Humorkritik
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Sollmandalachen?

Kommt ein Sehgeschädigter mitsamt seiner Frührente ins erste Fischgeschäft am Platze, tritt tastend vor das größte Aquarium, da wo (Hölderlin) die dicken Bartgrundelbrummer kreuzen, und sagt in forschem Ton: "Tach, Mädels!" Zufällig tragen auch die zwei Fischverkäuferinnen je einen Damenbart über den Oberlippen sowie rosa Plastikhandschuhe an den Händen. Beide Bartdämchen müssen kichern, als sie sehen, daß der Mann tatsächlich zwei Hornbrillen mit sehr dicken Gläsern trägt. Als der Mann sagt: "Rollen Sie mir mal Ihre besten Lakritzschnecken aus!", erkennen die Fischfräuleins, daß er ursprünglich in den Süßwarenladen um die Ecke wollte, beenden ihre Unschamhaftigkeit und weisen ihm den Weg.
Eventuell ist das gar kein Witz. Ich muß aber dennoch lachen, zumindest ein klein wenig. Vielleicht über das Wort "Sehgeschädigter" in Kombination mit "Frührente"? Ein merkwürdiger Vorgang!
Merkwürdig war wohl auch, sonderbare Überleitung, der "alte Kameralverwalter" Fetzer, der dem alten Justinus Kerner, wie sein Sohn Theobald in dem überaus lesenswerten Büchlein "Das Kernerhaus und seine Gäste" beschreibt, mit den Jahren, die der Spiriguck in Weinsberg wohnte, ein unentbehrliches Original geworden war. Denn Fetzer "sprach unerhört langsam und war von einer unzerstörbaren Prosa". Der olle Justinus war "a reachter Träumlesschwob", wie der Schwabe sagt, wie Harald Schmidt sagt. Er ließ den Mann an den langen Winterabenden oft kommen, um seinen Erzählungen zu lauschen. D. h. vielmehr nicht zu lauschen, weil er nämlich währenddessen aufs herrlichste schlief und Fetzer so gut war, immer weiter zu sprechen. Kerner junior: "Seine meisten Erzählungen, und er wußte viele aus seinem Leben, fing er mit den Worten an: Ich muß lachen, so oft ich daran denke, lachte aber dabei nie und blieb stets ernsthaft." Ich weiß nicht, wie es zugeht, aber so oft ich an diesen Kameralverwalter Fetzer denke, muß ich ein bißchen lachen, bleibe dabei aber stets ernsthaft.


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