Inhalt der Printausgabe
Teil 4/9
Wer nicht glaubt, verstaubt!
Hoffnungsvoll legen wir hinter der Bühne unser bettelmönchisches Performance-Outfit an: Kaffeesäcke (kaum gebraucht) und lila Büßerhalstücher. Wegen der erheblichen Verwechslungsgefahr mit Kabarettinstitutionen wie Hanns Dieter Hüsch oder den Backstreet Boys (vgl. Pierre Bourdieu, »Die feinen Unterschiede«, Suhrkamp) tragen wir zusätzlich unser Logo, einen zum Haifisch stilisierten Christen-Fisch, auf ovalen Pappscheiben um den Hals, was nicht nur irre gut aussieht, sondern uns auch den Respekt der Fans sichert: »Uiuiui, das sind ja alles olle Säcke!« freut sich ein Britney Spears-Klon, der vermutlich Tina oder Michael heißt. »Ich wollte hier mal sehen, daß Kirche doch auch anders aussehen kann als in Lauterbach«, sekundiert eine rüstige Dame, und dazu hat sie jetzt auch Gelegenheit, denn Hochwürden Sonneborn betritt den Bühnenrand und richtet ein erstes Grußwort an die heillos fanatisierten zwanzig Seelen, die auf dem Weg vom Sauwohlfühlraum zum Mitmachzirkus plöztlich Bock auf Rock’n‘Kabarett gekriegt haben.
»Hallo, du, Erfurt! Ich sage einfach mal: Du, Erfurt! Wir sind die Kabarett(chr)istinnen und -(chr)isten aus Frankfurt am Main, und wir haben unsere Lieder mitgebracht, um euch ein bißchen gute Laune in den Osten zurückzubringen, in diesen verregneten Tag nach Erich Mielkes Tod...« »Mielke, den haben sie doch zu Tode gehetzt, die Schweine!« pflichten zwei frühalkoholisierte Bühnenarbeiter freudig bei. Zum Glück sind die Lieder der Kabarett(chr)isten Spender von Trost und Frohsinn und lassen auch den Verlust eines geliebten Menschen in nicht mehr ganz so trübem »Licht« erscheinen. Denn wir Kabarett(chr)isten haben Humor und spielen Erfurt jetzt ganz gehörig einen vor: mit drei Gitarren, Bongos und Tchibo-Miniorgel, dafür ohne jede Fähigkeit, Töne zu treffen, zu halten oder sonstwie mit ihnen umzugehen:
Wir sind die Kabarett(chr)isten und wir spieln euch jetzt was vor,
die Kabarett(chr)isten, ja, die haben Humor,
die Kabarett(chr)isten, die bringen euch zum Lachen,
und wollen euch neugierig auf Jesus machen!
Gleich der Opener wird, bei aller Dürftigkeit des musikalischen Vortrags, vom größeren Teil der Zuschauer mit frenetischem Beifall bedacht, vom Rest mit Verstörung bzw. Flucht quittiert und immerhin einmal freundlich kommentiert: »They are only some punks«, erklärt ein erklärter Thüringer seinem offenbar extra aus Amerika eingeflogenen Begleiter. Das ist ein Mißverständnis, spielen wir doch eindeutig eine ambitionierte Mischung aus Ska, Trashcore, Dancefloor-Rumba und Skifflebeat, die auch dem nächsten Stück »Jesus ist der beste Kumpel von der Welt« seine ganz eigene Note gibt.
Aber natürlich ist unser Kabarett nicht nur Musik, sondern auch Wort, Gottes Wort, das sich jetzt via Bruder Zehrer und Schwester Kathrin in Form von einem Dutzend Luthericks materialisiert:
In Zürich ging Luther zu Zwingli
und faßte ihm neckisch ans Dingli,
worauf dieser laut lachte
und tuntenhaft sachte:
Hach Martin, du bist ja ein Schlingli!
Das Sadistentreffen in Trier
war eigentlich nicht Luthers Bier.
Doch es pflegte zu enden
mit Jungfrauenschänden,
drum war Luther auch jedes Jahr hier.
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