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Radikale Gefahr!

Vergangenen Sonntag wurde der Thüringer Landtag neu gewählt. Das Ergebnis stößt manchem sauer auf, doch anderen ist es noch nicht radikal genug. Besuch eines Bundeslandes am Abgrund der Demokratie, in dem jeder Nachbar dein größter Feind sein kann.

Thüringen Ende Oktober. Es ist kalt. Dichter Nebel verdeckt den Blick auf die Regenwolken. Irgendwo kräht ein Schaf. Doch die bleierne Atmosphäre ist nicht allein dem Wetter geschuldet. Auch gesellschaftlich sind die Zeiten düster, machtfixierte Extremisten dominieren die politische Bühne. Bei der jüngsten Landtagswahl haben so viele gegen die Demokratie gestimmt wie seit DDR-Zeiten nicht mehr: 31 Prozent der Wählerinnen und Wähler setzten ihr Kreuz bei der Linken. Also bei jener Partei, die früher PDS hieß und davor unter dem Namen SED vierzig Jahre Terrorherrschaft im Osten ausübte. Forderungen der Linken nach bedingungslosem Grundeinkommen und ähnlich phantasievoll gelagerten sozialen Wohltaten werden in der Presse oftmals als "Kommunismus light" verharmlost. Doch hinter der Fassade bürgerlicher Sozialismusschwärmerei kämpft die Linke für eine Wiedererrichtung der DDR, Mauerbau und Schießbefehl inklusive.

Mathilde Krautwurst erinnert sich noch gut an die Zeit vor der Wende. "Mir hottn nüscht!" klagt sie in feinster Geraer Mundart. Gatte Hermann nickt. Gemeinsam blättern sie in einem Fotoalbum. Es ist leer, sie haben es gestern erst gekauft. "Damols gabs keene Kameras für uns eenfache Bürger", zetert Mathilde. "Unn heude hom die alle sö Bildschirme, das wird gar ne mehr auf Bapier gedruckt", ergänzt Hermann. Verzweifelt blicken beide auf die trübe Landschaft vor ihrem Fenster. In der Küche taut Tiefkühltorte auf. Aber wie lange noch?

Es ist schwer zu glauben, dass die Thüringer die Schrecken des SED-Regimes bereits vergessen haben. Wer für die Linke gestimmt hat, dem ist gleiches Elend für alle lieber als die Aussicht auf Wohlstand durch Arbeit. Der parteiunabhängige Politikwissenschaftler Werner Patzelt (AfD) ist sicher: Linkspartei-Spitzenkandidat Bodo Ramelow wurde nicht trotz, sondern wegen seiner Sympathien für Stalin gewählt. "In der Aufregung um ein paar Stimmen für vermeintlich Rechtsradikale wird das Vorrücken des Linksfaschismus von den Systemmedien natürlich totgeschwiegen", so Patzelts wissenschaftliche Analyse. In der Tat scheint der Wahlerfolg der AfD im niedrigen zweistelligen Prozentbereich ohne jede Machtoption vielen Journalisten der größere Skandal zu sein als das Wiedererstarken der roten Antifa-Ideologen. Ist es Angst vor der linken Moralkeule, die die Öffentlichkeit schweigen lässt?

Auf Schulhöfen gilt es mittlerweile als Mutprobe, offen seine Meinung zu posten. Selbst die CDU schließt in vorauseilendem Gehorsam eine Zusammenarbeit mit der Linken nicht aus, wohlwissend, dass sie damit ihr eigenes Grab schaufelt. "Unter diesen Umständen ist eine Stimme für die AfD nichts anderes als Notwehr", resümiert Patzelt. Hermann Krautwurst nickt zustimmend. Er sei gar nicht unbedingt für die AfD, sondern gegen den Kommunismus, beteuert er. So wie er damals nicht für Hitler gekämpft habe, sondern gegen die Roten. "Und die Juden", kichert Mathilde. "Aber das darf man ja heute nicht mehr sagen, ohne dazuzusagen, das nicht mehr sagen zu dürfen." Die Angst, "Nazi" genannt zu werden, steht beiden ins Gesicht geschrieben.

Schlecht gelaunt wie alle Kommunisten – Matze Marx, Linkswähler

Ortswechsel, Besuch bei den glühenden Kommunisten und selbsternannten Linkswählern Hedwig und Matze Marx am Rande Eisenachs. Der ach so fortschrittliche Matze empfängt uns im Wohnklo seines Bretterverschlags, während die Gattin in der Küche Plätzchen aus zerkautem Zeitungspapier bäckt – mittels Föhn, den sie mit ihrer Darmluft betreibt. Stolz präsentiert Matze einen Stapel mit Stasiakten. "Feinde des sozialistischen Fortschritts!" donnert er. "Die habe ich alle verpfiffen! Und das sind nur die, die an der Mauer erschossen wurden. Die anderen 32 Regalkilometer Akten hat Hedwig schon zu Plätzchen verbacken." Matze drückt die Schiebermütze ins Genick, berichtet von Nostalgiereisen zu den schönsten Gulags, raucht dabei Ersatzkaffee aus verschimmeltem Rindenmulch. Er trägt Kleidung, die er im Laden gekauft hat. Der Widerspruch zu seinen wirren antikapitalistischen Tiraden scheint ihm nicht aufzufallen. Irgendwann bringt Hedwig die fertigen Plätzchen herein, doch der letzte Bus fährt hier leider schon um 11:30 Uhr vormittags.

