Inhalt der Printausgabe

Wie ich einmal die Kraft hernahm, die Leipziger Buchmesse besucht zu haben

Das Schönste an der Leipziger Buchmesse war der Abend meiner Rückkehr nach Hamburg, wo das dritte Italien-Urlaub-Vorbereitungs-Essen bei Frau S. stattfand, einer der vier Teilnehmerinnen. Das Motto des Abends lautete: „Wo nehmen wir eigentlich die Kraft her?“

Speisefolge: eingelegter Fisch mit Fladenbrot, Pilz-Spinat-Möhren-Lasagne, Quarkstrudel mit Eis. Die Rezepte (Freiumschlag!) können bei der Redaktion angefordert werden, nur das Rezept für den Quarkstrudel nicht (der übrigens zum Zeitpunkt seines Erscheinens bereits „Quarksprudel“ hieß), das sage ich jetzt gleich: aus der Packung nehmen und den Ofen auf 200 Grad vorheizen.

Themen während der Vorspeise waren: unsere Mütter, unsere Topfpflanzen, wo hört Schizophrenie auf, lustig zu sein, Männer und die Leipziger Buchmesse. Von der Leipziger Buchmesse konnte ich berichten, daß ich mit Ernst-Dieter Lueg in einem Aufzug gefahren bin und daß er sich vor mir hinausdrängelte, obwohl ich ganz vorne stand. Dann kam die Lasagne, die vom Umfang her für den Kirchentag oder die Leipziger Buchmesse gereicht hätte, und wir wurden aufgefordert, ordentlich zuzulangen, was wir auch taten. (Wo nehmen wir eigentlich die Kraft her?) Trotzdem blieb ein erheblicher Rest zurück, den Frau E. sich erbot mitzunehmen, um ihn am nächsten Tag in der Firma in ihrer Espresso-Maschine peu a peu aufzuwärmen. Ich habe vergessen zu erwähnen, daß auch Getränke angeboten wurden.

Zeichnung: Wolfgang Herrndorf

Themen während des Hauptgerichts waren: skandalöses Verhalten von Prominenten, ob man beim Sockenstricken bei der Ferse mogeln darf oder nicht, Männer, das Für und Wider paradigmatischer Partizipialparagramme (Wo nehmen wir eigentlich die Kraft her?) und die Leipziger Buchmesse. Von Leipziger Buchmesse konnte ich berichten, daß die Zeitschrift, die mich zu einer Lesung dorthin eingeladen hatte, mir ein Privatquartier besorgt hatte, wo ich samt mitzubringendem Schlafsack (seit 30 Jahren aus meinem Programm gestrichen) auf dem Terrazzo-Fußboden in der Küche hätte schlafen müssen.

Themen während der Pause zwischen Lasagne und Quarksprudel waren: skandalöses Verhalten von linksorientierten Tageszeitungen, Männer, Vor- und Nachteile von Latexmatratzen und gemeinsames Singen von „Du bist nicht allein“. Dann rauchten wir erst mal ein paar Spezialzigaretten, die anzubieten ich deshalb in der Lage war, weil ich vor zwei Wochen von einem Bekannten direkt aus einem Amsterdamer Café angerufen worden war, der gerade irrsinnig begeistert irgendeinen Text von mir gelesen hatte und sich erbot, mir deswegen „was Schönes“ mitzubringen.

Das gab uns Kraft für das Dessert, denn dieses von der Küche ins Eßzimmer zu schaffen erwies sich als schwierig. Das Blech war irgendwie mit dem Backofen verschweißt, weil zuerst aus Versehen das Eis hineingestellt worden und anschließend ziemlich viel Quark ausgelaufen war.

Die Vorschläge, wie man dennoch in den Genuß des Nachtisches kommen könnte, waren:

  1. Alle stecken die Köpfe in den Ofen uns essen direkt vom Blech (einstimmig abgelehnt).
  2. Der Herd wird im Ganzen auf den Eßtisch gestellt (von S. abgelehnt).
  3. Wir versuchen es mit Gewalt.

Vorschlag Nummer 3 wurde angenommen und erfolgreich durchgeführt (Wo nehmen wir eigentlich die Kraft her?), wobei etwa ein Drittel des Sprudels auf die Birkenstock-Sandalen von Frau J. fiel.

Themen während des Desserts waren: das skandalöse innerbetriebliche Verhalten der Firma Birkenstock, wieso ich immer alles mitschreibe, Männer, die Leipziger Buchmesse. Von der Leipziger Buchmesse konnte ich berichten, daß ein Frankfurter Redakteur bei der Anreise im ICE-Speisewagen den wurzelfleischverzehrenden Gerhard Löwenthal getroffen hatte. Der Redakteur gestand Löwenthal, ihn 1988 mal in einer Talkshow gesehen zu haben. Der Alt-Moderator war sehr erfreut und sagte: „Ja, das war im letzten Jahr.“ In Leipzig wurde der Redakteur dann privat untergebracht, und zwar bei einem Neger mit Kampfhund, ein Kollege dagegen bei einer Hundertjährigen in einem hundert Jahre alten Jogginganzug. Damit meine ich, daß er in ihrer Wohnung wohnte.

Im Laufe des Abends ergaben sich dann noch folgende Themen: Warum sollen Männer es besser haben als wir, Alzheimer, kann eine von uns überhaupt italienisch (nein), bestellen wir ein Taxi oder brechen wir auf die Straße, wo nehmen wir eigentlich die Kraft her und die Leipziger Buchmesse.

ausgewähltes Heft

Aktuelle Cartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Wow, Instagram-Kanal der »ZDF«-Mediathek!

In Deinem gepfefferten Beitrag »5 spicy Fakten über Kim Kardashian« erfahren wir zum Beispiel: »Die 43-Jährige verdient Schätzungen zufolge: Pro Tag über 190 300 US-Dollar« oder »Die 40-Jährige trinkt kaum Alkohol und nimmt keine Drogen«.

Weitergelesen haben wir dann nicht mehr, da wir uns die restlichen Beiträge selbst ausmalen wollten: »Die 35-Jährige wohnt nicht zur Miete, sondern besitzt ein Eigenheim«, »Die 20-Jährige verzichtet bewusst auf Gluten, Laktose und Pfälzer Saumagen« und »Die 3-Jährige nimmt Schätzungen zufolge gerne das Hollandrad, um von der Gartenterrasse zum Poolhaus zu gelangen«.

Stimmt so?

Fragen Dich Deine Low-Society-Reporter/innen von Titanic

 Anpfiff, Max Eberl!

Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

 Wieso so eilig, Achim Frenz?

Wieso so eilig, Achim Frenz?

Kaum hast Du das Zepter im Kampf um die Weltherrschaft der Komischen Kunst auf Erden in jüngere Hände gelegt, da schwingst Du Dich nach so kurzer Zeit schon wieder auf, um in den höchsten Sphären für Deine Caricatura zu streiten.

Mögest Du Dir auch im Jenseits Dein beharrliches Herausgeber-Grummeln bewahren, wünscht Dir zum Abschied Deine Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
18.04.2024 Berlin, Heimathafen Neukölln Max Goldt
18.04.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt