Inhalt der Printausgabe
Vater gegen Sohn, Hamas gegen Fatah, Bruderkrieg, Chaos: So lauten die Stichworte zur neuen Entwicklung im geteilten Palästina, garniert mit martialischen Bildern scheinbar waffenstarrender Desperados. Und doch verzaubert dieses Ursprungsland der drei monotheistischen Religionen jeden Reisenden bis heute. Ob Ramallah oder Jericho, Jerusalem oder Heilbronn, pardon: Hebron, überall stößt man auf Zeugnisse jahrtausendealter Hochkultur, die man sich nicht entgehen lassen soll(te)!
Tag 1: Über den Wolken
Wir fliegen um 04:45 von Halle/Saale zum neuen Terminal 3 des Flughafens von Gaza, wo der Reiseleiter uns bei den nötigen Formalitäten zur Hand geht. Am Nachmittag besteht die Gelegenheit, Gazas moderne Geschäfte und Cafés entlang der kilometerlangen Sandstrände zu genießen, die als die schönsten im östlichen Mittelmeer gelten. Der Tag schließt mit der Besichtigung eine anonymen Gruppe überlebender Selbstmordattentäter, die nun einen florierenden Second-Hand-Laden betreiben. »Kein« Kaufzwang!
Tag 2-4: Bethlehem und Umgebung
Nach dem Frühstück (05:30) geht’s per Bus ins erste Highlight der Reise: das 300 Kilometer entfernte Bethlehem, welches wir nach ca. 14 Stunden erreichen – glücklich, aber erschöpft. Vom frühen Morgen bis in die Abendstunden bietet der säkulare Meltung-Pot einen außergewöhnlichen Blick auf Weingärten, Olivenbäume und angrenzende Ortschaften, dazu interessante Dauerausstellungen überführter Ehebrecher und Gigs angesagter Musiker wie des beliebten Dschihad Acapella Sextett, dessen Mitglieder heute teilweise als versprengt gelten.
Tag 5: Jabaliya
Nach längerem Eselsritt durch beeindruckende künstliche Kraterlandschaften erreichen wir zur Mittagshitze das Wüstenörtchen Jabaliya. In prall gefüllten Katakomben entdeckte man hier 1996 zahlreiche Relikte aus römischer und byzantinischer Zeit: Bronzene Klumpen, Hosenknöpfe und Weingläser, dazu Olivenbäume aus dem 4. Jahrhundert n Chr. Bis heute wird der Boden akribisch nach weiteren Schätzen durchsucht.
Tag 6: Hebron
Mit dem Klapprad geht es nach Al-Khalil, wie Hebron auf arabisch heißt, denn Al heißt He und Khalil bron. Mit ihren 6000 Jahren ist es eine der ältesten Städte der Welt, hier liegen die Grabstätten von Abraham, Isaac und Jakob. Im 7. Jahrhundert wurde die Stadt von Muslimen erobert und fortan zu einem florierenden Handelszentrum ausgebaut, dessen Wein- und Olivenindustrie das gesamte Westjordanland beliefern. Festlicher Höhepunkt des Jahres ist aber die im August stattfindende und immer wieder mit letztem Einsatz betriebene Eukalyptus-Ernte.
Tag 7: Beit Hanoun und Beit Lahya
Ziegen tragen uns in diese zwei idyllischen, je rund 5000 Einwohner zählenden Küstenörtchen unweit des Erez-Checkpoints. Beit Hanoun wurde 1239 vom mamlukischen Emir Shams ad-Din Sunqur gegründet, im historischen Beit Kahya fand man zahlreiche Weinkorken und fachmännisch ausgespuckte Olivenkerne aus byzantinischer Epoche. Auf einer ca. dreistündigen, von den lokalen Verkehrsbetrieben durchgeführten Rundfahrt lernen Sie beide Orte kennen und lieben.
Tag 8: Jericho und das Tote Meer
Selber irgendwie hinkommen müssen Sie dann zum absoluten Höhepunkt der Reise: nach Jericho, der ältesten und mit 260 unter NN tiefstgelegenen Stadt der Welt. Ihr mildes Klima, ihre Olivenbäume und Eselspfade aus teils prähistorischer Zeit machten sie weltberühmt. (Nackt-)Badefreunde kommen vom nahegelegenen Toten Meer direkt in afghanische Ausbildungscamps, und wer noch mehr Glück hat, kann die Lehrer der beliebten Aiman al-Sawahiri-Gesamtschule beim allmorgendlichen Tai-Chi beneiden.
Tag 9: Ramallah
Von Jericho »relativ« bequem zu Fuß erreichbar ist die politische und kulturelle Hauptstadt Palästinas. Der Legislativrat, etliche Ministerien und die Gesellschaft zur Förderung der Wein- und Olivenwitzes haben hier ihren Sitz; im Sommer füllt sich das Zentrum – der al-Manara-Platz mit seinen sechs sternenförmig verlaufenen Straßen – mit tausendfachem Leben. Nach einem Rundgang durch angrenzende Weinberge und Übernachtung im Bembel-Museum sammeln wir uns zur Eröffnung des Teppich-SMVs im antiken Treppenhaus von Hertie-Ramallah.
Tag 10: Khan Yunis
An unsere physischen Grenzen gehen wir am drittletzten Reisetag mit einem Gewaltmarsch in diese weit entfernte und mit 35 Einwohnern kleinste Stadt des Gazastreifens, die wir gegen 23.50 erreichen. Übermäßig viel los ist leider nicht gerade in diesem schon von Scheich Yunis Ibn Abdallah al-Nawruzi II weiträumig umrittenen Möchtergern-Steinbruch, und »zauberte« hier nicht der Kreisklassen-Frauenfußballclub Allemania Khan Yunis 04: die 17 Einwohnerinnen (Stand 2005) wüßten gar nicht wohin mit ihrer Lebensfreude.
Tag 11: Rafah
»Doch ach, schon mit der Morgensonne / Verengt der Abschied mir das Herz: / In deinen Küssen welche Wonne! / In deinem Auge welcher Schmerz!« (Goethe). Jawohl, nun heißt es Abschied nehmen! Ein geräumiger und voll klimatisierter Shuttle-Bus bringt uns von Khan Yunis zur 689 km entfernten Grenzstadt Rafah, dem Heiratsort Cleopatras. Von dort geht dann jeder individuell nach Hause.
Tag 12ff: Heimweg
Thomas Gsella