Politikwissenschaftler Patzelt stößt die bloße Existenz der Marxens sauer auf wie DDR-Bier aus Chemieabfällen. "Ich vergleiche die Politik gerne mit Hufeisen", erklärt er. "Zwischen dem linken und dem rechten Rand ist jede Menge Luft, aber jedes Pferd hat vier davon und kommt so viel schneller vom Fleck als ein Esel." Linke wie die Marx-Marxisten gingen inzwischen gewaltsam gegen den Einsatz von Hufeisen vor. Er selbst könne das ja noch verkraften – nach einer längeren Schweigepause fährt er fort: "Aber was ist mit alleinerziehenden Müttern, die sich keine neuen Hufeisen leisten können?"

Die ehemalige Schmiedin Mathilde Krautwurst hat inzwischen einen kostenlosen Service für Alleinerziehende auf ihrem Hof eingerichtet. Wem die Hufeisen gestohlen wurden, der kann zu ihr kommen. Sie schreibt die Namen dann auf und reicht sie an Patzelt weiter. "Es ist eine Dokumentation des Widerstands gegen Ramelows Kollektivierungspläne", sinniert sie. "Nicht für uns, für die Nachwelt, damit einmal Straßen nach uns benannt werden." Und Gatte Hermann ergänzt: "Eigentlich müsste man die Linken alle umbringen, und die Ausländer sowieso." Ängstlich sieht er sich um. "Ach, ich sag's jetzt einfach: Heil Hitler! Aber das darf man heute ja nicht mehr sagen." In Thüringen kommt die Sonne durch.

Valentin Witt

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

 Du, »Brigitte«,

füllst Deine Website mit vielen Artikeln zu psychologischen Themen, wie z. B. diesem hier: »So erkennst Du das ›Perfect-Moment -Syndrom‹«. Kaum sind die ersten Zeilen überflogen, ploppen auch schon die nächsten Artikel auf und belagern unsere Aufmerksamkeit mit dem »Fight-or-Flight-Syndrom«, dem »Empty-Nest-Syndrom«, dem »Ritter-Syndrom« und dem »Dead- Vagina-Syndrom«. Nun sind wir keine Mediziner/innen, aber könnte es sein, Brigitte, dass Du am Syndrom-Syndrom leidest und es noch gar nicht bemerkt hast? Die Symptome sprechen jedenfalls eindeutig dafür!

Meinen die Hobby-Diagnostiker/innen der Titanic

 Aaaaah, Bestsellerautor Maxim Leo!

In Ihrem neuen Roman »Wir werden jung sein« beschäftigen Sie sich mit der These, dass es in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein wird, das maximale Lebensalter von Menschen mittels neuer Medikamente auf 120, 150 oder sogar 200 Jahre zu verlängern. Grundlage sind die Erkenntnisse aus der sogenannten Longevity-Forschung, mit denen modernen Frankensteins bereits das Kunststück gelang, das Leben von Versuchsmäusen beträchtlich zu verlängern.

So verlockend der Gedanke auch ist, das Finale der Fußballweltmeisterschaft 2086 bei bester Gesundheit von der heimischen Couch aus zu verfolgen und sich danach im Schaukelstuhl gemütlich das 196. Studioalbum der Rolling Stones anzuhören – wer möchte denn bitte in einer Welt leben, in der das Gerangel zwischen Joe Biden und Donald Trump noch ein ganzes Jahrhundert so weitergeht, der Papst bis zum Jüngsten Gericht durchregiert und Wladimir Putin bei seiner Kolonisierung auf andere Planeten zurückgreifen muss? Eines will man angesichts Ihrer Prognose, dass es bis zum medizinischen Durchbruch »im besten Fall noch 10 und im schlimmsten 50 Jahre dauert«, ganz bestimmt nicht: Ihren dystopischen Horrorschinken lesen!

Brennt dann doch lieber an beiden Enden und erlischt mit Stil: Titanic

 Ziemlich beunruhigt, Benjamin Jendro,

lässt uns Ihr vielzitiertes Statement zur Verhaftung des ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette zurück. Zu dem beeindruckenden Ermittlungserfolg erklärten Sie als Sprecher der Gewerkschaft der Polizei: »Dass sich die Gesuchte in Kreuzberg aufhielt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Berlin nach wie vor eine Hochburg für eine gut vernetzte, bundesweit und global agierende linksextreme Szene ist.«

Auch wir, Jendro, erkennen die Zeichen der Zeit. Spätestens seit die linken Schreihälse zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, ist klar: Die bolschewistische Weltrevolution steht im Grunde kurz bevor. Umso wichtiger also, dass Ihre Kolleg/innen dagegenhalten und sich ihrerseits fleißig in Chatgruppen mit Gleichgesinnten vernetzen.

Bei diesem Gedanken schon zuversichtlicher: Titanic

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick