohne einem rassistischen Übergriff zum Opfer zu fallen. Als die ersten Nutzer einen überraschenden Erstickungstod erleiden, zieht die FIFA das peinliche Gimmick zurück.

22. Juni

Riesenaufschrei in der südafrikanischen Presse (De Volkskrant): Das Maskottchen der WM, der aidskranke Leopard Sarkomi, soll sich durch die Organisation illegaler Safaris Devisen verschafft haben – um seine Medikamente bezahlen zu können! Zudem wird dem erst 15jährigen Sarkomi vorgeworfen, in Waffengeschäfte mit Südafrikas Staatschef Jacob Zuma verwickelt zu sein. Sepp Blatter überlegt kurz, ihn gegen Siffi, die gelbsüchtige Giraffe, auszuwechseln, räumt dann aber ein: »Korruption, Perversion und Pestilenz – das ist Fußball!« Die Krätzekatze bleibt im Amt.

25. Juni

In Bloemfontain ist die Hölle los: Durch einen Fehler des Sekretariats erscheint anstelle des als Ehrengast geladenen Johannesburger Bischofs Tutu die Travestiekünstlerin »Bischof Tütü«, deren schrilles Rahmenprogramm das Spiel NordkoreaElfenbeinküste zur Farce geraten läßt. Sepp Blatter, der sich gerade von den Nachwirkungen einer typisch südafrikanischen KlebstoffschnüffelSession erholt, will zu gegebener Zeit Stellung nehmen, allerdings zu ganz anderen Themen (Frauenfußball, Erbsen).

28. Juni

Schmerzhaft vermißt wird schon seit Beginn der Spiele ein anderer Ehrengast: Nelson Mandela. Erst zum Viertelfinale kommt raus: Mandela hat sich versehentlich auf der Stadiontoilette eingeschlossen, wo er seither im Akkord grimmige Durchhalteparolen und lange Briefe an die Toilettenfrau verfaßt. In der Zwischenzeit hat die aufgebrachte Winnie Mandela schon zwei Hausangestellte verprügelt. »Ein Reflex«, entschuldigt Sepp Blatter die Altmeisterin der Bedienstetenbedrohung.

6. Juli

Ein im Wortsinne stiller Skandal ist die Abschaffung der Vuvuzela: Pünktlich zum Halbfinale wollen die örtlichen Behörden den traditionsreichen Krachmacher verbieten. Allerdings nicht aus akustischen, sondern aus Gründen des crowd management – dient das Instrument deutschen Fans doch hauptsächlich zum erleichterten Alkoholmißbrauch. BlatterChef Sepp Fifa versucht, sich gegen »diese Schweinerei« einzusetzen, stürzt aber noch im Hotel über eine Flasche Klebstoff und läßt sich krankschreiben.

11. Juli

Das wider Erwarten doch noch stattfindende Finale wird von Schwärmen bettelnder Kinderbanden gesprengt, die die Spieler um Kleingeld und Kugelschreiber erleichtern. Seppl-Chef Blatter adoptiert einige und dankt in seiner Abschlußrede den »kanadischen Behörden, die diese wunderbaren Winterspiele erst möglich gemacht haben, törööh!« Alle Beteiligten werden verhaftet, dann abgeschoben.

 

Leo Fischer / Stephan Rürup

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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

 Wow, Instagram-Kanal der »ZDF«-Mediathek!

In Deinem gepfefferten Beitrag »5 spicy Fakten über Kim Kardashian« erfahren wir zum Beispiel: »Die 43-Jährige verdient Schätzungen zufolge: Pro Tag über 190 300 US-Dollar« oder »Die 40-Jährige trinkt kaum Alkohol und nimmt keine Drogen«.

Weitergelesen haben wir dann nicht mehr, da wir uns die restlichen Beiträge selbst ausmalen wollten: »Die 35-Jährige wohnt nicht zur Miete, sondern besitzt ein Eigenheim«, »Die 20-Jährige verzichtet bewusst auf Gluten, Laktose und Pfälzer Saumagen« und »Die 3-Jährige nimmt Schätzungen zufolge gerne das Hollandrad, um von der Gartenterrasse zum Poolhaus zu gelangen«.

Stimmt so?

Fragen Dich Deine Low-Society-Reporter/innen von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt