Inhalt der Printausgabe

„Greise Straftäter lachen über den Staat“

 

Nach dem Überfall zweier Rentner auf einen arglosen Gymnasiasten fordern Politiker und Kriminologen „spürbare“ Konsequenzen für greise Gewalttäter. Von einem Volksmusikverbot über Rentenkürzung bis hin zu Sterbehilfe reichen die Vorschläge

 

Ein TITANIC-REPORT von S. Gärtner und O. Nagel

 

 

 

München – Mit dem Rollstuhl fuhren sie ihrem jungen Opfer über die Füße, bespritzten es mit Harn aus dem Urinbeutel und ­demütigten es mit Haßparolen: „Schneiden Sie sich mal die Haare, junger Mann!“ Die gemeine Prügelorgie in der Münchener ­­U-Bahn, bei der zwei Rentner ­einen jungen Ausländer als ­„Mustafa“ beschimpften und ihn nach seinem Fahrausweis fragten, hat eine Debatte über den Umgang mit gewalttätigen Senioren entfacht.

 

„Ich hatte sie nur gebeten, ­ihre Hörgeräte leiser zu stellen“, sagt Mustafa P., das Opfer, „und nicht den Eingang zur Rolltreppe zu blockieren. Ein Wunder, daß ich noch lebe!“ Nicht nur der junge Einserschüler fragt sich, warum Typen wie Hermann G. (75) und Julius Str. (82) überhaupt frei herumfahren dürfen – trotz eines ­ellenlangen Vorstrafenregisters. Die Polizeiakte Hermann G.: Er wird mit 41 Delikten in Verbindung gebracht, darunter Volksverhetzung, Urinieren in der ­Öffentlichkeit, üble Nachrede und Lärmbelästigung in Tateinheit mit schwerem Schunkeln. Von Julius Str. ist ­bekannt, daß er re­gel­­mäßig rechts­radi­kale Publikationen liest (Die Welt, Bild am Sonntag) und seiner Tochter die Heirat mit ­einem Franzosen verboten hat. Sein letzter Prozeß wegen ­Völkermords verlief wegen Verhandlungsunfähigkeit im ­Sande.

 

Ganz Deutschland fragt: Warum bekommt der Staat ­senile Intensivstationstäter nicht in den Griff? TITANIC fragte Prof. Dr. Derek Scholz von der Universität Hof (71), einen der renommiertesten Altertumsforscher Deutschlands. Er war Vorsitzender des König-Ludwig-Fanclubs und Chef der Drei ­Stooges. Seine Analyse: „Das ­Risiko für alte Gewaltstraftäter, gefaßt und erschossen zu werden, ist einfach zu gering. Sie kommen immer wieder mit Fernsehverbot und Diabetes davon – was bei vielen den fatalen Eindruck erweckt, man könne ihnen gar nichts. Alte Straftäter lachen oft über den Staat und ­seine vermeintlich schlappe ­Justiz: Wer noch selber Partisanen aufgeknüpft hat, hat natürlich ­keine Angst vor Hausverbot im Dallmayr-Café.“ Scholz empfiehlt bei der Ahndung von Straftaten den Grundsatz: „Wer nicht hören kann, muß fühlen. Spätestens nach dem dritten Vorfall gehören straffällige Senioren dahin, wo sie keinen Schaden anrichten können: in die Programmkommission des ZDF oder die Ressortleiterkonferenz der Zeit.“ Hilft das nicht, müsse auch eine Abschiebung in Betracht gezogen werden: ins Pflegeheim oder Sterbe­hospiz.

 

Für Mustafa P. käme das zu spät: Die Mathearbeit, die er nach dem schrecklichen Überfall verhauen hat (2+), kann er nicht wiederholen. „Das waren nicht Doppel­herz und Biovital, was die beiden alten Herren so aggressiv gemacht hat, das waren ­Langeweile und Demenz. Wenn die mir noch mal über den Fuß gefahren wären, könnte ich den Triathlon nächste Woche vergessen!“

 

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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

 Sie, Victoria Beckham,

Sie, Victoria Beckham,

behaupteten in der Netflix-Doku »Beckham«, Sie seien »working class« aufgewachsen. Auf die Frage Ihres Ehemanns, mit welchem Auto Sie zur Schule gefahren worden seien, gaben Sie nach einigem Herumdrucksen zu, es habe sich um einen Rolls-Royce gehandelt. Nun verkaufen Sie T-Shirts mit dem Aufdruck »My Dad had a Rolls-Royce« für um die 130 Euro und werden für Ihre Selbstironie gelobt. Wir persönlich fänden es sogar noch mutiger und erfrischender, wenn Sie augenzwinkernd Shirts mit der Aufschrift »My Husband was the Ambassador for the World Cup in Qatar« anbieten würden, um den Kritiker/innen so richtig den Wind aus den Segeln zu nehmen.

In der Selbstkritik ausschließlich ironisch: Titanic

 Persönlich, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck,

nehmen Sie inzwischen offenbar alles. Über den russischen Präsidenten sagten Sie im Spiegel: »Putin war in den Achtzigerjahren die Stütze meiner Unterdrücker.« Meinen Sie, dass der Ex-KGBler Putin und die DDR es wirklich allein auf Sie abgesehen hatten, exklusiv? In dem Gespräch betonten Sie weiter, dass Sie »diesen Typus« Putin »lesen« könnten: »Ich kann deren Herrschaftstechnik nachts auswendig aufsagen«.

Allerdings hielten Sie sich bei dessen Antrittsbesuch im Schloss Bellevue dann »natürlich« doch an die »diplomatischen Gepflogenheiten«, hätten ihm aber »schon zu verstehen gegeben, was ich von ihm halte«. Das hat Putin wahrscheinlich sehr erschreckt. So richtig Wirkung entfaltet hat es aber nicht, wenn wir das richtig lesen können. Wie wär’s also, Gauck, wenn Sie es jetzt noch mal versuchen würden? Lassen Sie andere Rentner/innen mit dem Spiegel reden, schauen Sie persönlich in Moskau vorbei und quatschen Sie Putin total undiplomatisch unter seinen langen Tisch.

Würden als Dank auf die Gepflogenheit verzichten, Ihr Gerede zu kommentieren:

die Diplomat/innen von der Titanic

 Du, »Deutsche Welle«,

betiteltest einen Beitrag mit den Worten: »Europäer arbeiten immer weniger – muss das sein?« Nun, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, ewig und drei Tage überlegt, langjährige Vertraute um Rat gebeten und nach einem durchgearbeiteten Wochenende schließlich die einzig plausible Antwort gefunden. Sie lautet: ja.

Dass Du jetzt bitte nicht zu enttäuscht bist, hoffen die Workaholics auf

Deiner Titanic

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick